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„Besser ist besser“

Sigi Feigl Foto: Marija Kanizaj

Die lang ersehnten Corona-Lockerungen ermöglichen auch dem Jazz-Institut an der KUG wieder mehr Arbeit in Präsenz. Warum das für die Studierenden so wichtig ist und wie es am Institut weitergehen soll, verrät Institutsvorstand Sigi Feigl.

Text: Lydia Bißmann

Am 18. Juni findet das Konzert-Finale des Jazz Comp Graz (voraussichtlich noch ohne Livepublikum) statt – worum geht es dabei?

Der internationale Kompositionswettbewerb für junge Jazz-Komponist*innen findet bei uns seit 2011 alle drei Jahre statt. 2020 wurden von 72 Einsendungen aus insgesamt 26 Nationen zehn ausgesucht, die nun im MUMUTH zur Uraufführung kommen. Leider kann die international besetzte Jury heuer nur per Stream daran teilnehmen, dennoch ist es jedes Mal ein kleines Highlight der Grazer Jazz-Szene.

Das Jazz-Institut der KUG genießt einen hervorragenden Ruf über alle Grenzen hinaus. Warum ist das so?

Unser Vorteil ist, dass wir absolute Vorreiter bei der akademischen Ausbildung gewesen sind. Unser Institut wurde 1965 gegründet. Graz war viele Jahre lang die einzige akademische Ausbildungsstätte in ganz Europa. Jeder, der Jazz studieren und ein anerkanntes Diplom dafür erreichen wollte, musste eigentlich nach Graz kommen. Diese lange Historie ist ein enormer Bonus, da sich daraus viele Netzwerke entwickelt haben. Wir waren auch unter den ersten, die 1991 eine eigene Klasse für Jazz-Gesang angeboten haben. Damals haben sich Jazzgrößen wie Sheila Jordan, Mark Murphy, Jay Clayton oder Andy Bey semesterweise hier in Graz abgewechselt. Nicht zuletzt hat sich das Jazz-Institut in den letzten 30 Jahren hier in der Moserhofgasse zu einem sehr angenehmen Campus mit einer intimen und persönlichen Atmosphäre entwickelt.

Sie haben selbst hier studiert und sind seit Oktober 2020 Institutsvorstand der Jazz-Abteilung an der KUG. Haben Sie sich jemals gedacht, dass Sie hier einmal das Institut leiten würden?

(Lacht) Nein, das hab ich mir nie gedacht, dass der kleine Sigi aus der Grebiengasse in Leibnitz einmal Institutsvorstand wird. Ich war ja – vor mittlerweile 40 Jahren – froh und erstaunt darüber, dass man mich damals überhaupt am Jazz-Institut aufgenommen hat. Dazu muss man noch sagen, dass es auch eher selten ist, dass jemand aus dem akademischen Mittelbau und nicht aus der Professorenschaft dazu gewählt wird.

KUG-Studentin Umi Furuhata beim letzten Streaming-Konzert im MUMUTH mit der KUG-Stageband
Foto: Alexander Wenzel

Was muss man mitbringen, wenn man bei Ihnen studieren möchte?

Es ist notwendig, dass man sich mit dieser Musik schon lange vorher auseinandersetzt, bevor man sich dazu entschließt, dies auch zu studieren. Jazz-Musik ist nur eine ganz kleine Schiene im Kulturbetrieb und der Kulturbetrieb ist eine minimal kleine in dem menschlichen Betrieb, der da ist. Die Schnittmenge ist sehr, sehr klein. Daher funktioniert das nur, wenn man zu hundert Prozent dabei ist. Für ein Jazz-Studium sollte sich nur jemand bewerben, für den es überhaupt keine andere Möglichkeit, keine andere Idee gibt. Als Nebenprodukt geht das nicht.

Junge Menschen bereiten sich oft monatelang auf die Aufnahmeprüfung vor – welche Zukunft erwartet sie danach?

