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Skulpturen gegen den Trend

Form und Figur, Maß, Rhythmus und Bewegung: Liegende Venus, 1987 Foto: P.F.

Die Grazer Bildhauerin Hortensia bietet in ihren Arbeiten der Form eine Bühne. Sie beschreitet damit einen neuen, lebendigen Weg der Übertragung der menschlichen Figur in die Plastik.

Text: Lydia Bißmann

Hortensia, die aktuell in Wien und Bad Gams lebt und arbeitet, studierte bei Josef Pillhofer in Graz und bei Fritz Wotruba an der Akademie der bildenden Künste in Wien. Seit Mitte der 1970er-Jahre ist sie als selbstständige Bildhauerin und Zeichnerin tätig. Wie ihre beiden großen Lehrer geht sie wieder einen Schritt weiter, denn ihre Skulpturen zeigen nicht mehr eine Bruchlinie zwischen reiner Form und Naturstudium auf. Konsequent eigenwillig und frei von kurzlebigen Trends ist ihre Herangehensweise.

Sinnlichkeit durch Form

Durch eine genaue Analyse, durch das Begreifen der Form entsteht genau jene Spannung in ihren Figuren, die sie so faszinierend machen. Hortensia lenkt den Blick der Betrachter in eine dreidimensionale Welt. Wie sie das erreicht, ist letztlich auf ihre Beharrlichkeit zurückzuführen, sich immer wieder auf die wesentlichen Formzusammenhänge zu beschränken und in ihren Skulpturen die wichtigen Teile aufeinander zu beziehen. Ihre Chiffren sind Linien, Winkel, Verhältnisse und Raumbezüge. Und dennoch bleibt es zuletzt wohl noch ihr eigenes Geheimnis, ihre Skulpturen schlussendlich zu einem großen Ganzen zu formen, bevor sie durch den Bronzeguss endgültig werden.

Strenge und Klarheit: Detail der Christine Lavant Figur, 2015–2016
Foto: P.F.

Reduktion und Wiederaufnahme der menschlichen Figur als Thematik

Hortensia schafft „klassisch“-figurative Arbeiten, die streng komponiert und klar wirken und deren Zauber und Sinnlichkeit vorrangig durch einen Aspekt bestritten wird: der Harmonie von Form und Natur. Gegenstand der Darstellung ist vorwiegend die menschliche Figur, das Königsmotiv unter ­allen bildnerischen Darstellungen. Auseinandersetzen mit den menschlichen Daseinsformen: Gehen, Stehen, ­Sitzen, Liegen, der Dynamik und Ruhe. In einem durchaus sehr langen Schaffungs- und Entwicklungsprozess formt sie ihre Skulpturen von ansprechender Einheit, ihre Arbeiten sind frei von Verfremdung, Irritation oder anderen Störfaktoren. Sie berühren durch ihre Kraft und die Art und Weise, wie sie den Raum sitzend, stehend oder liegend für sich einnehmen. „Form ist die Kraft in der Kunst, Figur ihr Ausdruck“, ist der Leitsatz der Künstlerin. „Kühler Kopf und klares Auge“, so formulierte es Josef Pillhofer 1996 bei der Eröffnung ihrer großen Ausstellung in Prag, und „die reduktive Erkenntnis der Moderne bildet damit das Fundament zur Wiederaufnahme der menschlichen Figur als Thematik und als zentrales Thema für den Bildhauer.“ Formkraft und Formqualität in den Skulpturen von Hortensia erreichen damit eine neue Sinnlichkeit.

Der Atem der Bronze

In ihrem Skulpturenhaus in Bad Gams hat sie seit 2015 neu gestalteten Raum für ihre Skulpturen eingerichtet, und Gäste sind herzlich eingeladen, ihre Arbeiten vor Ort zu studieren. Die Liegende Venus (1987) aus Bronze ist nur im ersten Eindruck eine liegende Frauenfigur in reizvoller Schönheit, doch bei näherer Betrachtung offenbaren sich das Spiel aus Nähe und Distanz, klare Formen und wiederkehrende Winkel, Harmonie zwischen Außen- und Innenraum. Qualitätskriterien der Form, die sich auch bei der lebensgroßen Christine Lavant Figur (2015–2016) wiederfinden. Sie steht geerdet und fest am Boden, die charakteristischen Augen der großen Schriftstellerin und Lyrikerin blicken in die Weite, streng und klar, dennoch vornehm zurückhaltend. Hortensia hat ihre eigene Vorstellung der menschlichen Figur als Neuorientierung entwickelt: Das macht ihr Œuvre modern und zeitlos zugleich. Nicht zuletzt deswegen hat die Künstlerin Sammler auf der ganzen Welt, hat ihre Arbeiten in Personalausstellungen in Prag, Kairo, Washington oder Moskau gezeigt. 2018 wurde ihr von Bundespräsident Alexander van der Bellen das „Goldene Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich“ verliehen, für ihr „umfassendes künstlerisches Schaffen“ – dieses sollte bald in einer entsprechenden Ausstellung auch in Österreich gewürdigt und einem breiten Publikum zugänglich gemacht werden.      

Ursprung, Ausschnitt, 2020
Foto: P.F.

Skulpturenhaus Hortensia
Müllegg 15, 8524 Bad Gams
Öffnungszeiten ganzjährig nach ­Voranmeldung

www.skulpturenhaus.at