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Alf Poier: „Was ist Scheißdreck und was ist Kunst? Wer weiß das schon!“

Alf Poier ist Kabarettist und Musiker. Seit letztem Jahr nimmt man ihn auch verstärkt als Maler wahr. Mit einer großen Retrospektive im Bank Austria Kunstforum Wien wurde 2015 seine bildende Kunst erstmals in den Fokus gestellt. Nun ist eine Auswahl seiner Werke auch in Graz zu sehen. Die Galerie Galerie zeigt die Ausstellung DADA IST. „Achtzig“ traf den überzeugten Dadaisten am Abend seiner Ausstellungseröffnung. Ein Gespräch über Kunst, Dasein und die größte Angst in seinem Leben.

 

Sie selbst sparen nicht mit Kritik an anderen. Ihre damalige Kritik an Conchita Wurst im Zuge des Song Contests stieß zum Teil auf erbitterten Widerstand. Sie sprachen „ihr“ jegliches künstlerisches Potenzial ab. Wann ist in Ihren Augen künstlerisch „etwas dahinter“? Für viele Menschen wirkt Ihre Malerei auch nicht gerade von Gott begnadet.

Es muss ein nachhaltiges Werk vorhanden sein oder entstehen. Meine Bilder muten zwar kindlich an, es steckt allerdings einiges dahinter. Ich habe mich lange mit Nietzsche, Schopenhauer und anderen Philosophen beschäftigt. Mich interessieren große Zusammenhänge: Geist, Materie, Bewusstsein. Allein sein soziales Problem als dauernden Aufhänger zu nehmen, finde ich zu wenig.

Ihr malerisches Werk polarisiert. Den einen gefällt es, andere bezeichnen es als kindlich. Stört es Sie, wenn es heißt: „So malen sie im Kindergarten …“?

Das habe ich mir auch als Kabarettist immer anhören müssen. Die einen finden mich gut, und andere können mit mir gar nichts anfangen. Es kann ja nicht jedem alles gefallen. Wenn alle sagen, der Poier malt so traumhaft, dann hätte ich vermutlich was falsch gemacht. Und ich möchte ja so viel wie möglich richtig machen. Es ist aber interessant, dass man mir gerade das Kindliche an meiner Malerei vorwirft. Es gab genügend Maler, die bewusst versucht haben, wieder kindlich zu malen, es aber nicht zustande brachten. Sie bewunderten jene, die es konnten. Jene wie mich.

P1060076 (Medium)Üben Sie eigentlich?

Nein. Ich habe mich mein Leben lang sogar am Riemen gerissen, nicht zu üben. Zeichnen, um besser zu werden, das hat mich nie interessiert. Ich will malen, aber ich will nicht üben. Ich bewundere es, wenn jemand perfekt zeichnen kann, ich persönlich aber habe keine Ambitionen dazu. Ich will meine Bilder so umsetzen, wie es mir gemäß ist. Die eigene Gemäßheit war immer mein Leitmotiv. Auch als Kabarettist. Als ich neue Lieder aufgenommen habe, hat mich die Plattenfirma oft gefragt: Klingt gut, wann wird das Lied fertig sein? Meine Antwort war: Es ist schon fertig! Mir ist ein eigener Stil, eine eigene Erkenntlichkeit sehr wichtig. Leute, die gute Portraits und schöne Landschaften malen können, gibt es schon genug. Das muss ich nicht machen, das kann ich auch fotografieren.

Aber es passiert doch jedem einmal, dass ein Bild nicht so wird, wie man es beabsichtigt hat. Was machen Sie in einer solchen Situation? Zerreißen Sie das Blatt?

Zerreißen tu ich gar nichts! Ich male einfach so lange drüber, bis es wird. Etwas wegzuwerfen wäre schade um die Farben. Das ist wie beim Kochen, auch aus den Resten lässt sich etwas Gutes machen.

P1060099 (Medium)Muss man sich mit Kunst beschäftigen, um Kunst zu produzieren?

Ich will gar nicht sagen, dass das, was ich mache, unbedingt als Kunst bezeichnet werden sollte. Ich verkaufe keine Bilder von mir oder auch keine Musik, ich verkaufe quasi meine Person. Mit Kunst habe ich mich nie so richtig beschäftigt. Die asiatische Mystik und die Philosophie waren es, die mich interessiert haben. Wer kann schon sagen, was Scheißdreck ist und was Kunst? Wer bestimmt das? Eine Kunst ist es wahrscheinlich, Kupferrohre zu verkaufen. Kunst ist Angebot und Nachfrage. Es kommt ja nicht von ungefähr, dass Kuratoren und Kunstsachverständige immer weniger zu reden haben.

