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„Kann man nicht kaufen, nur erleben“

Sigi Feigl Foto: Marija Kanizaj

Achtzig sprach mit „Mr. Jazz“ Sigi Feigl über die Energie der Big Band, das musikalische Hier und Jetzt und die positive Zukunft des Dixie- & Swingfestivals.

Was hat Sie persönlich daran gereizt, beim Dixie- & Swingfestival „mitzumischen“?

Das Festival hat ein Alleinstellungsmerkmal, es ist das einzige Jazzfestival in diesem Genre, das in Österreich in dieser Art stattfindet. Auch die Möglichkeit, Big Bands zu präsentieren, ist natürlich etwas Besonderes. Die Kombination aus Dixie und Swing, die sehr originell besetzt ist, fasziniert mich. Dass Johannes Hödl das Festival seit vielen Jahren sehr professionell plant und viel Herzblut investiert, war auch ausschlaggebend.

Was ist das Besondere am Big-Band-Feeling?

Aus Sicht des Big-Band-Leiters, der ich ja auch bin: Big Band ist eine Leidenschaft, man macht es, weil es einfach Spaß macht. Das geht es um das gemeinschaftliche Erleben, die Energie bei den Proben und Konzerten. Im besten Fall investiert man seine Energie in das Ensemble und sie kommt 20-fach verstärkt zurück. Die Big Band ist heute ausschließlich musikalisch interessant, aber kann kein Geschäftsmodell sein. Weder für Veranstalter noch für Musiker. Das ist klar. Das war in den 1930ern vollkommen anders, da gab es viele Bigbands, das waren damals die Pop-Stars ihrer Zeit. Heute gibt es ganz, ganz wenige Bigbands, die tatsächlich durchgehend bestehen und kontinuierlich arbeiten können.

Der tanzbare Swing der 1920/30er Jahre war vor hundert Jahren ein Massenphänomen und erlebt seit einiger Zeit ein Revival. Könnte er eine „Einstiegsdroge“ auch für etwas sperrigere Jazzrichtungen sein?

Natürlich ist Swing-Musik leichter verständlich als – um den Gegenpol zu nennen – zeitgenössischer Avantgarde-Jazz. Swing ist eine verständlichere und allgemein konsumierbarere Richtung und damit massentauglicher. Für gewisse Richtungen mag er die Tür öffnen, aber manche Richtungen haben mit Swing nur den Überbegriff Jazz gemeinsam. Was man nicht vergessen darf: Jazz war lange Zeit sehr definiert, Stilrichtungen wurden sehr singulär verfolgt. Erst in den letzten dreißig, vierzig Jahren hat sich das verändert. DIE dominante Stilrichtung gibt es nicht mehr, sondern viele Formen und Vermischungen der Jazz-Musik.

Olha Chernyshova
Foto: Yuri Shakalov

Jazz steht für eine lebendige und intime Live-Atmosphäre. Wie kann man eine solche Atmosphäre bei einem Festival schaffen und was macht aus Ihrer Sicht einen großartigen Live-Auftritt aus?

Da denke ich z. B. an die Open-Air-Atmosphäre, die Teil des Dixie- & Swingfestivals ist. Die Menschen befinden sich mitten im musikalischen Geschehen. Ich finde es klug von Johannes, dass er keine Bühnen aufbaut, sondern die Musiker direkt auf der Straße spielen lässt, wo man als Zuhörer einen halben Meter neben den Musikern steht. Ein derart intensives Live-Erlebnis hat man nicht oft. Für den Jazz ist es wichtig und typisch, dass dieses Live-Erlebnis spürbar wird. Daher ist es Johannes, glaube ich, auch sehr wichtig, Musiker zu engagieren, die diese Atmosphäre transportieren können.

Wie im letzten Jahr Gunhild Carling?

Genau, wenn ein Weltstar um halb eins in der Früh vor dem Eingang des Hotels in Weiz aufspielt, ist das eine Ad-hoc-Situation, wo man gern dabei gewesen ist. Das kann man sich nicht kaufen, sondern nur erleben! Solche Improvisation im Hier und Jetzt entsteht nur im Jazz, die kann man auch nicht bestellen.

Wie sehen Sie die Zukunft des Jazz und welche Entwicklungen oder Trends erwarten Sie in den kommenden Jahren?

Das hängt letztlich von den Protagonisten ab. Das kann man nicht vorhersehen, das Nebeneinander von verschiedenen ausdifferenzierten Stilen wird wohl bleiben. Aber wer weiß, vielleicht kommt wieder ein Jazz-Gott daher, der alles revolutioniert.

