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Ein Kaleidoskop an Träumen

Tara Venditti in der Rolle des Orpheus, Staatsoper Nürnberg. Foto: Raphaella Photography

Die KUG besetzt mit Tara Venditti die neue Professur für Gesang. Sie wird mittlerweile auf allen fünf Kontinenten als „vollendete“ Sängerin gefeiert. Nun tritt sie mit ihrem Konzert „Dreams vs. Reality“ die Professur für Gesang an der KUG an. „Achtzig“ sprach mit der weltberühmten „Carmen“ über ihre Ziele und Intentionen.

Text: Bettina Leitner

Hat es zu Beginn Ihrer Karriere ein ausschlaggebendes Erlebnis oder eine Begegnung gegeben, die Sie inspiriert und in Ihnen das Feuer geweckt hat?

Meine Mutter hat mir erzählt, dass ich bereits gesungen habe, bevor ich überhaupt sprechen konnte, was mich immer noch erheitert. Ich hatte offenbar bereits als Kind eine große Leidenschaft zur Musik und dementsprechend haben mich meine Eltern stets gefördert. Als ich mit fünf Jahren das erste Mal auf der Bühne stand, war ich wie „gebissen“ von diesem überwältigenden Gefühl des Lampenfiebers. Ich fühlte mich auf der Bühne zu Hause und wirkte anschließend in zahlreichen Produktionen mit, angefangen von Musicals bis hin zu Gospelgesang und Kirchenmusik; die Musik bestimmte mein Leben. Doch dann kam eines Tages der alles entscheidende Moment: Mit 15 Jahren habe ich meine erste Oper im Fernsehen gehört! Ich kann mich noch genau erinnern, es war Puccinis La Bohème mit Luciano Pavarotti. Dieses Erlebnis war für mich dermaßen überwältigend und ich konnte kaum fassen, wozu die menschliche Stimme fähig ist. Das war wohl eine der bedeutendsten und prägendsten Erfahrungen in meinem Leben und ab da stand fest: Ich wollte Opernsängerin werden.

Als neue Professorin am Institut für Gesang an der KUG sind Sie nun mit einer wichtigen Aufgabe betraut: mit der Ausbildung der nächsten Sänger-Generation. Was ist Ihnen dabei besonders wichtig?

Der klassische Gesang ist eine sehr alte Kunstform und ich bin der tiefen Überzeugung, dass diejenigen, die dazu befähigt sind, diese Tradition weiter zu lehren, auch die Verpflichtung und die Verantwortung dafür haben. Denn wie kann die nächste Generation sich entfalten und (er-)finden, wenn sie nicht die nötigen Werkzeuge in die Hand gelegt bekommt? Ich selbst hatte das große Glück, bei Richard Miller Gesangspädagogik studiert zu haben, einer Koryphäe in der Musik­didaktik, und er hat mich gelehrt, wie man dieses künstlerische Handwerk weitergibt. Es mag vielleicht schwer vorstellbar sein, aber es dauert in etwa 10 Jahre, um die körperlichen Voraussetzungen für gesangliche Höchstleistungen zu schaffen. Deshalb liegt zu Beginn der Ausbildung der Fokus auf der richtigen Technik, bevor überhaupt eigene Stile ausgeprägt werden können. Ich persönlich setze auf eine konkrete Strategie: Man soll singen, wie man spricht! Damit hochwertiger Gesang zustande kommen kann, muss als Fundament eine natürliche und gesunde Sprechtechnik gelegt werden; und daran arbeiten wir stark mit unseren Studierenden.

Orpheus und Eurydike von Christoph Willibald Gluck
Szenenfoto: Orpheus- Tara Venditti

Was macht also neben den stimmlichen Voraussetzungen eine gute Sängerin bzw. einen guten Sänger aus?

Es ist richtig, dass es nicht reicht, eine gute Musikerin mit einer schönen Stimme zu sein. Es geht hier auch sehr stark um Ausdruck und um die Gabe, eine Geschichte zu erzählen; und zwar mit Tönen, welche die eigene Stimme produziert, im vorgegebenen Rahmen der Wörter, die der Text liefert. Dazu braucht es ein exzellent ausgeprägtes und fein justierbares Sprachgefühl. Außerdem kann manchmal die Musik den Text auch konterkarieren, abhängig von den Ideen des Komponisten oder davon, welche musikalischen Artikulationen Stil und Periode der Musik vorgeben. Indem man die Geschichte gesanglich erzählt, kann man sie ein Stück weit selbst miterzählen, individuell färben und ausgestalten, ohne den textuellen Rahmen zu verlassen. Somit muss ein Sänger bzw. eine Sängerin auch Kreativität, Vielseitigkeit und Flexibilität aufweisen.

