Start Interviews Otto Schenk: „Alleine kann man auf der Bühne nicht komisch sein“

Otto Schenk: „Alleine kann man auf der Bühne nicht komisch sein“

Otto Schenk - die Legende des österreichischen Humors

Am 12. Juni 2015 feierte der weltbekannte Intendant, Schauspieler und Humorist Otto Schenk seinen 85. Geburtstag. Mit „Achtzig“ hat er im Vorfeld unter anderem über das Leben, seine Einstellung zur Bühne und die Liebe zu Graz gesprochen, wo er am 15. Juli mit dem immer aufs Neue begeisternden Stück „Die Sternstunden des Josef Bieder“ zu sehen sein wird.

Sie feiern dieses Jahr Ihren 85. Geburtstag und haben ununterbrochen Auftritte. Ist die Bühne Ihr Lebenselixier?

Das kann ich nicht sagen. Es strengt mich das Leben an und es strengt mich die Bühne auch an. Aber medizinisch gesprochen, ist es schon eine Durchblutung und sie scheint mir nicht zu schaden.

Volle Energie und nie um eine Lebensweisheit verlegen
Volle Energie und nie um eine Lebensweisheit verlegen

Mit 85-jähriger Lebenserfahrung fällt es womöglich einfach, folgende Frage zu beantworten: Was macht das Leben wirklich lebenswert?

Das ist eine komplizierte Frage und man muss darauf kompliziert antworten: Das Leben an sich, macht einem nur sporadisch Freude. Aber wenn diese Momente in reichlicher Zahl auftreten, dann ist das schon etwas Gewaltiges. Wenn man die Augen offen hat und nicht nur sein eigenes Leben beobachtet, sondern – wie wir Schauspieler es müssen – alle Leben beobachtet, die einem entgegengebracht werden, dann ist es eine ständig aufregende Sache mit großen schmerzlichen Momenten.

Gibt es Dinge, die einem erspart bleiben sollten?

Man hat ja nichts anderes als das Leben. Was soll man daran wegwerfen, oder nicht erleben wollen? Wir Theaterleute haben im Leben eigentlich immer das Reservoir für das, was wir dann darstellen. Wir müssen im Leben mehr erleben, als auf der Bühne, weil wir das Leben auf der Bühne aus der Beobachtung des Lebens und des eigenen Gefühls füttern.

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Eine Grande des österreichischen Humors: Otto Schenk

Gibt es Fragen, die Ihnen das Leben noch nicht beantwortet hat?

Unendliche. Ständige Fragen. Ich kenne mich dauernd nicht aus. Nicht mit der Welt. Nicht mit mir. Nicht mit meiner Umgebung. Nicht mit meiner Gemütlichkeit oder mit meiner Hypochondrie. Ich kenne mich nicht einmal mit meinem Körper aus. Ich bestehe aus Fragen und warte immer auf Antworten, die ich nicht erhalte.

Wie stehen Sie dazu, dass in modernen Inszenierungen historische Stoffe immer stärker auf futuristische Bühnenbilder prallen?

Wie man an ein Werk herangeht, ist die Sache des individuellen Menschen. Ich kritisiere keine Kollegen. Das ist mir fremd. Ich bewundere jeden, der sich etwas traut. Ich kann nur aus meiner Haut nicht heraus, wie jene die etwas anders machen, auch nicht aus ihrer Haut herauskönnen. Auf die Frage, ob man so etwas machen kann, antworte ich mit Bert Brecht: „Wenn man kann, dann kann man es“. Ich verabscheue es, wenn Kollegen sich gegenseitig in der Zeitung schlechtmachen. Das ist etwas, das es früher nicht gegeben hat. Etwas, das heute grauenhaft grassiert und da mache ich auf keinen Fall mit.

Wie sehen Sie generell die Medienlandschaft in Österreich? Haben Kunst und Kultur den Stellenwert, den sie haben sollten?

