Start Kunst & Kultur Neue Galerie Graz: Außenseiter und Einzelgänger

Neue Galerie Graz: Außenseiter und Einzelgänger

Alfred Klinkan, Selbstportrait mit Steinen, Bildausschnitt.

Mit kompromisslosen Performances ­beleuchten Brener & Schurz Ausschließungsmechanismen der Kunstwelt und Gesellschaft. Das Anarchisch-­Eigenständige liegt auch Klinkans breitem ­Œuvre von Neuer Malerei über Nachkriegsavantgarde bis Pop-Art zugrunde. Beide Ausstellungen sind bis Mitte Jänner 2020 zu sehen – MIT DEM GUTSCHEIN IN DER AKTUELLEN AUSGABE GRATIS!

Text: Natalie Resch

Alfred Klinkan

Von einem Einzelgänger erzählt die aktuelle Ausstellung in der Neuen Galerie Graz: von Alfred Klinkan, dem Vorreiter der Neuen Malerei in Österreich. Gerade in Zeiten der Performance-, Konzept- und Medienkunst setzte er auf Malerei. Mit Vertretern wie Siegfried Anzinger, Hubert Schmalix oder Erwin Bohatsch galt die Neue Malerei der 70er- und 80er-Jahre und deren sinnlich-narrativer, nahezu unbeschwerter Zugang als Gegenkraft zur als objektfeindlich und ausschließlich von der Idee des Kunstwerks getragenen Konzeptkunst. An der Akademie der bildenden Künste in Wien waren Josef Mikl und Wolfgang Hollegha Klinkans Lehrer. Doch Inspirationsquellen hatte der bereits mit 44 Jahren verstorbene Künstler viele. Vielleicht lässt sich aus der Vielfalt derselben auch sein produktives Schaffen ableiten. In seiner Lust am Wort setzte er sich intensiv mit Texten der Wiener Gruppe rund um H. C. Artmann auseinander und pflegte Kontakt mit Ernst Jandl. Die Beschäftigung mit Fabeln aus der Kindheit, lokal gefärbten Sprüchen von Halbstarken aus der Provinz, aber auch mit derben Soziotopen aus der flämischen Genremalerei –  daraus schöpfte Klinkan Inspiration.

Alfred Klinkan, Goldregen, Öl auf Leinwand, 315 × 200 cm

Die groß angelegte Retrospektive widmet sich in rund 300 Werken dem umfassenden Schaffen des vielschichtigen Künstlers –  darunter auch Filmarbeiten und das 1978 von der Neuen Galerie Graz produzierte Video Klinkans als Performance-Künstler. Die Ausstellung zeigt Werke aus seiner prägenden Zeit in Antwerpen, als die Galerie De Zwarte Panter seine zweite Heimat war und wo er zu jener monumentalen, sinnlichen, farbintensiven Malerei fand, die heute populär ist. Die von Günther Holler-Schuster ku­ratierte Retrospektive ­Wasnichtallessorauskommt zeigt neben selten bis gar nicht ausgestellten Werken auch Prosa und Gedichte. Der provokante Unterton seiner frühen Arbeiten, als Ausdruck der 68er-Bewegung zu verstehen, trifft auf die naive Bildsprache der Neuen Malerei, auf psychedelische Farbexplosionen, neoexpressionistische Einflüsse des Antwerpener Malers Fred ­Bervoets und die sinnlich-brutalen Szenerien des Genre- und Bauernmalers Adriaen Brouwer aus dem 17. Jahrhundert, auf Pop-Art und Wiener Aktionismus. Das Anarchisch-Eigenständige schien Klinkan ebenso in sich zu tragen wie eine scheinbar unbändige Neugierde. Als Versuch einer plastischen Annäherung an seine Persönlichkeit versteht sich die Ausstellung in der Neuen Galerie Graz.

V.l.n.r.: Günther Holler-Schuster (Kurator), Hedwig Klinkan (Witwe des Künstlers), Alexia Getzin-ger (Direktorin des UMJ), Peter Peer (Leiter der Neuen Galerie Graz).
Foto: UMJ/Lackner

Brener und Schurz

In Interaktion mit dem Kunstwerk sei er getreten, so Alexander Brener in seiner Verteidigungsrede vor Gericht über das in Grün gehaltene Dollar-Zeichen, das er auf Kasimir Malewitschs weißem Bild ­Suprematismus 1920–1927 positionierte. „The cross is a symbol of suffering, the $ a symbol of trade and merchandise. On humanitarian grounds are the ideas of Jesus Christ of higher significance than those of the money. What I did WAS NOT against the painting, I view my act as a dialogue with Malevich”. Das war 1997 im Amsterdamer Stedelijk Museum. Für seine Kritik an der Bestechlichkeit und Kommerzialisierung der Kunstwelt verbüßte der 1957 in Kasachstan Geborene eine fünfmonatige Haftstrafe. Brener gehört jener Generation von Performancekünstlern an, die nach dem Ende der Sowjetunion öffentlich in Erscheinung trat.