Wir versuchen, unseren Studierenden eine größtmögliche Basis in sämtlichen Bereichen zu vermitteln. Sie müssen sowohl in kleineren Ensembles als auch in verschiedenen Big Bands Praxis erwerben. Sie bekommen von uns alles mit, um sich wohl in jedes Jazz-Orchester der Welt setzen und die Musik spielen zu können, die dort verlangt wird. Wir haben 20 bis 25 Absolventen pro Jahr – natürlich können nicht alle erfolgreiche Solo­künstler werden. Wir geben aber allen einen kompletten künstlerischen Werkzeugkasten mit auf ihren Weg. Die Umsetzung ist dann eine persönliche Sache. Es gibt Leute, die finden ihre Nische beim Unterrichten, innerhalb eines großen Orchesters, beim Arrangieren und Komponieren oder auch beim Producing. Das ist sicher eine Spezialität von Graz, dass wir unsere Studierenden eben in alle Richtungen hin öffnen und fördern.

Welche Rolle spielt die Internationalität am Jazz-Institut?

Für das Institut ist Diversität enorm wichtig. Als ich noch studiert habe, waren die ausländischen Studierenden wohl zur Hälfte aus Südosteuropa oder Deutschland, da es dort kaum Unterrichtsmöglichkeiten gegeben hat. In letzter Zeit hat sich das enorm geändert – wir haben Studierende aus Brasilien, Japan, Korea, Australien, Spanien, Ungarn, Italien und vielen anderen Ländern bei uns. Menschen, die einen weiten Weg und eine komplette Dislozierung ihrer Geschichte in Kauf nehmen, um hier zu studieren. Es hat aber immer etwas mit Reputation und Empfehlungen zu tun. Unsere Lehrenden sind viel unterwegs und betreiben immer ausgeprägtes Recruitment. Wenn etwa jemand einen Workshop in Ankara gibt, kann es durchaus sein, dass wir dann im nächsten Jahr vermehrt türkische Studierende bei den Zulassungsprüfungen haben.

Foto: Marija Kanizaj

Gibt es Dinge, die man aus der Corona-Krise und der dadurch schwierigen Situation mitnehmen kann?

Für mich ist es zweigeteilt. Ich habe in meinem ganzen Leben vorher keine einzige Zoom-Sitzung gehabt. Jetzt kenne ich mich gut damit und auch mit vielen anderen Onlineteaching-Tools aus. Es gibt Unterrichtsformen, die über eine digitale Plattform hervorragend realisierbar sind. Die Musik und der Unterricht am Jazz-Institut lebt aber zu einem guten Teil davon, dass Musiker gemeinsam proben, improvisatorisch agieren und ad hoc aufeinander reagieren. Und genau das ist im Online-Modus schwer bis gar nicht machbar. Ich möchte beim Unterrichten den Studierenden live neben mir haben, möchte wissen, wie er atmet, wie er sich bewegt, was er gerade dabei spürt. Diese für mich wichtigen Informationen sind aber über einen Laptopbildschirm kaum zu erlangen. Auch der Verlust an Live-Auftritten ist eminent. Wir haben natürlich Streaming-Konzerte gespielt – das letzte am 29. April mit der Stage Band im MUMUTH. Das Erlebnis für die Performer ist hier aber nicht besonders freudvoll. Das Ensemble präsentiert ein Werk mit höchstmöglicher Energie und nach dem Schlussakkord gibt es mehr oder weniger keine wie auch immer geartete Reaktion – die Energie verpufft sozusagen im digitalen Nirvana. Gut ist aber, dass den Menschen bewusst geworden ist, wie wichtig das Live-Erlebnis für alle – Publikum wie Künstler – ist. Ich habe das Gefühl, dass es vor Corona auch ein wenig Overload gegeben hat – einfach zu viel auf einmal, nach dem Motto: „mehr ist besser“. Ich bin ja der Meinung, „besser ist besser“.   

Foto: Johannes Gellner

Jazz Comp Graz 2020
Finale des 4. Internationalen Jazz-Kompositionswettbewerb Jazz Comp Graz der KUG. Eine hochkarätige Jury wählt an diesem Abend aus den nominierten Finalteilnehmern die Preisträger. Sämtliche präsentierten Werke sind Uraufführungen. Mit dem KUG Jazz Orchester und Dirigent Reinhard Summerer
18.6.2021, 19 Uhr
Live-Stream aus dem MUMUTH
www.kug.ac.at