Big Band Weiz
Foto: Heran

Das Jazz Institut Darmstadt hat vor einigen Jahren eine Befragung unter hauptberuflichen Jazzmusiker*innen durchgeführt. Mit erschreckendem Ergebnis: Nur 10 Prozent verdienten mehr als 20.000 Euro im Jahr, zwei Drittel hatten Einkommen unter der Armutsgrenze. Macht Jazz arm?

(Lacht) Sagen wir es so, wenn man sich diesem Musikgenre puristisch widmet, macht das glücklich, aber natürlich nicht reich. Es gibt ganz, ganz wenige Musiker, die wirklich ausschließlich von ihrer musikalischen Performance leben können.

In vielen Ihrer Funktionen fördern Sie den Musiker*innen-Nachwuchs. Wie ist es um die junge Jazz-Szene in der Steiermark bestellt?

Es gibt immer wieder großartige Musiker aus der Steiermark, derzeit kann etwa Gerhard Ornig, ein sensationeller Trompeter, in ganz Europa reüssieren. Oder ich denke an Tobias Kostelnig aus Gleichenberg, der als Saxofonist in Paris lebt und auf europäischem Spitzenniveau spielt. Es gibt immer wieder solche Highlights aus dem direkten Umfeld. Natürlich überlegen wir uns am Jazz-Institut auch, ob es legitim ist, Leute zum Jazz-Studium zu bringen und zugleich zu sagen: „Du wirst nie Geld damit verdienen.“ Deswegen liegt ein großes Augenmerk von uns als Ausbildungsstätte an der KUG darin, Musiker so umfassend wie nur irgendwie möglich auszubilden. Die Studierenden sollen sich auch mit Unterrichten, mit Marketing und unterschiedlichen Musikrichtungen auskennen und orchestererprobt sein. Man muss sich auf verschiedenste Standbeine stellen, um als Jazzmusiker den Lebensunterhalt zu verdienen. Wir geben ein Rüstzeug mit, jeder muss dann damit seinen eigenen Weg gehen, seine Türen selbst aufmachen.

Zurück zum Festival, was ist die Vision für die Zukunft, wohin kann das gehen?

Das Dixie- & Swingfestival ist noch nicht lange Zeit etabliert, also eigentlich immer noch in seinem Anfangsstadium. Nach den Anfängen in Fürstenfeld im kleineren Rahmen, baut es sich jetzt als wirklich wichtiges Festival innerhalb der österreichischen Festival-Szene auf. Das kann natürlich auch dahin gehen, dass es – abhängig vom finanziellen Spielraum – noch internationaler in der Besetzung wird. Das ist dieses Jahr mit dem Jugendprojekt Sant Andreu Jazz Band aus Barcelona bereits der Fall. Dass Johannes diese Formation heuer in Weiz präsentieren kann, ist eine großartige Geschichte! Ich sehe eine sehr, sehr positive Zukunft für das Festival, weil es eben mit Johannes diesen Herzmuskel des Festivals gibt, der für die Sache brennt. Ohne so jemanden kann so ein Festival nicht existieren. Der Johannes wird mit diesem Festival als Veranstalter nie reich werden, sondern im besten Fall nichts verdienen und nicht zu viel privat investieren müssen.  

Sigi Feigl ist Jazz-Saxophonist, Vorstand des Instituts für Jazz an der KUG in Graz, Begründer diverser Big Bands, darunter der Jazz Big Band Graz sowie Leiter von Sonderprojekten beim Dixie- & Swingfestival in Weiz, für das er u. a. im letzten Jahr die Count Basie Band mit Carmen Bradford gewinnen konnte. Dieses Jahr wird die Big Band Weiz unter seiner Leitung gemeinsam mit der ukrainischen Sängerin Olha Chernyshova ein spezielles Duke-Ellington-Programm in Weiz präsentieren.

Festival-Highlights

Fotoausstellung „Jazz im Bild“ Peter Purgar
Galerie Weberhaus

Sant Andreu Jazz Band (Barcelona)
10. & 11.8., 19.30 Uhr Kunsthaus Weiz

Dóra Wohner & Original Storyville Jazzband
11.8., 10 Uhr, Weberhaus-Hof

Electro-Swing-Party mit Dj Harvey Miller
11.8., 22 Uhr, Kokomo Weiz

Duke Ellington by Olha Chernyshova & Big Band Weiz
12.8., 19.30 Uhr Kunsthaus Weiz

New Orleans Straßenmusikfest
12.8., ab 9 Uhr, Altstadt Weiz

Bohém Ragtime Jazzband
13.8., 19.30 Uhr, Kunsthaus Weiz

www.dixie-swingfestival.at