Start Featureshome Alois Neuhold kämpft im Kultum gegen die Finsternis

Alois Neuhold kämpft im Kultum gegen die Finsternis

Alois Neuhold, "Vorhof zum Paradies" Foto: Kultum

Seit 15. Mai hat das Kultum wieder seine Pforten geöffnet und zeigt nun die ursprünglich als Osterausstellung gedachte Schau von Alois Neuhold. Sie trägt den verheißungsvollen, verspielten Namen „Innergärten und Trotzdemblüten”.

Text: Lydia Bißmann

Der Kurator Johannes Rauchenberger und der Künstler selbst haben die Wochen der Verschiebung damit verbracht, aus den unzähligen Bildern, kleinen Figuren und kelchartigen Skulpturen ein einzigartiges „Neuhold-Universum” aufzubauen. Sie haben die „Krise” als Chance genutzt – selten wird vermutlich sonst für eine Ausstellung so viel Zeit und Sorgfalt aufgewendet. Inmitten des vornehmen Weiß, des ehrwürdigen Holzes und uralter Steine der Minoriten bekommen Neuholds Bilderarrangements und ein parallel zum Zyklus entstandener Essay viel Luft, Platz und Bühne, um ihre Wirkung voll und ganz entfalten zu können. Geplant ist auch eine Ausbreitung der Ausstellung in den öffentlichen Raum. Blumen, ausgewählte Zitate und Videoclips werden zeitversetzt draußen auftauchen und sollen bis zum 10. Oktober die Menschen zu einem meditativen Besuch in die Ausstellung holen. Achtzig durfte mit genügend Abstand einen Blick hinter die Kulissen der Aufbauarbeit werfen und in einem Gespräch mit Alois Neuhold selbst noch tiefer in die Ausstellung eintauchen.

Alois Neuhold

Hunderte Blumen und Pflanzen widmen sich hier dem Thema Paradies. Warum haben Sie sich bei diesem Zyklus für das so oft beanspruchte Motiv der Blumen entschieden?

Das hat sich ganz zufällig ergeben. Ich habe viele Jahre lang sehr strenge Gesichter gemalt. Irgendwann hatte ich dann das Bedürfnis nach etwas Lockerheit. Fälschlicherweise dachte ich, dass Blumen etwas Lockeres wären – bei dem Thema Blumenbilder muss man sehr aufpassen. Nur „schön” dürfen sie nicht sein, das muss tiefer gehen. An den Bildern sieht man auch gut, dass die Motive aus dem Schwarz herausgearbeitet sind. Aus dem Dunkel, aus der Nacht, der Finsternis. Ich hab sie nicht aus der Sonne heraus gemalt. Wichtig ist auch gewesen, dass die verwendete Acrylfarbe keinen Glanz hat. Ich meine ja kein Gartenparadies, Seniorenparadies oder Wohlfühlparadies, sondern etwas Kritisches.

Ein wichtiger Teil der Ausstellung ist der Essay „Innergärten und Trotzdemblüten”, wo Sie sich zeitkritisch und analytisch mit dem Alltagsleben und der Sehnsucht nach etwas „Besserem” auseinandersetzen. Wie ist es dazu gekommen?

Aus kleinen Notizen hier und da ist der Text entstanden. Ich habe zwei Jahre daran geschrieben, damit er passt. Das hat schon lange gebraucht und ist von mir auch immer wieder überarbeitet worden. Das war auch nicht so einfach, es sollte ja nicht banal werden.

Alois Neuhold (li.), Kurator Johannes Rauchenberger und „Zwei Einblickfenster in den Vorhof mit dem Tor zum Paradies“

Was erwartet die Besucher von „Innergärten und Trotzdemblüten“ – wie ist die Ausstellung aufgebaut?

Es gibt einen sehr großen Bereich für die Malereien. In manchen Räumen haben wir sie sehr schlicht und streng gehängt und dann gibt es wieder Punkte, wo sich alles sehr konzentriert abspielt. Viele der Bilder sind auf Materialien entstanden, die man sonst eher wegwirft. Alte Schachteln, Plastikdeckel oder der Deckel einer leeren Farbdose. Auf der anderen Seite ist ein Bereich für das plastische Werk. Ich wollte mit den Skulpturen das Thema Blumen etwas plastischer angehen und Spannung aufbauen. Die Bilder sind schon recht raumgreifend, aber Plastiken und Figuren gehen noch viel weiter. Diese In­stallation ist extra für die Ausstellung entstanden. Hier sind zwei weiße Räume, wo auch der Boden farblich angepasst wurde. Dort sind die Wächter vor der zugemauerten Tür zum Paradies. Der Betrachter kann nicht rein, eine Scheibe trennt ihn von diesem Raum, er kann nur einen Blick hineinwerfen. Zwei Wege sind mit Blumen, Tieren und Pflanzenmotiven gezielt in diese Richtung hin gestaltet. Das sind Arbeiten, die alle im letzten Jahr entstanden sind. Dafür hab ich oft Tag und Nacht daran gearbeitet.

