Start Featureshome „Ein Horrorfilm, den wir Realität nennen“

„Ein Horrorfilm, den wir Realität nennen“

Zenita Komad, Detail aus: Friedensbüro, 2024 Foto: Ferdinand Neumüller

Seit Anfang Februar gibt es im KULTUM in Graz und im MMKK in Klagenfurt zwei Ausstellungen der Künstlerin Zenita Komad zu sehen, die in ihren Arbeiten schon seit Jahrzehnten Pazifismus, Kapitalismuskritik und Spiritualität miteinander verbindet.

Text: Lydia Bissmann

Sie haben den Franziskus-Saal im KULTUM in ein Friedensbüro verwandelt. Hier finden sich Persönlichkeiten wie Mahatma Ghandi, Bertha von Suttner, Maria Montessori, aber auch Lew Tolstoi, Julian Assange oder Nikola Tesla. Nach welchen Kriterien wurden diese Porträts ausgesucht?

Die Menschen, die hier abgebildet sind, haben sich alle mit dem Frieden in ihren Lebenswerken beschäftigt. Es ist aber keine Ahnengalerie von Heiligen. Mir ist Vielstimmigkeit wichtig, aber ich habe nicht den Anspruch, dass das ohne Fehlbarkeit geht. Maria Montessori zum Beispiel ist eigentlich eine Pazifistin bis in die Knochen und hat trotzdem diesen Vorwurf des Faschismus auf dem Buckel. Ich finde, sie dem Faschismus zuzuschreiben, ist totaler Irrsinn. Sie musste aus Mussolinis Italien flüchten und es gibt Schriften, in denen sie sich sehr klar positioniert. Es gab auch eine große Diskussion im Vorfeld über die politische Neigung des Julian Assange, dessen Gesicht auf dem Plakat für die KULTUM-Ausstellung ist. „If Wars Can Be Started by Lies, Peace Can Be Started With Truth“. Das ist ein Satz von ihm, der mir irrsinnig gut gefällt. Ob er jetzt Trump nahesteht oder nicht, interessiert mich nicht. Dass ein Mensch, der Dinge aufgedeckt hat, die eigentlich transparent sein sollten, seit zwölf Jahren im Gefängnis ist, ist untolerierbar.

Foto: Studio Zenita Komad

Über die Gesichter im Friedensbüro, die durch rote Fäden miteinander verbunden sind, liegen wohlbekannte geometrische Muster und Teile eines Bleistifts, der immer wieder in der Ausstellung unter anderem als Friedensbaum auftaucht. Wofür steht für Sie der Bleistift?

Der Bleistift hat für mich damit zu tun, dass wir Erschaffer von einer Realität sind. Er ist für mich ein gutes Symbol für das Übertragen des Denkens in die Welt. Er soll uns daran erinnern, dass wir uns unserer Verantwortung bewusst werden. Wir sind nicht nur Beobachter eines Horrorfilms, den wir Realität nennen, wir haben die Kraft, unsere Tools und Ressourcen für den Frieden einzusetzen und sollten das auch tun. Diese Pflicht mit einer höheren Ebene zu verbinden, ist mir hier ein Anliegen. Der Radiergummi steht dafür, dass es eben Dinge zu korrigieren gibt. Der Krieg, so wie ich es sehe, ist aber eigentlich ein innerer Zustand, an dem wir jetzt gerade arbeiten. Wir müssen begreifen, dass es eigentlich die egoistische Natur des Menschen ist, die dieses Unheil verursacht. In den vergangenen Jahrzehnten ist aufgrund der Problematik vieler Institutionen und der Fehlbarkeit von Menschen mit ihren egoistischen Ausbeutungsprinzipien der Zugang zu einer spirituellen Verbundenheit verloren gegangen. Ich glaube, dass der Mensch das aber braucht. Wenn wir die Verbindung wieder herstellen zwischen den Menschen, kommen wir dadurch dem Schöpfungsprinzip näher. Das Symbol dafür sind die Fäden, die sich durch die Werke in der ganzen Ausstellung ziehen. Nur im Zusammenschluss kann sich, glaube ich, etwas verändern.

Die Künstlerin Zenita Komad besticht mit poetischen und politischen Botschaften
Foto: Studio Zenita Komad

In den Zellen vor dem Südgang gibt es als Ort der Kontemplation Text-Bild-Kombinationen, lose Steine und auch ein Bild, das auf das Publikum reagiert. Was steckt dahinter?

Es sind einfach skizzenartige Botschaften auf den Collagen, da geht es mir immer wieder darum, dass wir die freie Wahl haben. Hier steht etwa „Vergebung ist die größte Rache“ oder das Adorno-Zitat: „Es gibt kein richtiges Leben im falschen.“ Die Arbeiten vexieren zwischen spirituellen und materiellen Botschaften – dieses Vexieren ist momentan unumgänglich. Soziale Medien vermitteln eine angebliche Verbundenheit. Aber die ist nicht echt. Die Leute isolieren sich mehr und mehr, vor allem auch in diesen Meinungskanälen, die hier aufgemacht werden. Du hast so zu denken und so zu agieren und wenn du das nicht machst, bietest du eine Angriffsfläche. Das sehe ich als hochproblematisch an. Gerade jetzt, wo die immensen Mengen an Negativität, die Nachrichten von Kriegen und Krisen uns nach unten ziehen, ist es umso wichtiger, worauf wir unseren Fokus richten. Entscheiden wir uns für die Liebe oder für den Hass. Im Südkorridor liegen dann echte Pflastersteine vor einem Tonrelief mit der Aufschrift: „Wer ohne Sünde ist, werfe den ersten Stein.“ Es gibt daneben ein Bild, da steht: „Gott möge ihnen verzeihen, bitte, weil ich es nicht kann”. Da sind Schlösser drauf und wenn man näherkommt, beginnt ein Bild zu leuchten. Hier geht es um die Ambivalenz zwischen Schmerz und der Bitte um Vergebung, aber auch um diese Unmöglichkeit zu vergeben, wenn man ebenso verletzt ist von allem. Wenn man Hass empfindet, braucht man das Göttliche, um dem entkommen zu können. Und das ist eigentlich das, was ich weitergeben will. Das muss jetzt nicht institutionell sein.

