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Kulturregionen im Portrait: das Ausseerland

"Igel", Eva Grubinger Foto: KIÖR

Kur, Kult, Kultur und Kunst gehören zum Ausseerland dazu wie die Butter aufs Brot. Die enge Zusammenarbeit der Kulturschaffenden untereinander, Kooperationen mit ansässigen Betrieben und das persönliche Engagement vieler hier wohnhafter Künstler machen es möglich.

Text: Lydia Bißmann

Der Salzabbauregion Ausseerland ist es gelungen, nicht nur das literarische und kulturelle Erbe der vielen Besucher und Bewohner zu bewahren. Mit der nach vorne gerichteten Einstellung und der gelungenen Mischung aus Tradition und Moderne liefert die Region regelmäßig innovative und sehr hochwertige Zutaten für das Kulturportfolio der Steiermark. Der Salzgewinn machte die Gegend wohlhabend und selbstbewusst. Durch die gefährliche Arbeit unter Tage entwickelte sich bei den Einheimischen ein starkes Gefühl der Solidarität und Kooperationsbereitschaft. Schließlich muss man sich im Berg aufeinander verlassen können. Anfang des 19. Jahrhunderts löste der Tourismus die Haupteinnahmequelle Salz ab. Ein sanfter Tourismus. Der Adel wollte sich erholen und schätzte neben der Nähe des Kaisers in Bad Ischl auch die Ruhe und Abgeschiedenheit der kühlen Orte mit ausreichend Jagd- und Badegelegenheiten. Seen wie der Altausseer See, der geheimnisumwobene Toplitzsee und der romantische Ödensee mitten im Wald machen die Sommerhitze erträglich und sorgen für einen klaren Kopf. Das aufstrebende Bürgertum tat es dem Adel gleich und so entwickelte sich die Region zu einem beliebten Treffpunkt für Schriftsteller, Musiker und Künstler. In der klaren Bergluft lässt sich eben gut denken und arbeiten. Im Literaturmuseum im Luftkurort Alt­aussee im zweiten Stock des Kurhauses kann man sich auf die Spuren der großen Dichter und Denker des 19. und 20. Jahrhunderts machen. Hugo von Hofmanns­thal, Friedrich Torberg, Hermann Broch und Karl Kraus, aber auch Sigmund Freud und Theodor Herzl kamen gerne und oft hierher. Die Kulturwanderwege LiteraTour und Via Artis führt interessierte Gäste an beliebte Aufenthaltsorte, Wohnhäuser und Residenzen der berühmten Sommerfrischler.

Der Altausseer See

Zeitgenössische Kunst im Ausseerland

Sanft ist der Tourismus im Ausseerland geblieben, Massenunterkünfte sucht man hier vergeblich. Auch die Literaten sind noch da. Barbara Frischmuth, Gründungsmitglied des Forum Stadtpark und Teil der losen Literaturformation „Grazer Gruppe“ um Alfred Kolleritsch, Bernd Hüttenbrenner und Peter Handke ist in Altaussee geboren und wohnt seit etlichen Jahren wieder hier. Sie ist kulturpolitische Obfrau des Literaturmuseums und hat den dazugehörigen Garten vor dem Kurhaus mit Pflanzen aus ihrem eigenen Garten gestaltet. Hier findet sich auch ein Exponat der Künstlerin Eva Grubinger. Die Skulptur Hedgehog ist Teil des Projektes „Politische Landschaften“, das sich dem Widerstand der Bevölkerung gegen das Nazi-Regime widmet. Sowohl Partisanen als auch geflüchtete KZ-Häftlinge versteckten sich in den Bergen und wurden von den Frauen des Dorfes mit Essen versorgt. Deswegen gibt es die Installationen und Objekte von Eva Grubinger, Bojan Šarcˇevic´, Florian Hüttner, Clegg & Guttmann und Angelika Loderer jeweils einmal im Ort und einmal in den Bergen zu entdecken. Die Ausstellung, die mit der Unterstützung des Instituts für Kunst im öffentlichen Raum umgesetzt wurde, läuft noch noch bis Ende des Jahres. Nicht versäumen sollte man auch die Ausstellung Kunst am Steinberg, die sich seit einigen Jahren der Cartoonkunst verschrieben hat. Bei freiem Eintritt können hier unter anderem politische Karikaturen und Zeichnungen des Facebook-Stars ­Michael Dufek (dufitoon) oder des FM4-Granden und Projekt-X Mitglieds Clemens Haipl betrachtet werden. Das diesjährige Motto lautet „Katz und Hund“ und ist noch bis Ende Oktober zu den Öffnungszeiten der Salzwelten zu sehen. Dort befindet sich unter Tag auch eine kleine Barbarakapelle. Die heilige Barbara ist die Schutzpatronin aller Berufe, die großer Gefahr ausgesetzt sind. Dazu werden neben Feuerwehrmännern, Geologen und Bergleuten auch die Buchhändler gezählt.

