Start Interviews Gerald Brettschuh: „Ich verlange von mir mehr als früher!“

Gerald Brettschuh: „Ich verlange von mir mehr als früher!“

Das Jagdmuseum Schloss Stainz zeigt im Rahmen seiner neuen Sonderausstellung „Die Jagd ist weiblich“ Arbeiten des Malers Gerald Brettschuh. Zu sehen sein werden 12 Papierarbeiten und 13 Gemälde des noch weit größeren Werkzyklus „Diana und Aktaeon“. „Achtzig“ sprach mit dem Künstler über Verwandlungen, erbarmungslose Götter und den Maler als Jäger.

Text: Stefan Zavernik

Die Sage von „Diana und Aktaeon“ beschäftigt Sie schon seit einigen Jahrzehnten. Was verbindet Sie mit dieser Geschichte?

Das Unerhörte: Aus einem Menschen wird ein Tier!

In der Sage wird der Jäger Aktaeon in einen Hirsch verwandelt und damit selbst zum Gejagten. Er wird zum Opfer der göttlichen Willkür. Sind die Götter in ihren Augen erbarmungslos?

Die besten Götter sind erbarmungslos!

Ist der Zyklus als eine Nacherzählung der Sage zu verstehen oder erzählt dieser eine eigene Geschichte?

Nichts in meinen Bildern ist Nacherzählung! Ich folgte meiner Fabulier- und Bilderfindungslust, ich zeichnete und malte so viele Varianten der Hirschwerdung des Königssohnes Aktaeon und der Hirsch-, manchmal Ziegenwerdung Demeters (die römische Kultur erst machte aus Demeter Diana), wie mir meine Phantasie eingab. Nichts davon findet man bei Publius Ovidius Naso.

Gerald Brettschuh, „Tier Frau Mann Aktaeon“

Ihre Werke sind Teil der Sonderausstellung „Die Jagd ist weiblich. Diana und Aktaeon“. Sind Sie als Maler auch auf gewisse Weise Jäger, wenn es darum geht, Blätter und Leinwände zu füllen?

Oft in meinem langen Bildermacher­dasein nannte ich mich selber Jäger. Das Auge, das Schauen, immerwährendes Suchen, auf Beute aus sein, verbindet mich mit einem Jäger. Seit vielen Jahren nenne ich mich ja auch Höhlenmaler.

Warum Höhlenmaler?

Ich bin selber eine Höhle, ein tiefes Loch, alles, was ich machte, kam da heraus. Aber auch die 35.000 Jahre alten Höhlenmalereien spielen da mit. Sie sind für mich das Größte.

Welche übergeordnete Rolle spielt das Thema der Metamorphose für Ihre Malerei?

Als Kind der christlichen Welt hört man früh das Zitat: „Von der Erde stammst du, zur Erde wirst du.“ Das vergisst man nie: Deine schöne, menschliche Gestalt wird verwandelt zu Erde! Der größte Schock, den ein Kind, ein junger Mensch hören muss. Die Religionen der Welt verwalten diese Tatsache hauptberuflich!

„Figuren in der Landschaft“

Und für Sie als Mensch?

Metamorphose, Übergang von einem Entwicklungszustand in den nächsten, zieht sich durch alles Menschsein. Das gilt auch für mich.

Gibt es Grund, davor Angst zu haben?

Vor dem Übergang zur Staubwerdung? Nein, da bist du ja schon tot.

Sie feiern im kommenden Jahr Ihren 80. Geburtstag. Inwieweit beeinflusst der Gedanke an die eigene Endlichkeit Ihre Malerei?

Dieser Gedanke begleitet mich mein Leben lang. Er hat mich schon als Zehnjähriger beschäftigt. Das Nichtwegschauen nenne ich es. Jetzt aber täglich, nächtens und tagsüber. Achtzig: welch schönes Alter! So alt geworden zu sein, weder gebrechlich noch dement, macht mich fröhlich, lässt mich jede Stunde genießen, Tag um Tag, Jahr um Jahr! In meiner Vorstellung male ich mir manchmal den Begräbniszug vom Haus auf den „Hof des Friedens“ aus. Wie lang wird der wohl sein? Wer wird am geöffneten Grab (meine Mutter begruben wir 1976) das Wort „Aus Erde bist du, zu ihr kehrst du zurück“ sagen? Freund Philipp Harnoncourt sicher nicht, er starb gerade.