Können gibt es für Sie in der Kunst somit nicht?

Natürlich kann man sagen, dass das „Schwarze Quadrat“ von Malewitsch ein Meilenstein der Kunstgeschichte ist. Letztendlich bleibt es aber eine schwarz bemalte Leinwand. Es ist leicht zu sagen: „So malen wie der Poier kann ich auch.“ Aber ein schwarzes Quadrat bringt auch jeder zusammen! Einen Kübel Blut irgendwo hinzuschütten kann auch jeder. Aus geistiger Verzweiflung entstehen viele Dinge. Auch sehr gute. Mit Können hat das aber alles nichts zu tun. Das heißt aber nicht, dass mir diese Dinge nicht gefallen. Ich mag die Kunst von Nitsch. Im Grunde geht es um die Attitüde und die Persönlichkeit hinter einem Kunstwerk.

Wann haben Sie sich dazu entschlossen, als Maler durchzustarten? Als Kabarettist sind Sie ja nach wie vor sehr erfolgreich.

Ich male bereits seit 1991. Mir ist dann aber meine Kabarettkarriere dazwischengekommen, wobei die bildende Kunst allerdings immer auch ein Teil meiner Programme war. Als mir die dauernden Auftritte gesundheitlich zusetzten, habe ich bewusst weniger von ihnen absolviert und mich mehr dem Malen gewidmet. Nachdem dann das Bank Austria Kunstforum meine Arbeiten ausgestellt hatte, sind plötzlich sehr viele Türen aufgegangen. Es macht mir einfach Spaß, nun in der Kunstszene unterwegs zu sein.

P1060116 (Medium)Finden Sie als Maler bessere Ausdrucksmöglichkeiten als im Kabarett?

In ein Kabarett geht man, weil man lachen möchte. Man geht davon aus, dass es lustig wird. In der Kunst hingegen herrscht eine gewisse Ernsthaftigkeit.

Findet man in der Kunst die Wahrheit?

Ich habe circa 15 Jahre lang darüber nachgedacht, was man mit absoluter Sicherheit behaupten kann. Was unwiderlegbar ist, ist, dass es ein Bewusstsein gibt. Und der absolute Schwachsinn. Witze zu widerlegen ist eigentlich hirnrissig. Das Absurde zählt für mich zu den ganz großen Wahrheiten.

Sammeln Sie selbst Kunst?

Nein. Zum einen habe ich keinen Platz. Und zweitens möchte ich auch keine allzu teuren Dinge in meiner Wohnung wissen. Wenn ich Kunst sehen will, gehe ich lieber ins Museum. Zu Hause bei mir hängen nur meine eigenen Sachen. Ich freue mich, sie jeden Tag zu sehen. Ich bin schon stolz darauf, wenn ich daran denke, dass das alles ich gemacht habe.

In vielen Ihrer Arbeiten kommt der Teufel vor, warum?

Es handelt sich vermutlich um eine posttraumatische Belastungsstörung aus meiner Kindheit. Ich habe als Kind nichts so sehr herbeigesehnt wie den Krampustag. Ich wollte selber als Krampus gehen, wurde aber verdroschen, als die anderen sahen, wie jung ich noch war. Das „Schiache“ war für mich immer schon extrem anziehend. Das extrem Hässliche und das extrem Schöne sind für mich sehr interessant. Wobei ich den Teufel gar nicht schiach finde.

Den Teufel fürchten Sie also nicht, wovor haben Sie dann Angst?

Meine größte Angst? Noch einmal zu leben. Mir reicht es einmal. Leben ist Leiden. Ich möchte kein weiteres Mal in irgendeiner Form existieren müssen. Das wäre mein größter Wunsch.

Gerhard Sommer, Heimo Bachlechner und Alf Poier.
Gerhard Sommer, Heimo Bachlechner und Alf Poier.

Alf Poier – DADA IST

Wann? Zu sehen bis 16.4. / Wo? Galerie Galerie von Heimo Bachlechner

Bürgergasse 5, 8010 Graz / Öffnungszeiten: DI-FR 11-18:00; SA 10-13:00

 

Text: Stefan Zavernik / Fotos: Markus Schuster