Im Minoriten-Hof begrüßt die Besucher*innen eine Ortstafel mit dem Jesus-Zitat „Liebe deinen Nächsten“ auf Deutsch und Slowenisch. Wofür steht diese Arbeit?

Ich hinterlasse das Schild an jedem Ort, an dem ich ausstelle, es werden immer mehr von diesen Tafeln. Mittlerweile steht es hier, im MMKK und an zwei weiteren Orten in Unterkärnten. Es knüpft an den Ortstafelstreit in Südkärnten an, der war ganz, ganz schlimm. Für mich ist das auch so ein Synonym für Engstirnigkeit, dieser kriegerische Zustand. Es ist aber sehr schön, dass man anhand dieser Schilder sehen kann, dass sich der Mensch weiterentwickelt hat. Es gab keine Angriffe, als wir das in Unterkärnten aufgestellt haben, die Menschen fanden das eigentlich ganz schön. Inzwischen herrscht dort eher so eine Stimmung, dass man stolz darauf ist, zwei Sprachen zu können.

Sie wurden in den Nuller-Jahren zu den „100 Artists younger than Jesus“ ernannt, Ihre Art, Kunst zu machen, wird aber auch kritisch gesehen. Werden Sie für Ihre Arbeiten auch angefeindet?

Ja klar, aber ich werde gut geschützt, man erzählt mir nicht immer alles, was die Leute über mich sagen. Seit ich Kunst mache, ist die Beschäftigung mit Spiritualität quasi das Herzstück meiner Arbeit – ich habe mich immer schon für spirituelle Schriften aller Art interessiert. Die Kunstwelt hat sich sehr erfolgreich von Religionen und all diesen Bevormundungen durch Institutionen befreit. Daraus ist dann eine Art System entstanden, dass man als Künstler alles infrage stellen muss. Ich habe dann relativ früh damit begonnen, Gott in meinem Werk ins Spiel zu bringen. Seit ich denken kann, war das eher polarisierend. Es gibt welche, die das total gern haben und mitschwingen, und andere, die das furchtbar finden. Gerade in der sogenannten Kunstwelt wird meine Arbeit teilweise kritisch gesehen. Da haben sich viele an den Kopf gegriffen und gemeint, ich hätte nicht mehr alle Tassen im Schrank. Vor einem halben Jahr schien es noch ein Tabu zu sein, ein Sakrileg, über den Frieden zu sprechen. Schön langsam wird es ein Anliegen von immer mehr Menschen. Das ist, meiner Meinung nach, das Wichtigste überhaupt.

Warum gibt es eigentlich zwei Ausstellungen in Graz und Kärnten?

Das hat sich so ergeben. In Klagenfurt sind Arbeiten von mir aus den letzten Jahrzehnten zu sehen, die auch in China und anderen Ländern gezeigt wurden. Dort wird es auch Aktionen und Interventionen von zwei Tänzern zum Beispiel geben, das ist Teil der Installation. Die Ausstellung im KULTUM besteht hauptsächlich aus aktuellen Werken. Aber auch hier gibt es Veranstaltungen im Friedensbüro, das einen Ort der Kommunikation bieten soll. Die Schauspielerin Maxi Blaha wird am 14. Februar ihr Bertha-von-Suttner-Stück Feuerseele von Susanne Wolf geben. In der Karwoche wird die Baumstamm­installation an beiden Orten eröffnet. Ich wollte die Worte „Nie wieder Krieg!“ eigentlich aus riesigen Zündhölzern schreiben, das wäre aber leider viel zu teuer geworden. Jetzt habe ich dafür Bäume verwendet, die durch die Hochwasser umgeknickt wurden.      

Zenita Komad, Detail aus: Friedensbüro, 2024
Foto: Ferdinand Neumüller

Zenita Komad: Nie wieder Krieg!
bis 25.5.2024
Di–Sa, 11–17 Uhr, So, 15–18 Uhr
Kurator: Johannes Rauchenberger, mit einem Gastbeitrag von Thomas Palme
KULTUMUSEUM Graz
Mariahilferplatz 3, 8020 Graz
tickets@kultum.at, 0316 71 11 33
www.kultum.at

Zenita Komad. Der Krieg ist aus!
bis 19.5.2024
Di–So, feiertags, 10–18, Do, bis 20 Uhr
Kuratorin: Christine Wetzlinger-Grundnig
MMKK: Museum Moderner Kunst Kärnten, Burggasse 8, 9020 Klagenfurt
office.museum@ktn.gv.at, 050 536 341 12
www.mmkk.at

Foto: Studio Zenita Komad