Alexander Brener / Barbara Schurz, Fuck Off and Die Alone, Tusche auf Papier

Im selben Jahr lernte Brener im Kontext der Ausstellung It’s a Better World. Russischer Aktionismus und sein Kontext in der Secession Wien seine Lebensgefährtin kennen, die aus Kärnten stammende Künstlerin Barbara Schurz. „Brener und Schurz haben das Kunstsystem mit seinen leeren Ritualen und Ausschließungsmechanismen von Anfang an als Teil des globalen neoliberalen Systems abgelehnt und sich in ihren Aktionen, Schriften und Zeichnungen kritisch mit ihm auseinandergesetzt“, so der Ausstellungskurator Roman Grabner. Gemeinsam setzt das Künstlerduo seither interventionistische und kompromisslose Performances um. Aktionen wie Breners Auftreten im Boxer-Outfit am Roten Platz, mit geballten Fäusten Richtung Kreml schreiend: ‚Jelzin komm raus!‘ lag stets eine zutiefst politische und ethische Haltung zugrunde. Ihre Verweigerung, sich von einer Galerie vertreten zu lassen, Masturbation an politisch besetzten Orten und scheinbar respektloses Verhalten gegenüber anderen KünstlerInnen machten Brener und Schurz für die sich am Kunstmarkt orientierenden Galeristen ‚unbrauchbar‘. Einen weiteren Grund, warum die Retrospektive des Künstlerduos im BRUSEUM weltweit wohl die erste Museumsschau ihrer Art ist, erklärt Grabner so: „Die älteren Semester, die sie noch aus der Zeit kennen, als sie in Ausstellungen intervenierten, Symposien störten und ihnen der Ruf der unberechenbaren ‚Kunstterroristen‘ vorauseilte, lehnen sie aus Unverständnis und aus der Erfahrung, dass sie deren Rituale und Ordnungen störten, ab.“

Ausstellungsansicht Brener & Schurz.
Foto: UMJ/J.J. Kucek

In der aktuellen Ausstellung Verschwörung von Kopffüßern ist eine Auswahl ihrer Zeichnungen seit 2006 zu sehen. Die Blätter entstehen nach langen Diskussionen und werden gemeinsam ausgeführt. Grabner bezeichnet es als „symbiotisches Zusammenarbeiten“. Wie die aktionistischen Handlungen des Künstlerduos selbst, wirken ihre Zeichnungen bei erster, oberflächlicher Betrachtung kindlich-naiv und verstören in ihrem Detailreichtum in Bezug auf Sexualität und Körperlichkeit. Ein Raum ist den „Lubki“ gewidmet, Holzschnitten aus der russischen Tradition des 17. Jahrhunderts. Harmlos auf den ersten Blick, an Heilsgeschichten erinnernd, undefinierbaren Kinderzeichnungen gleich. Bei näherer Betrachtung entpuppen sich die Bilder abstrakter Ungeheuer, schreiender Wesen zwischen Mensch und Tier, als schonungslose und detailreiche Annäherung an die Untiefen menschlichen Zusammenlebens. Die eigens für die Ausstellung entstandene Serie Unlucky Shape Shifter verweist auf ein zentrales Element ihres Schaffens: die Metamorphose, den Prozess des Werdens. Till Eulenspiegel gleich, nur scheinbar narrenhaft und als Außenseiter, halten sie den Menschen einen Spiegel vor, eine Welt voller selbst geschaffener Konventionen infrage stellend. Die Werke laden detailreich zur kritischen Selbstreflexion und Systemkritik ein und fügen sich so thematisch in das Programm des steirischen herbst – auch wenn die Ausstellung bereits lange vor der Veröffentlichung des Festivalthemas konzipiert wurde, verriet Roman Grabner.

Roman Grabner, Kurator der Brener-Schurz-Ausstellung.
Foto: UMJ/J.J. Kucek

Aktuelle Ausstellungen in der Neuen Galerie Graz

Alfred Klinkan. Wasnichtallessorauskommt

Bis 12. Jänner 2020 min der Neuen Galerie Graz, Joanneumsviertel, 8010 Graz

www.neuegaleriegraz.at

Ausstellungsansicht Klinkan.
Foto: UMJ/Lackner

Alexander Brener und Barbara Schurz. Verschwörung von Kopffüßern

Bis 19. Jänner 2020, BRUSEUM, Neue Galerie Graz, Joanneumsviertel, 8010 Graz

Ein Projekt des BRUSEUMs in Kooperation mit steirischer herbst ’19

www.bruseum.at

Alexander Brener / Barbara Schurz, Don Quichotte, Wasserfarben auf Papier, 24 x 30 cm