Start Kunst & Kultur Der Musikverein feiert in der 205. Saison das Jahr der Jubiläen

Der Musikverein feiert in der 205. Saison das Jahr der Jubiläen

Der Stefaniensaal – ein Juwel für hochkarätige Konzerte. Foto: Robert Illemann

Anfang September startete der Musikverein für Steiermark in die neue Saison. „Achtzig“ sprach mit Generalsekretär Michael Nemeth über die Themen der kommenden Saison, die Renaissance des Klassik-Hörens und Shooting-Star Yuja Wang.

Text: Stefan Zavernik

Das neue Spieljahr beschäftigt sich inhaltlich intensiv mit den Themen des Humanismus. Welche Leitgedanken prägen das Programm?

In diesem Jahr steht alles unter dem Stern der Missa solemnis von Ludwig van Beethoven, das Motto lautet dabei „Von Herzen möge es wieder zu Herzen gehen“. Mit diesen Worten, die Beethoven den Menschen hinterlassen hat, gab er einen Anstoß zur Nächstenliebe. Nach seinem Vorbild wollen nun wir in der kommenden Saison mit unseren Konzerten ein besonderes Zeichen der Verantwortung von Kunst und Kultur wie auch für die Werte der humanistischen Gesellschaft setzen. Wir machen uns künstlerisch für die Menschenrechte und das Miteinander stark, was sich zum einen in den programmatischen Menschenrechtskonzerten zeigt und zum anderen darin, dass Künstlerinnen und Künstler aus aller Welt im Rahmen der Festkonzerte in Graz bei uns zu Gast sein und gemeinsam musizieren werden.

Das neue Programm ist wie gewohnt vielfältig und umfangreich. Wie orientiert man sich am besten?

Auch in der 205. Saison wird das Programm wieder unsere drei Säulen widerspiegeln: Zum einen die Jugend- und Talentförderung, die uns ein großes Anliegen ist und die u. a. in den musikalischen Aperitifs umgesetzt wird; die Festkonzerte, welche besonders in den letzten 10 Jahren enorm – auch international – an Strahlkraft gewonnen haben, und schließlich die Repertoirevielfalt im Abonnement, geknüpft an konkrete Themen. Wir freuen uns auf Künstler wie Piotr Beczała, Grigori Sokolow, Martin Grubinger, Friedrich Kleinhapl oder Philippe Jordan sowie die Wiener Philharmoniker.

Generalsekretär Michael Nemeth.
Foto: Oskar Schmidt

In welchen Konzerten wird das Thema Menschenrechte besonders spürbar?

Wir konzentrieren uns im neuen Programm nicht nur auf die Menschenrechte, sondern haben die Thematik auf „Friede – Freiheit – Menschenrechte“ ausgeweitet. Dies geht zurück auf den Gründungszweck des Musikvereins: Der Musikverein wurde 1815 mit dem Ziel einer barrierefreien Musikausbildung ins Leben gerufen. In den 205 Jahren konnten wir diesen Gründungsgedanken massiv ausbauen. Demnach jähren sich in der kommenden Saison mehrere Jubiläen, wie 75 Jahre Frieden in Europa, 65 Jahre Staatsvertrag und 20 Jahre Graz als Stadt der Menschenrechte. Bereits zu Saisonbeginn laden wir zu einem Konzert ein, welches genau diese Säulen verbindet: Das Youth Symphony Orchester of Ukraine mit Beethovens 9. Symphonie. Oksana Lyniv gründete dieses Jugendorchester: Sie hat in einem Land, wo Frauenrechte noch nicht stark genug ausgeprägt sind, ein Orchester zusammengestellt, um gerade begabte und talentierte junge Menschen, vor allem Frauen, zu fördern. Der junge Klangkörper besteht aus Mitgliedern der Ost- und Westukraine, somit auch aus jungen Menschen, die aus Kriegsgebieten kommen. Ganz im Sinne des Mottos gastieren sie im Herbst in Graz, um gemeinsam die Ode an die Freude zu interpretieren. Unser Open-Air-Konzert im Landhaushof ist ein Konzert für Jugend und Europa. Ganz in der Alpen-Adria-Tradition treffen hier drei Jugendorchester aus Graz, Ljubljana und Triest aufeinander und werden ein exklusives Konzert für Menschenrechte geben. Damit wird die Freundschaft unter diesen Ländern bestärkt und klanglich zum Ausdruck gebracht.

Pianistin Yuja Wang gibt ihr Graz-Debut.
Foto: Norbert Kniat

Der Musikverein ist mittlerweile über 200 Jahre alt. Wie gelingt eine so lange Erfolgsgeschichte?

Aufgrund seiner Historie ist der Musikverein schon sehr lange in der Österreichischen Geschichte fest verankert und hat sich in der europäischen Musiklandschaft über die Jahrhunderte als verlässlicher Veranstalter etabliert. Es gab keine Saison, in der kein Konzert stattgefunden hat – auch in Zeiten wirtschaftlicher oder politischer Notlagen. Dies hat sich auch schnell herumgesprochen und so wurde das künstlerische Einzugsfeld für uns immer größer.