Kurhaus Altaussee

Tradition Literatur

Die Wasnerin ist seit dem 19. Jahrhundert traditioneller Kulturtreffpunkt. In den Glanzzeiten der Terrainkuren war der Traditionsbetrieb magischer Anziehungspunkt für schillernde Persönlichkeiten wie Alma Mahler-Werfel und Oskar Kokoschka oder dem Wiener Kreis um Arthur Schnitzler und Hermann Bahr. Der Leitbetrieb in Aussee hat sich in den letzten Jahren zum zweitgrößten Arbeitgeber im Ort entwickelt und ist Partner und Veranstalter vieler Kulturangebote wie etwa der sommerlichen Ballettveranstaltung des Wiener Staatsopernballett, das seit 25 Jahren regelmäßig im August im Kur & Congresshaus in Bad Aussee auftritt. Im Frühling 2019 veranstaltet die Wasnerin zum fünften Mal das Literasee Wortfestival. Bestsellerautoren wie Arno Geiger, Franzobel, Sigrid Löffler gaben sich dort bereits mit Nachwuchstalenten wie dem Bachmannpreisträger Ferdinand ­Schmalz oder Angelika Klüssendorf die denkmalgeschützte Türklinke in die Hand. Lesungen zu bestimmten Themen werden in der Wasnerin aber das ganze Jahr über abgehalten: Im Oktober werden die preisgekrönten Krimiautoren Max ­Annas,­ Simone Buchholz und Friedrich Ani zu Gast im 4- Sterne-Hotel am See sein. Das Wellnessresort ist auch Domizil der Stipendiaten der ORF-III-Literaturinitiative „Writer in Residence“.

Bad Aussee

Ebenfalls Kulturbotschafter und Testimonial der Region ist der Schauspieler Klaus Maria Brandauer. Brandauer wurde in Bad Aussee geboren, wuchs in Altaussee auf und eroberte von hier aus die großen deutschsprachigen Bühnen und Hollywood. Er unterrichtet am Max-Reinhardt-Seminar in Wien und ist Vorsitzender des Vereins Poesie im Ausseerland. Zusammen mit seinen Studenten inszenierte er regelmäßig Stücke von Mitterer und Shakespeare in seinem Heimatort. Zum 75. Geburtstag des Mimen brachte die Österreichische Post eine Sonderbriefmarke mit seinem Konterfei heraus, die im Kurhaus Altaussee im Sonderpostamt feierlich präsentiert wurde. Die Hauptrolle in seinen Daniel-Käfer-Krimis spielt immer das Salzkammergut. Der Bestseller-Autor, Moderator, Journalist und Drehbuchautor Alfred Komarek hat sich wie Anton Tschechow oder Jack London aus finanzieller Not dem Schreiben zugewandt und auch mehrere literarische Reisebegleiter über das Salzkammergut verfasst. Sein Geburtsort Bad Aussee gilt als geographischer Mittelpunkt Österreichs. Vor 13 Jahren wurde hier eine Fußgängerbrücke in der Form eines Mercedessterns über dem Zusammenfluss der Grundlseer Traun und Altausseer Traun errichtet. Mit ihren 27 Metern gehört die beeindruckende Brücke zu den größten Mercedessternen weltweit.

Salinen Austria Salzwelten Altaussee
Foto: Johannes Kernmayer

Genreübergreifendes Musikprogramm

Im Sommer, wenn die hitzegeplagten Städter in die Berge flüchten, ist Hochsaison im Ausseerland. Dann finden hier auch die meisten Festivals und Musikveranstaltungen statt, von denen es nicht wenige gibt und die sich ständig verändern, vergrößern oder neu erfinden. Der Verein KIK – Kultur im Kurhaus hat seine musikalische Tätigkeiten in der Kurhausbühne inzwischen auf den Ausseer Festsommer ausgeweitet. Von Mitte Juli bis August bietet das Festival Musik von Klassik bis Rock, von Barock bis zum Wienerlied und Konzerte an unterschiedlichen Aufführungsorten wie dem Altausseer Salzberg. Fixpunkt dabei ist die Kultband Rauhnacht, die sich dem „Alpenvoodoo“, einer Mischung aus traditioneller Bradlmusi und afrikanischen, lateinamerikanischen und bluesigen Einflüssen verschrieben hat. Ein Geheimtipp ist das jährliche Doppelkonzert im Gasthaus Veit in Gößl Anfang Jänner in der Zeit der namensgebenden Rauhnächten. In den Rauhnächten, so erzählt man sich, ist vieles möglich: Tiere können sprechen, Orakel erlauben einen Blick in die Zukunft, gute und böse Geister ziehen durchs Land. Der Begriff Bradlmusi, der von der Band Ausseer Hardbradler in den Neunzigern in die Charts gebracht wurde, kommt übrigens aus der Zeit, als die Musikanten beim Wirt im Gegenzug für ein Essen – ein „Bradl“ – aufgespielt haben. Das Gasthaus Veit am Grundlsee ist auch Zentrum des alljährlichen Festivals Sprudel, Sprudel & Musik, einem begehbarem Konzert, bei dem die Besucher Liedermacher und Stars der neuen Volksmusik und Weltmusik wie Ernst Molden, Harry Stojka oder Willi Resetarits in einer Route durch den Ort erleben können. Der engagierte Organisator des Festivals Franz Steinegger ist inzwischen Bürgermeister des Ortes Gößl und bezeichnet die Open-Air-Veranstaltung gerne als Gesamtkunstwerk. Einpacken sollte man für einen Aufenthalt im Ausseerland unbedingt festes Schuhwerk und wetterfeste Kleidung. Daheim lassen kann man getrost die Reise­literatur. Bücher gehören hier zur Grundausstattung. In der Wasnerin steht den Gästen dafür sogar ein eigener Bücher-Concierge zur Verfügung.

Rauhnacht
Foto: Rudi Ferder