Man kann Kultur gar nicht genug überschätzen. Es ist das Wichtigste überhaupt. Ich würde allen raten, dass man noch mehr davon bezieht. Die Kultur ist so ein komplexes Unternehmen, das man sicher mehr in den Zeitungen davon aufstellen könnte. Ich finde es entsetzlich, wenn es in Schulen keinen Musikunterricht mehr gibt oder wenn man zwischen Musik und Kunstgeschichte wählen muss, wie es zu meiner Zeit der Fall war. Wir haben uns unsere Leidenschaft dann woanders holen müssen. Die Schulen und auch die Zeitungen glauben, sie können sich immer nach unten orientieren. Aber die unten sind nicht so blöd, wie die oben glauben.

Copyright: Franz Killmeyer
Copyright: Franz Killmeyer

Wie empfinden Sie das heutige Leseverhalten? Wird zu wenig gelesen?

Natürlich, und ich empfinde es als ein Verbrechen, nicht zu lesen. Zum Lesen muss man rechtzeitig verführt werden. Jeder sollte den anderen dazu verführen. Leidenschaftliche Leser müssten wie eine ansteckende Krankheit wirken. Es müsste ein Partisanentum der Kunst entstehen, wenn die Schulen versagen. Aber es gibt immer wieder geniale Lehrer, die einen faszinieren. Die sind vielleicht selten, aber notwendig. Bei ihnen wird eine Schulreform weder nützen, noch schaden. Ich hatte zum Glück einen solchen Lehrer.

Es heißt, Sie können jeden Menschen zum Lachen bringen. Was macht für Sie guten Humor aus und wie viel darf Humor?

Humor darf nicht alles. Nichts darf alles. Aber ich kann Humor nicht definieren. Ich weiß nicht, was ihn ausmacht. Meine Kollegen und ich stehen immer wieder vor einem Rätsel. Wir bemühen uns „Ich“ zu sein auf der Bühne. Meine Partner und ich, denn ohne Partner geht es gar nicht. Wir bemühen uns, eine Szene echt zu spielen und denken nicht daran, dass es komisch sein muss. Dann ergibt sich das Komische durch ein Verständnis mit dem Publikum. Das ist dasselbe bei meinen Lesungen. Ich lese das vor, das mich begeistert und das ich liebe. Und diese Begeisterung überträgt sich auf das Publikum. Aber ich brauche immer einen Dichter hinter mir, oder einen geschickten Dramatiker. Alleine kann man auf der Bühne nicht komisch sein.

Am 15. Juli werden Sie in Graz mit dem Stück „Die Sternstunden des Josef Bieder“ zu sehen sein. Das Stück ist Ihnen auf den Leib geschneidert. Inwiefern hat es sich für Sie verändert, seitdem Sie es das erste Mal gespielt haben?

Ich verwende mein Alter jetzt als Farbe. Zum Beispiel den Tanz, den ich einmal mit falscher Brillanz getanzt habe, den tanze ich jetzt mit einer fast ungeschickten Unfähigkeit. Das kommt heute besser an als früher. Die ganze Art ist komischer geworden, weil es jetzt ein alter gescheiterter Mann ist und nicht so ein kämpferischer, wie ich ihn früher gespielt habe. Aber das sind reine Farben, die man nicht einmal so merkt. Wichtiger ist, dass das Stück so wahnsinnig gut ankommt, dass ich ganz gerührt bin.

Copyright: Fechter Management
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Was verbindet Sie mit dem Grazer Publikum?

Ich komme mit derartiger Leidenschaft nach Graz und finde immer volle Häuser vor. Egal ob ich in der Oper oder im Stefaniensaal gespielt habe. Ich habe immer ein atemloses und begeistertes Publikum vorgefunden und war immer ganz gerührt.

Sie haben in allen großen Opernhäusern dieser Welt inszeniert. Welchen Stellenwert hat die österreichische Oper im weltweiten Vergleich?

Die Wiener Staatsoper hat nach wie vor einen hervorragenden Ruf.

Text: Stefan Zavernik