
Genähte Kunst und Aktivismus im Steirischen Feuerwehrmuseum Kunst & Kultur: Die Sonderausstellung Frau – Leben – Freiheit zeigt narrative textile Kunst, die von Frauen auf der ganzen Welt aus unterschiedlichsten Gründen und mit verschiedensten Mitteln hergestellt wurde.
Mit Textilkunst aus weiblicher Hand beschäftigt sich die Ausstellung im Steirischen Feuerwehrmuseum Kunst & Kultur. Gezeigt wird narrative, genähte Kunst, die weltweit von Frauen geschaffen wurde – gestrickt, gewebt, genäht oder appliziert. Diese Werke erzählen vom Alltag: vom Müllsammeln, vom Tragen von Wasserkrügen, von Beziehungsgeschichten, Geburten oder der Doppelbelastung, der Frauen durch Haushalt, Kinderbetreuung und Erwerbstätigkeit ausgesetzt sind. Sie zeugen aber auch von Konflikten, Gewalt und Unterdrückung.
Feministische Perspektiven auf Stoff
Die 80 Werke stammen aus der Sammlung von Frauen in der Einen Welt, einem Verein, der sich seit 1989 für interkulturelle Verständigung und internationalen Austausch aus der Perspektive von Frauen engagiert. Die Werke überschreiten auf lustvolle und spannende Weise die Grenzen zwischen Kunst, Handwerk, Tradition und Technik. Sie stammen teils von Frauen aus marginalisierten Gruppen in Afghanistan, Äthiopien, Peru, Mexiko, Indien oder Chile, aber auch von jenen, die aufgrund von Krieg oder Krisen in einem anderen Land leben müssen. Einige der Künstlerinnen sind professionell tätig, andere verkaufen Kunsthandwerk, um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Manche nutzen das gemeinsame Nähen, um Traumata zu verarbeiten.

Foto: Studio4
Die Verbindung zur Region stellt ein separater Raum her, der der weststeirischen Textilkünstlerin Emma de Ro gewidmet ist, die unter anderem die bunte und blumige „Grazer Spitze“ erfand. Gleich zu Beginn der Ausstellung finden sich zwei Werke der anerkannten indischen Künstlerin Saroj Chaturlal Rathod: Zusammenleben (1995) und Bürgerkrieg (1995). Ihre Arbeiten befinden sich auch in internationalen Sammlungen, etwa im Philadelphia Museum of Art, im Santa Fe Museum of International Folk Art (USA) und im Museum Rietberg in Zürich. Das eine Bild zeigt Muslimas und Hindufrauen, die sich friedlich am Brunnen zum Wasserholen anstellen. Das andere ist von männlichen Figuren dominiert, die ebenfalls unterschiedlichen Konfessionen angehören, sich jedoch gegenseitig erstechen. Diese beiden Werke stehen sinnbildlich für viele weitere Exponate – sie bestechen nicht nur durch Ausdruckskraft, Dynamik und Farbe, sondern auch durch eine lakonisch-feministische Botschaft, die sich wie ein roter Faden durch die gesamte Ausstellung zieht. Die hier gezeigte textile Erzählkunst lässt sich zu Recht als Artivism bezeichnen: Künstlerische Ansätze stehen gleichberechtigt neben konkreten sozialen, politischen oder ökologischen Anliegen.

Foto: Studio4
Alltag und aktuelle Krisen
Ein Raum widmet sich den Geschehnissen des Alltags: Szenen aus Simbabwe, Peru, Panama oder Indien zeigen Szenen aus wichtigen Festen, Lebensereignissen, Liebesgeschichten oder täglichen Handgriffen. Hier wird von männlicher Untreue erzählt, von Krankheit, Geburt, der täglichen Doppelbelastung, der Frauen auf der ganzen Welt ausgesetzt sind, von Träumen und Tänzen. Die teils dreidimensional gestalteten Werke erinnern an Wimmelbilder aus Kinderbüchern, an denen man sich schwer sattsehen kann, vor lauter spannenden Details. Zwei weitere Räume thematisieren aktuelle Konflikte. Zu sehen sind fein gestickte Kreuzstich-Arbeiten aus Palästina (In’ash El Usra, 1995), deren Technik über Jahrzehnte der Vertreibung hinweg als identitätsstiftendes Element bewahrt wurde. Die britisch-iranische Künstlerin Mashad Afshar zeigt in Sex with the Chaste – Cursed Seal Fotos einer voll verschleierten Frau vor erotischen Darstellungen aus dem Alfiyah und Shalfiyah – einer Art persischem Kamasutra – und Passagen aus dem Koran, die Frauen an ihren Platz verweisen. Ein Taschentuch für jedes Opfer (Fuentes Rojas, 2018) besteht aus einer Sammlung bestickter Taschentücher aus Coyoacán, Mexiko-Stadt. Mexikanische Frauen treffen sich dort regelmäßig im öffentlichen Raum, um mit Nadel und Faden den Opfern von Gewalt und dem organisierten Verbrechen Namen und Geschichte zu geben. Auf die Baumwolltücher werden Name, Fundumstände, Datum, Ort sowie persönliche Gedanken, Wünsche oder Zeichnungen gestickt – ein stiller, aber kraftvoller Widerstand gegen Korruption und den Terror der organisierten Kriminalität.

Textilkunst als Form des kreativen Widerstands
Weitere eindrückliche Dokumente des Widerstands sind die Justicia – Gerechtigkeit! (1988) aus Santiago de Chile. Diese Werke konnten als Handarbeiten die Zensur unter dem Pinochet-Regime umgehen. Die sogenannten „Arpilleras” entstanden aus der Not der Frauen, deren Angehörige ermordet oder verschwunden waren. Inspiriert von der amerikanischen Quiltkunst applizierten sie Stoffreste auf Sackleinen und dokumentierten so ihre Erfahrungen mit der Diktatur. Auch afghanische Dorffrauen aus Laghmani, rund 70 Kilometer von Kabul entfernt, greifen auf alte Sticktraditionen zurück und schaffen so eine Einkommensquelle für Frauen und Mädchen. Zwischen den traditionellen Mustern finden sich immer wieder Motive von Waffen, Panzern und Szenen der Unterdrückung – ebenso wie Selbstporträts der Künstlerinnen.

Frau – Leben – Freiheit, Geschichten in Stoff
Bis 24.8.25, Di–So 10–17 Uhr
Steirisches Feuerwehrmuseum Kunst & Kultur, Marktstraße 1, 8522 Groß St. Florian, Tel.: 03464 8820
Erreichbar mit der S6 vom Grazer Hauptbahnhof