Zwei Pariser Prachtbauten sind mit neuem Leben erfüllt: In die Bourse de Commerce zieht die Pinault Collection, in das revitalisierte Künstlerhotel Lutetia, wer es sich leisten kann.
Text: Wolfgang Pauker
Die Bourse de Commerce, im Herzen von Paris zwischen Louvre und Centre Pompidou gelegen, ist ein Rundbau aus dem 18. Jahrhundert, der einst als Getreidelager, dann als Börse diente. Seit diesem Sommer beherbergt er die zeitgenössische Sammlung des Milliardärs François Pinault, dem die Stadt für 50 Jahre die Nutzung übertragen hat, und der das Gebäude von 2016 bis 2021 vom japanischen Star-Architekten Tadao Ando zum Kunstmuseum umbauen ließ. Der Verkauf von Luxusbekleidung (Gucci, Saint Laurent, Bottega Veneta) warf eben gutes Geld ab, welches reinvestiert werden will. Im Falle Pinaults in Kunst. Moderne Kunst.
Und da sein großer Konkurrent Bernard Arnault, Chef der Luxusgüter-Gruppe LVMH 2016 mit der Fondation Louis Vuitton bereits ein großes Museum im Zentrum von Paris eröffnete, zog Pinault nun nach und machte die Bourse de Commerce zu einem Leuchtturm der Moderne. Sprichwörtlich: Vor dem Entrée flattert nicht nur eine zwischen Silber und Bronze changierende unbedruckte Fahne der Brüder Bouroullec, auch eine Lichtinstallation von Philippe Parreno sendet rätselhafte Farbsignale gen Himmel. Und das in einer als „Lichterstadt“ bekannten Metropole, der es an architektonischen Wahrzeichen wahrlich nicht mangelt.
So spektakulär der Bau von außen, so geheimnisvoll ist er im Inneren. Betritt man den mit einer Glaskuppel überdachten Patio, gerät man erst einmal ins Staunen, denn Ando hat dem historischen Gebäude mit einem massiven Zylinder aus Beton einen krassen Gegenakzent gesetzt. Als „Ouverture“, wie Pinault das erste Projekt hier nennt, steht in der Rotunde eine spektakuläre Wachs-Installation von Urs Fischer, die durch das eintretende Sonnenlicht und verarbeitete Kerzen der Vergänglichkeit ausgesetzt ist und versinnbildlicht, dass nichts für die Ewigkeit ist. Nicht das Leben, nicht die Kunst.
Rund um diesen Raum ranken sich auf fünf Ebenen diverse Galerien, in denen in wechselnden Ausstellungen Teile der über 10.000 Exponate umfassenden internationalen Sammlung des Mäzens gezeigt werden. Jede Disziplin – von Malerei über Skulptur, Medienkunst bis zu Performance – findet hier ihren Platz und gibt Einblick in das internationale Kunstschaffen von den 1960er Jahren bis heute. Und in den Geschmack des 84-jährigen Milliardärs, denn alle in der ersten Schau gezeigten Werke wurden von ihm persönlich kuratiert.
Eye-Catcher an der Rive Gauche
Eine andere Ikone der Stadt, die kürzlich eine Verjüngungskur genoss, ist das Hotel Lutetia. Sein mit Glühbirnen beleuchteter Schriftzug am Kopf des imposanten siebenstöckigen Gebäudes ist weithin sichtbar und steht für den antiken Namen von Paris. 1910 mit von Paul Belmondo, Vater des Schauspielers Jean-Paul, gestalteten Fassaden errichtet, war es das erste Gebäude, das Art Nouveau und Art Déco vereint.
Von Anbeginn war das darin beheimatete Hotel das „Quartier Général“ einer internationalen Kulturelite. Ab Mitte der 1930er Jahre trafen sich hier emigrierte Hitler-Gegner aus Deutschland, Heinrich Mann organisierte im Salon Président das erste große Treffen des sogenannten Lutetia-Kreises, einer antifaschistischen Vereinigung, die bald zusammenbrach. Es folgte der Zweite Weltkrieg, die deutschen Besatzer beschlagnahmten das Haus und anstelle von Dichtern und Denkern residierte in den prunkvollen Räumen der Nazi-Geheimdienst. Nach dem Krieg wurden Überlebende der Konzentrationslager untergebracht – eine Tafel unweit des Eingangs erinnert daran. Kaum als Hotel wiedereröffnet, kamen sie rasch wieder, die Künstler, die Verleger, die Schriftsteller, die Modemacher. Unter ihnen Pablo Picasso, Henri Matisse, Catherine Deneuve, Gérard Depardieu, Chansonlegende Juliette Gréco oder Serge Gainsbourg, der auf seinen Streifzügen durch das Viertel Saint-Germain-des-Prés immer irgendwann an der Bar des Lutetia landete.
Peggy Guggenheim empfing hier Liebhaber Samuel Beckett: „Wir blieben vier Tage lang im Bett und trennten uns nur, um Sandwiches zu holen“, so die Kunstmäzenin später über die kurze, aber heftige Liaison. James Joyce schrieb hier an Ulysses, Pierre Bergé lebte viele Jahre im Lutetia und Regisseur David Lynch war so oft da, dass eine der neuen Signature-Suiten seinen Namen trägt. Denn eben wurde ein neues Kapitel in der reichhaltigen Geschichte des Hauses aufgeschlagen: Von 2014 bis 2018 wurde das Lutetia von Grund auf revitalisiert und empfängt seine Gäste nun als eines von nur 12 Pariser Palace-Hotels mit standesgemäßem Spa, Gourmet-Restaurant, Brasserie als lebhaftem Treffpunkt des Viertels und Bar Josephine, an deren Decke eine wiedergefundene Art-Nouveau-Freske ragt.
Eine weitere Besonderheit: Das Lutetia ist das einzige Luxushotel an der Rive Gauche, der linken Seite der Seine – was durchaus von Vorteil ist, denn in diesem belebten Wohnviertel kann man noch Einheimische treffen, wenn man sich durch die Gassen mit unzähligen Galerien und Bistros treiben lässt. Alles ist hier ein bisschen lässiger, entspannter als an der Rive Droite, dem rechten Ufer, wo sich Touristenmassen zwischen Arc de Triomphe und der Place de la Concorde über die Champs-Élysées drängen. Und doch ist man im Herzen der Stadt, nur wenige Gehminuten von der Pont Neuf, der ältesten im Originalzustand erhaltenen Brücke über die Seine, entfernt. Im Herzen der Franzosen ist das Lutetia, wie Pierre Assouline, Schriftsteller und Jurymitglied des renommierten Literaturpreises Prix Goncourt schreibt, schon lange: „Das Lutetia ist ein historisches Monument Frankreichs. Es hängt sehr eng mit der Geschichte von Paris zusammen.“