Gibt es etwas, vielleicht eine Vision oder eine besondere Aufgabe, die Sie sich für Ihr Amt als Professorin für Gesang vorgenommen haben?

Da gibt es vieles. Ich würde zum Beispiel sehr gerne eine Gesangsklasse aufbauen, die sich selbst unterstützt. Ich möchte damit eine Möglichkeit schaffen, dass sich die Studierenden untereinander austauschen und so auch selbst fördern können. Nur ein derartiges Zusammenarbeiten zwischen den einzelnen Künstlern und Künstlerinnen in Ausbildung kann den universitären Unterricht ergänzen und komplettieren. Als ich Studentin war, habe ich selbst enorm von einem solchen System profitiert, es hat maßgeblich zu meiner Entwicklung und Selbstfindung als Künstlerin beigetragen. Für die Studierenden ist es wichtig zu wissen, dass ihre Studienkollegen, morgen ihre Dirigenten, Direktoren oder Sängerkollegen sein werden. Ich möchte meinen Studierenden auch Tools mitgeben, die ihnen in ihrer sehr fordernden Beschäftigung als „Sänger-Nomade“ helfen können. Als weiteres Anliegen möchte ich die Gesangsabende der einzelnen Klassen als Instrument nutzen, um zu lernen, wie man Konzertprogramme und ihre Gestaltung anpackt. Denn die Aufgabe eines Künstlers liegt nicht nur im Gesang, sondern auch in der Gestaltung des Rahmens, des Konzerts an sich, und das muss auch geübt werden.

Tara Venditti als Carmen.
Foto: Don Jose-Sean Ruane

Dies nimmt vermutlich auch eine zentrale Rolle in Ihrem Antrittskonzert „Dreams vs. Reality“ ein. Können Sie uns kurz die zentralen Gedanken hinter diesem Emblem schildern?

Das Konzert umfasst Werke von mehreren Komponisten, unter anderem von Tom Cipullo und Claude Debussy. Der Gesang führt dabei das Publikum durch ein „Kaleidoskop an Träumen“, durch Momente voller Staunen, Glückseligkeit, aber auch durch Albträume, geprägt von Angst und Verzweiflung. Wir alle kennen die Momente, wenn man nach dem Aufwachen nur den Wunsch hat, wieder in den fantastischen Traum von zuvor zurückzukehren oder – im Gegenteil – einfach nur froh ist, wenn man aus einem Albtraum schließlich erwacht. Manchmal ersehnen wir auch Träume, um aus der Realität fliehen zu können. Unter dem Titel „Dreams vs. Reality“ tut sich somit ein enormes Spannungsfeld auf und ein gewaltiger Horizont an Möglichkeiten der Interpretation.

Wieso haben Sie sich gerade für die Kunst­universität Graz entschieden?

Ausschlaggebend für meine Wahl war nicht zuletzt das großartige Kollegium hier an der KUG, bei dem ich mich zu Hause und angekommen fühle. Das Institut 7 besteht aus erstklassigen Künstlern, die alle etwas Einzigartiges und Komplementäres bieten und beisteuern. Hier vollzieht sich zudem gerade ein frischer Wandel und so freuen wir uns, dass neulich die erstklassige Sopranistin Elen Pankratova hier am Institut lehrt, auch Joseph Breinl, einer der weltbesten Vokal-Begleiter, ist bei uns. Hier ist zudem unser neuester Kollege Arnold Bezuyen zu nennen, ein Tenor auf höchstem Niveau, mit dem ich 2005 auf der Bühne in Beijing gearbeitet habe. Außerdem zeichnet die KUG aus, dass sie eine der wenigen Institutionen ist, an der Oratorium umfassend studiert werden kann und die auch über entsprechende Spezialisten wie Prof. Robert Heimann verfügt. Somit erwärmt es mein Herz, dass wir als nächste Generation an Lehrenden so vielfältig aufgestellt sind.

Ein abschließender Satz: Welches Motto möchten Sie den Studierenden mit auf den Weg geben?

„Stay fit, stay healthy and remember that the body is your instrument!

 

Antrittskonzert „Dreams vs. Reality“

Tara Venditti – Mezzosopran, Robert Heimann & Stacey Bartsch – Klavier, Dan Lippel (New York) – Gitarre, Nick Mancini (Los Angeles) – Vibraphon, Andreas Liebminger – Bass, Kevin van den Elzen (Los Angeles) – Percussion

Sa., 20.10.2018 ab 19.30 Uhr im Theater im Palais

www.kug.ac.at