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Amazons of Pop!

Marjorie Strider, Girl with open mouth, 1963 Foto: Michael Chutko

Groß, laut und sehr emanzipiert ist die Ausstellung „Amazons of Pop!“ im Grazer Kunsthaus, die ab Ende April einen fröhlich-feministischen Blick auf die Kunstrichtung Pop-Art erlaubt.

Text: Lydia Bißmann

Die Ausstellung Amazons of Pop!, die nach dem MAMAC in Nizza und der Kunsthalle zu Kiel nun im Kunsthaus Graz gezeigt wird, hat gleich mehrere Aufträge. Zum einen soll sie Spaß machen und die Besucherinnen und Besucher in die knallige Plastik-, Farben- und Formenwelt der Pop-Art einladen. Sie soll aber auch zu einem neuen Blick auf die Kunst- und Zeitgeschichte anregen. Hier werden ausschließlich weibliche Interpretationen dieser Kunstrichtung gezeigt, die als laute, freche und provokante Akteurinnen mit dem traditionellen Rollenbild als Mutter, Objekt der Begierde oder Muse so richtig aufräumen. Die fröhliche Schau mit Tiefgang knüpft damit an das Bestreben an, die sehr männlich dominierte Erzählung in der Kunstgeschichte generell und in der Pop-Art konkret neu zu beleuchten. Ein Ansatz, der etwa 2010 in der Kunsthalle Wien bei der Ausstellung POWER UP – Female Pop Art begonnen wurde und nun noch tiefer und intensiver erkundet wird.

Evelyne Axell, Érotomobile, 1966
Foto: Paul Louis

Poppiger Feminismus

Kraft- und lustvoll inszenieren sich bei Amazons of Pop! 43 Künstlerinnen aus der Zeit zwischen 1963 und 1971 in über 100 Skulpturen, Bildern, Plakaten, Filmen, Installationen und Collagen. Pop-Art – das sind bekanntermaßen reduzierte Formen, intensive Farben und Motive aus Konsum und Werbung, Massenmedien und Comics, die ironisiert und fetischisiert werden. Meist wird diese Kunstform mit männlichen Künstlern wie Andy Warhol, Keith Haring oder Roy Lichtenstein in Verbindung gebracht. Frauen kommen hier – wie auch in der Werbung, die sie eigentlich aufs Korn nimmt – oft nur als erotisch aufgeladene Objekte in den Darstellungen vor. Es geht aber auch anders: Amazons of Pop! ist zornig, verwegen, offen erotisch, subversiv ironisch und aktivistisch. Sie erlaubt einen feministischen Blick in eine Zeit der sozialen, technischen und politischen Umbrüche. Die Künstlerinnen eignen sich die glatte und grelle Ästhetik der schönen neuen Warenwelt an und experimentieren selbstbewusst mit neuen Materialien und Techniken. Sie scheuen weder vor Selbstinszenierung, Nacktheit, Porno-Ästhetik, Überspitzung noch vor der eigenen Autobiografie zurück und üben damit auf fröhliche und verspielte Art Kritik an Konsumwahn, Unterdrückung, Krieg oder Ausbeutung. „Es geht in der Ausstellungsproduktion immer wieder auch darum, die Kunstgeschichte neu zu überarbeiten und einen aktuellen Blick darauf zu richten. Die Pop-Art ist eine Strömung, die sich sehr mit Markenfetischismus und unserer aktuellen Welt des Marktes auseinandersetzt. Sie tut das aber auf eine lustvolle Art und Weise. Das wurde eben lange Zeit fast ausschließlich mit männlichen Künstlern in Verbindung gebracht“ erklärt Katrin Bucher Trantow, die gemeinsam mit Alexandra Trost und Barbara Steiner die Schau für den österreichischen Standort adaptiert hat.

VALIE EXPORT, VALIE EXPORT – SMART EXPORT Selbstporträt, 1970

Pop-Art in der Steiermark

Amazons of Pop! ist eine Ausstellung des MAMAC Nizza in Zusammenarbeit mit der Kunsthalle zu Kiel, Manifesto Expo und dem Kunsthaus Graz. Die Wahl des Standortes ist kein Zufall – das Kunsthaus mit seiner organischen Architektur wurde bewusst dafür ausgewählt und auch direkt miteinbezogen. Mit den Arbeiten von VALIE ­EXPORT, die sich in Genitalpanik mit offener Hose als Westernheldin präsentiert, Kiki Kogelnik, Auguste Kronheim, Ingeborg G. Pluhar und Angela Hareiter wird die Pop-Art durch die Ausstellung auch in Österreich und in der Steiermark verortet. Ingeborg G. Pluhars wundervolle Collagen aus zusammengesetzten Fragmenten von Werbebildern waren etwa 1970 im Forum Stadtpark zu sehen. Angela Hareiter beschäftigte sich zu Trigon 1969 mit mobiler oder aufblasbarer Architektur und ist mit technoid-organischen Werken vertreten, die sich wunderbar in die Blob-Architektur des Kunsthauses, dessen Konzept ja auch aus den 60er-Jahren stammt, einfügt.

Niki de Saint Phalle, Long Shot – Second Shooting Session, 1961
Foto: Giulio Pietromarchi

Lustvolle Kunst-Kriegerinnen

Die Schau ist lose in Kapitel wie „Erotik“, „Krieg“ oder „Fly me to the Moon“, mit der sie auch startet, eingeteilt. Hier sollen die Besucherinnen und Besucher gleich zu Beginn mit dem Motiv der Mondlandung in den euphorischen Traum der Pop-Art eintauchen, der in der Zeit des Wirtschaftswunders und des Aufbaus nach dem Zweiten Weltkrieg in den 60er-Jahren in Nordamerika und Europa entstanden ist. Jane Fonda als Erotik-Astronautin Barbarella, die gut bewaffnete Agentin Emma Peel oder Kiki Kogelniks Phantasie-Astronautinnen tauchen hier genauso auf wie Carolee Schneemanns Arbeiten zum Vietnamkrieg. Niki de Saint Phalle, die Schöpferin der weltberühmten üppigen Nana-Skulpturen, schießt kurzerhand am Schießstand in ihre Malerei und lässt Farbe bluten. „Das Schöne an der Ausstellung ist, dass es nicht nur um ein Wiedergutmachen der Geschichte geht, sie zeigt eine ganz besondere Kraft feministischer Experimentierfreude. Die Amazons of Pop sind echte Amazonen, sie manifestieren in diesen Arbeiten ihren weiblichen Zugang zu Lust, der eigenen Sexualität und auch Gewalt“, so die Kuratorin. Es ist aber auch der Traum von freier Liebe und einer besseren, friedlicheren und gerechteren Welt, der hier gezeigt wird. Eine Hoffnung, die sich durch die ganze Ausstellung zieht und auch 50 Jahre später nichts von ihrer Aktualität verloren hat.      

Sturtevant, Rosenquist Dishes, 1966

Amazons of Pop! Künstlerinnen, Ikonen, Superheldinnen 1961–1973

Eine Ausstellung des MAMAC Nizza in Zusammenarbeit mit der Kunsthalle zu Kiel und dem Kunsthaus Graz sowie der Unterstützung von Manifesto Expo. Kuratiert von Hélène Guenin, Géraldine Gourbe, Katrin Bucher Trantow, Barbara Steiner

Kunsthaus Graz, Lendkai 1, 8020 Graz Eröffnung: 21.4.2022, 19 Uhr, Laufzeit: bis 28.8.2022

www.kunsthausgraz.at