Der Text bietet einen sehr innigen Zugang zu den vielen Bildern und Skulpturen an. Welche Rolle spielt er jetzt in der Ausstellung, wie wird er hier inszeniert?

Es gibt ein kleines Büchlein, in dem der Essay Innergärten und Trotzdemblüten abgedruckt ist und wo man ihn unabhängig von den Bildern lesen kann. Dann gibt es einen eigenen abgedunkelten Hörraum. In diesen Raum kann man sich eine halbe Stunde reinsetzen und nur dem Text lauschen. Dazu kommt ein kleiner Bereich mit einer Videodokumentation, die letzten Herbst in meinem Atelier gemacht wurde. Hier kann der Betrachter etwas über mein Atelier-Leben erfahren.

Alois Neuhold: Innergärten und Trotzdemblüten. Verstreute Blütenblätter aus dem Gartenbuch eines verlorenen Paradieses. Ausstellung im KULTUM Graz, 18. Mai – 10. Oktober 2020 Kurator: Johannes Rauchenberger

Im Kultum werden Kirche und zeitgenössische Kunst vereint, und Sie als Person tun das ja auch. Gerade in letzter Zeit haben beide Bereiche großen und auch neuartigen Zuspruch erlebt. Glauben Sie persönlich, dass es hier neue Chancen und Hoffnungen für die Kirche und auch die Kunst geben wird?

Ich bin kein Prophet, das weiß ich nicht. Ich denke, wenn die Kirche etwas anbieten kann, was die Menschen zutiefst bewegt oder berührt, dann wird sie Zulauf haben, davon bin ich sowieso überzeugt. Das hängt von den sogenannten „Verkündern“ ab. Ob sie die Gottesdienste und Rituale so bringen, dass die Menschen davon berührt werden oder nicht.

Hier findet sich zum Beispiel ein sakral aufgeladenes Objekt, eine Art Altar.

Diese Installation ist einem Flügelaltar nachempfunden. Unten befinden sich Kelche – Blumen haben ja auch Kelche – man könnte hier daraus trinken. Das kann mit dürstenden Seelen zu tun haben, wenn man das so will. Vielleicht gibt es ja noch einen anderen Durst als nur den leiblichen. Es kann in einem sehr kostbaren Gefäß auch nur die Leere vorhanden sein, die zu etwas hinführt. Wichtig ist, dass es diese Kostbarkeit symbolisiert. Jede Blüte einer Blume ist etwas unendlich Kostbares – blüht zwei Tage und ist wieder verwelkt. Vor so einem Wunder kann ich nur in die Knie gehen. Das hat mit dem Paradies zu tun.

Tut es Ihnen leid, dass der Text schon vor der Coronakrise fertig geworden ist?

Ich habe jetzt eher das Problem, dass die Leute sagen „Ach, jetzt hat er schnell einen Text über Corona geschrieben“, weil er eben so aktuell ist. Aber er ist vorher fertig geworden und hat mit der Krise nichts zu tun, obwohl er sehr passend ist.

Wie hoch stehen die Chancen, dass der Betrachter am Weg durch die Ausstellung ein Gefühl dafür bekommt, was das Paradies sein kann?

Ich denke, der Text ist der Versuch eines Hinweises, um das eigene Nachdenken anzuregen. Jeder soll dadurch selbst ins Grübeln kommen – wo denn das Paradies liegen könnte. Eigentlich gibt es nur zwei Antworten auf die Frage, wo das Paradies ist. Für die einen liegt es im Jenseits und sie glauben daran und für die anderen ist es im „Hier und Jetzt”. Mir persönlich war wichtig, dass es etwas mit dem Diesseits zu tun hat. Es geht um Erfahrungen aus dem jetzigen Leben und darum, wo man das Paradies jetzt hier finden kann. Es geht um die Kraft des Lebens und der Schöpfung überhaupt.

Wie haben Sie die Wochen der Krise um Ostern empfunden? Wie hat sich die Ausgangssperre auf die Ausstellung ausgewirkt?

Ich bin sowieso immer in der Klause in meinem Atelier. Zuerst hab ich mir gedacht, ich könnte einfach weitermalen und die Ausstellung sein lassen. Dann musste ich aber doch rausgehen, was immer mit einem gewissen Risiko verbunden war – ich bin ja schon in einem Risikoalter –, und die Ausstellung aufbauen. Am Anfang hat mir das nicht so gefallen. Es war auch eine recht einsame Zeit, weil ich fast alles alleine gemacht und gehängt habe. Jetzt bin ich aber sehr froh über das Ergebnis, das kann sich schon sehen lassen.

Innergärten und Trotzdemblüten: Alois Neuhold

Kultum Galerie, Kulturzentrum bei den Minoriten, Mariahilferplatz 3, 8020 Graz, Ausstellungsdauer bis 10.10.2020, Di–Sa, 11–17 Uhr, So, 17–20 Uhr. Um Anmeldung mit Zeitwunsch unter 0316 711 133-31 oder tickets@kultum.at wird gebeten. Sie erhalten die Zeit zugeteilt, in der Sie sicher und mit der erlaubten Besucheranzahl die Ausstellung genießen können.