Gerade in den letzten 10 Jahren, so scheint es, hat der Musikverein auch international an Strahlkraft gewonnen. Dazu beigetragen haben ganz gewiss die Engagements von Superstars wie Anna Netrebko und anderer großer Namen der internationalen Klassik-Szene. Was macht den Musikverein für diese Künstlerinnen und Künstler zu einem verlockenden Konzertveranstalter?

Dass wir uns international einen Namen machen konnten, liegt zum einen am Stefaniensaal, der als Juwel der Konzertsäle gilt, da er nicht nur optisch sehr ansprechend gestaltet ist, sondern auch akustisch die idealen Voraussetzungen bildet. Ebenso dass wir eine hervorragende Künstlerbetreuung vor Ort haben, die sich intensiv um die Künstlerinnen und Künstler während des gesamten Aufenthalts kümmert. Diese Kombination ist es, die viele internationale Künstler nach Graz lockt. Mittlerweile profitieren wir von der starken Vernetzung in der Kulturszene, die wir uns all die Jahre hinweg aufgebaut haben. Und zu guter Letzt ist Graz auch für sein Publikum berühmt.

Friedrich Kleinhapl
Foto: Christian Jungwirth

Sie sind mittlerweile seit mehr als 10 Jahren Intendant und künstlerischer Leiter des Musikvereins. Eines Ihrer persönlichen Ziele ist es, den Musikverein auch für ein jüngeres Publikum attraktiv zu machen. Wie ist Ihnen dies in den letzten Jahren gelungen?

Mittlerweile zählen wir jährlich über 1.000 Besuche von Jugendlichen und jungen Erwachsenen unter 27 Jahren, was im Vergleich zu etwa vor fünf bis zehn Jahren, wo es maximal 50 waren, ein enormes Wachstum darstellt. Zu dieser Entwicklung haben wir vieles beigetragen: etwa die vergünstigte Kartenabgabe an Jugendliche und Studenten sowie auch die Möglichkeit, um fünf Euro Restplatzkarten zu erhalten. Des Weiteren haben wir mit zahlreichen Schulen Kooperationen aufgebaut. Im Rahmen des Projekts PROBE:HÖREN werden somit fünf Generalproben der Grazer Philharmoniker unter anderem für Schülerinnen und Schüler geöffnet. Dieses Format am Vormittag ist zudem auch für die ältere Generation sehr ansprechend und wird gerne in Anspruch genommen, denn die Abendvorstellungen sind zeitlich nicht immer für jeden möglich. Einen wesentlichen Faktor für den Zuwachs stellt außerdem die programmatische Einbindung der Kunstuniversität Graz dar, die etwa mit ihrem Symphonieorchester bei uns des Öfteren gastiert. In diesem Zuge kommen beispielsweise 70 bis 80 Studierende auf die Bühne, die wiederum ihre Kollegen und Freunde mitbringen. Dies alles sind Faktoren, durch die wir das Rad in den letzten Jahren weit nach vorne drehen konnten und durch die wir die Schwellenangst bei den Jugendlichen schrittweise abbauen konnten. Es mag etwas wunderlich klingen, aber es wurde noch nie so viel Klassik gehört wie heute!

Andrés Orozco-Estrada
Foto: Werner Kmetitsch

Als Generalsekretär sind Sie mit der Programmkonzeption betraut. Wann beginnen Sie mit der Planung und nach welchen Kriterien wählen Sie Konzerte aus?

Die Programmplanung beginnt bereits zwei Jahre vor der eigentlichen Saison. Das hängt nicht zuletzt auch damit zusammen, dass der Stefaniensaal auch von anderen Organisationen gebucht wird und jeder seine Wunschtermine zu ergattern versucht. Wir haben unser breites Spektrum an Konzerten, die rechtzeitig eingebucht werden müssen, und aus diesem Grund müssen wir mit der Planung auch sehr früh beginnen. Während der Vorlaufzeit ergeben sich in Bezug auf die Stückauswahl meist ein Ideenkonzept oder Inspirationen, die in einer Shortlist gesammelt werden. Daraus erwähle ich schlussendlich das Programm der jeweiligen Saison. Kriterien sind dabei die Thematik, die Länge, Besetzungen und Kooperationen; insgesamt handelt es sich dabei um einen sehr kreativen Prozess.

Eines der großen Highlights der kommenden Saison wird der Auftritt von Yuja Wang sein. Wie ist die Wahl auf diesen Shooting Star gefallen?

Yuja Wang ist eine junge Künstlerin, die mit ihrer einzigartigen Interpretation mit der Zeit geht. Sie bringt eine innovative Richtung auf die Bühne, mit der sie eine ganz neue Publikumsschicht anspricht, was auch für den Musikverein besonders wertvoll ist, zumal so neue Zuhörer und Zuschauerinnen mit uns in Kontakt kommen. Mit ihrem sehr individuellen Stil vermittelt sie Klassik auf eine ganz neue und auch extravagante Art und Weise. Auch hier wird im Sinne unseres aktuellen Mottos wieder eine Brücke gespannt: zwischen China und Europa. Ich erwarte mir hier eine gute Fortführung der erfolgreichen Kooperation mit den Wiener Philharmonikern, die in den letzten Jahren sukzessive intensiviert wurde. Ebenso erwarte ich mir ein sehr dynamisches Konzert, für das Wang ja bereits berüchtigt ist.

Martin Grubinger
Foto: Simon Pauly