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Kulturpolitik als offen partizipativer Prozess

Foto: Marija Kanizaj

Mit der Kulturstrategie 2030 soll die steirische Kulturpolitik in die Zukunft getragen werden. Kulturschaffende wirken aktiv an der Erarbeitung mit und können so ihren Bedürfnissen Gehör verschaffen. Landeshauptmann Christopher Drexler beschreibt die Eckpunkte des neuen Konzepts im Interview.

Text: Stefan Zavernik

Die Steiermark ist als Kulturland längst zu einer Marke geworden. Kulturpolitisch scheint in den letzten Jahren vieles richtig gemacht worden zu sein. Wieso braucht es trotzdem eine neue Strategie, um die steirische Kulturpolitik zukunftsfit zu machen?

Wir wollen ein neues Kapitel der steirischen Kulturpolitik aufschlagen. Deswegen gestalten wir die Kulturstrategie 2030 auch als partizipativen Prozess. Etwa mit den acht Regionalkonferenzen, an denen Kunstschaffende selbst mitwirken konnten. Wir wollen nicht stehen bleiben, uns nicht auf der Vergangenheit ausruhen, sondern in die Zukunft blicken. Wir haben zu Beginn dieser Legislaturperiode die bisher getrennten Verantwortungsbereiche allgemeine Kultur und Volkskultur zusammengeführt. Ich glaube, dass allein aus dieser Zusammenführung und dem gesamthaften Blick auf die steirische Kultur schon einmal ein wesentliches Argument für eine neue Kulturstrategie entsteht.

Die Bedürfnisse in den Sektoren Kunst & Kultur und Volkskultur erscheinen sehr unterschiedlich. Was erwarten Sie sich von dieser grundlegenden kulturpolitischen Neuausrichtung?

Ich erwarte mir gegenseitige Befruchtung und Austausch. Die beiden Bereiche sind so eng miteinander verflochten, das sieht man oft erst auf den zweiten Blick. Ich habe in Feldbach einen jungen Mann kennengelernt, der als Musiker sieben Jahre in New York war, eine Big Band hat und jetzt nebenbei Kapellmeister ist. An solchen Beispielen sieht man, dass die einzelnen Personen sich oft in unterschiedlichen Erfahrungs- und Lebenswelten bewegen. Es gibt auch viele Crossover-Projekte, die man nicht eindeutig dem einen oder anderen Bereich zuordnen kann. Außerdem sind viele Wünsche und Sehnsüchte gleich gestrickt. Eine kleine ländliche Kulturinitiative, die sich mit zeitgenössischer Kunst beschäftigt, und eine Schuhplattlergruppe haben ähnliche Bedürfnisse, was Vernetzung und Auftrittsmöglichkeiten betrifft.

Foto: Marija Kanizaj

In den acht Regionalkonferenzen ging es darum, alle Ideen, Kritikpunkte und Anregungen zu den vielseitigen Bedürfnissen der unterschiedlichen Kulturschaffenden in der Steiermark einzuholen. Haben Sie damit gerechnet, dass die steirische Kulturszene so heterogen strukturiert ist?

Damit habe ich schon gerechnet. Was mich an den Regionalkonferenzen aber beeindruckt hat, waren das Engagement und die Vielgestaltigkeit der Überlegungen, die von den Teilnehmenden eingebracht wurden. An den künstlerischen Regionalportraits, die aus den Konferenzen entstanden sind, sieht man, wie kraftvoll die steirische Kultur ist.

Was sind die Schnittmengen aus den unterschiedlichen Bedürfnissen und wo wird es definitiv neue kulturpolitische Zugänge brauchen?

Was sich wie ein roter Faden durchgezogen hat, ist der Wunsch, Kultur und Bildung besser zu vernetzen und gemeinsam mit den Bildungsinstitutionen das Bewusstsein für Kunst und Kultur zu schärfen. Teilweise wurde auch die Komplexität der Förderverfahren kritisiert. Wir als Fördergeber werden diese Herausforderung angehen und versuchen, hier zu vereinfachen.

Ist es realistisch, dass es in Zukunft ein Förderansuchen für alle Stellen, also Stadt, Land und Bund geben kann?

Es wäre schon viel gewonnen, wenn die Kriterien einigermaßen ähnlich wären. Wir werden uns hier sicher auch mit der Landeshauptstadt Graz abstimmen müssen. Gleichzeitig ist es wesentlich, dass wir gemeinsam mit den Gemeinden und Regionen auf die Förderung von Kunst und Kultur setzen können.

Die Grundsatzfrage, was gefördert werden soll und was nicht, ist immer ein Thema. Auf der einen Seite stehen Projekte, die kaum Publikum erreichen können. Auf der anderen Seite gibt es Projekte, die nicht gefördert werden sollen, weil sie wirtschaftlich auf eigenen Beinen stehen könnten. Wann beginnt für Sie ein Kulturprojekt unterstützenswert zu werden?

Die entscheidende Kategorie für eine Förderung durch die öffentliche Hand ist die Qualität des Projekts. Ich darf niemanden dafür bestrafen, dass seine oder ihre künstlerische Arbeit auch beim Publikum gut ankommt. Umgekehrt gibt es natürlich auch Segmente, die nie Massen ansprechen werden. Hier muss man gut austarieren, um ein möglichst breites Spektrum an Kulturschaffen in der Steiermark zu fördern.

Foto: Marija Kanizaj

Ist die Begutachtung von Förderansuchen durch den Kulturbeirat im Rahmen der aktuellen Diskussion ein Thema?

Wir haben gesagt, dass wir alles zur Disposition stellen wollen. Das heißt auch, dass wir am Ende des Prozesses sehen könnten, dass wir Adaptierungen am Kulturförderungsgesetz vornehmen und Abläufe verändern müssen. Auch die Festivallandschaft könnte möglicherweise feinjustiert oder auch ganz umgekrempelt werden. Das alles ist denkbar, wir sind aber noch in der Ausarbeitung.

Ein weiteres großes Thema ist Fair Pay im Kulturbereich. Welche Art der Umsetzung dieses Vorhabens wäre für Sie vorstellbar?

Wir diskutieren den Fair-Pay-Ansatz, also den Versuch, Künstlerinnen und Künstler fair zu entlohnen, sehr intensiv. Wir sind in dieser Frage auch in engem Austausch mit der Bundesebene, mit Staatssekretärin Mayer und Vizekanzler Kogler. Wir werden uns bemühen, die Kategorie „Faire Bezahlung“ in unsere Förderlandschaft einzubauen, sodass wir eine Entwicklung hin zu fairen Verhältnissen unterstützen. Ich gehe davon aus, dass dies ein Thema ist, das die Förderung von Kunst und Kultur in den nächsten Jahren maßgeblich bestimmen wird.

An der Erarbeitung der Kulturstrategie ist besonders spannend, dass die Akteurinnen und Akteure selbst eingebunden werden. Hat es so etwas zu einem anderen politischen Thema schon einmal gegeben?

Wir haben, als ich für das Gesundheitsressort in der Landesregierung zuständig war, etwa bei der Erarbeitung des Gesundheitsplan 2025 auf die breite Einbindung von Expertinnen und Experten gesetzt. Mit Heidrun Primas und Werner Schrempf haben wir jetzt zwei externe Begleiter. Sie haben im Vorfeld der Regionalkonferenzen die Protagonistinnen und Protagnisten der steirischen Kulturszene besucht und eingeladen mitzuwirken. Ich glaube, dass die Einbindung der Akteurinnen und Akteure bei uns besonders intensiv und noch radikaler ist als bei anderen ähnlichen Projekten.