Wie sehr hat sich Ihre Arbeitsweise über die Jahrzehnte verändert?

Darüber schwadroniere ich nicht, darüber soll der Betrachter befinden.

Und Ihr Anspruch an die eigene Arbeit?

Ich verlange von mir mehr als früher.

Eine bisher nahezu unbekannte Seite Ihrer Malerei wurde im vergangenen Jahr im Rahmen einer großen Ausstellung im Kunsthaus Köflach präsentiert: Abstraktionen. Eine rare Ausnahme in der Malerei von Gerald Brettschuh?

Anno 1964 wählte Herbert Tasquil, Professor an der Akademie für Angewandte Kunst, eine abstrakte Studentenarbeit von mir für eine Ausstellung in New York aus. Das Thema beschäftigte mich immer wieder, es ergibt sich aus Gründen der Verdichtung, der Komposition zwangsläufig in einem langen Malerleben. Da ich damit nicht an die Öffentlichkeit gegangen bin, wurde ich als Maler der Venus, der Menschen, der Pferde und Hirsche u. a. bekannt. Anno 2019 zeigte ich in Köflach zum ersten Mal abstrakte Bilder aus verschiedenen Jahrzehnten, eine Hommage an Gottfried Fabian, dem Maler und Freund, dem „echten“ Abstrakten, der im nahen Voitsberg lebte und arbeitete.

Gerald Brettschuh, „Der Pfeil“

Weiß man als Maler, wenn man das beste Bild, das man je zustande bringen könnte, bereits gemalt hat?

Ich glaube, dass es viele beste Bilder gibt. Jede Entwicklungsphase bringt welche hervor.

Ihre letzte große Ausstellung in einem Haus des Universalmuseums liegt unzählige Jahre zurück. Würden Sie sich eine große Personale in Graz wünschen?

Wer nicht!

Jagdmuseum Schloss Stainz: Die Jagd ist weiblich

Mit einer neuen Sonderausstellung widmet sich das Jagdmuseum Schloss Stainz der Bedeutung der Frau in der Geschichte der Jagd.

Die Jagd war und ist nicht das alleinige Betätigungsfeld der Männer. Forscht man in der Geschichte, so war die Jagd sehr wohl auch von Frauen geprägt. Diese Art des Zeitvertreibs war ein Mittel, sich aus den Zwängen des adeligen Gesellschaftslebens zu befreien, man konnte etwa lockerer mit Kleidungsvorschriften umgehen, „Frau“ war dabei. Die historische Entwicklung dieses Themas beginnt aber schon in der Urgeschichte, setzt sich in der Mythologie bei der Jagdgöttin Diana und dem von ihr verwunschenen Aktaeon fort und zeigt uns anhand von ausgewählten Persönlichkeiten, wie sich die Jagd entwickelt hat. In der Gegenwart wird der Anteil von Frauen in der Jagd von Jahr zu Jahr höher. Die Ausstellung geht nicht zu Letzt auch der Frage nach, ob und inwiefern Männer und Frauen aus verschiedenen Motiven der Jagd nachgehen oder ob es keinen Unterschied gibt.

Umrahmt wird diese Sonderausstellung vom Zyklus Diana und Aktaeon des steirischen Künstlers Gerald Brettschuh. Aktuelle Entwicklungen und Diskussionen abseits von Hochsitz und Wildtierlebensräumen, das Reproduktionsverhalten von Wildtieren und die sich daraus ergebenden sozialen Konsequenzen in der Tierwelt runden das Thema ab.    

Die Jagd ist weiblich

Zusehen von 1. Juli bis 29.11.2020, Jagdmuseum, Schloss Stainz, Schlossplatz 1, 8510 Stainz