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Publikumsliebe auf den ersten Blick

Foto: Johannes Gellner

Mit der Theaterproduktion „100 Songs“ stellt sich ein viel versprechender KUG-Schauspiel-Jahrgang vor. Nicht zum ersten Mal …

Text: Heimo Götz

„Jeder spielt eine Rolle“ lautete vor vielen Jahren ein Claim zur Kampagne des Grazer Schauspielhauses. Auf den Plakaten zu sehen waren großformatig einzelne Ensemblemitglieder, wie sie vor den Samtvorhang traten. Theater-Werbung, die auf das Ensemble fokussiert, macht eines der stärksten Bande zum Thema, die zwischen Schauspielhäusern und ihrem Publikum zu knüpfen sind: Die Nähe, die sich zwischen Bühne und Auditorium einstellt, wenn es denen da unten möglich ist, die dort oben ein Stück des Weges zu begleiten. Einst prägten Schauspiel- oder Opernensembles die kulturelle Identität einer Stadt, weil das Stammpublikum gemeinsam mit „seinen“ Künstlerinnen und Künstlern alt wurde. Heute gilt es, oftmals verschlungene Lebens- und Karrierewege lieb gewonnener Künstler überregional zu verfolgen.

Das alles ist ein bisschen wie im Fußball, wo Spieler international herumgereicht werden, während Nachwuchsarbeit und nachhaltige Kaderbildung kaum sichtbar sind. Da ist Graz – zumindest im Musik- und Theaterbereich – doch  anders aufgestellt.  Denn hier kann mit dem Veranstaltungsangebot der KUG der Aufbruch des Nachwuchses vom interessierten Publikum verfolgt, können Karrieren von ihren Anfängen weg begleitet werden.

Heute schon die morgen bekannten Gesichter kennen …

Das Gros der jungen Schauspielerinnen und Schauspieler verlässt mit der KUG vorerst auch das Blickfeld ihres Publikums. Manche aber bleiben vor Ort. Dabei können sie an eine bewährte Kooperation anknüpfen, mit der KUG und Schauspielhaus Graz die jungen Mimen schon während des Studiums auf die städtische Bühne holen (aktuell: Once upon Tomorrow im Haus Drei). Eine sogenannte Studio-Kooperation, in deren Rahmen drei KUG-Schauspiel-Studierende das Ensemble verstärken, gibt es zudem mit dem Wiener Volkstheater. Andere Absolventen tauchen in die freie Szene ein und/oder in Film und Fernsehen auf … auch so können Karrieren, deren vielversprechender Beginn auf den Bühnen der KUG zu verfolgen war, weiter begleitet werden.

Foto: E. Koscher

Viele werden sich an Julia Franz Richter erinnern, die von der Uni weg ans Schauspielhaus Graz ging und heute im Volkstheater Wien zu sehen ist – sowie in Kino und Fernsehen (zuletzt als Ermittlerin im niederösterreichischen Landkrimi).  Wer länger dabei ist, kennt Andrea Wenzel, die nach ihrem Abschluss ins Grazer Ensemble wechselte, oder Christoph Luser, bekannt vor allem durch seine zahlreichen Film- und Fernsehrollen. Beide stammen aus Graz oder Umgebung, haben an der KUG studiert und sind inzwischen viel beschäftigte Mitglieder im Burgtheater-Ensemble von Martin Kušej (auch der bekanntlich ein KUG-Absolvent). Last but not least sei hier der jüngste Zugang zum Ermittler-Team des Wiener Tatorts genannt: Christina Scherrer, die dort Thomas Stipsits ablöste, hat ebenfalls in Graz studiert.

Ein außergewöhnlicher Jahrgang

Pandemiebedingt stehen die aktuellen KUG-Studierenden weniger im sprichwörtlichen Rampenlicht. Dennoch gab und gibt es für den 3. Jahrgang einige Gelegenheiten, sich zu präsentieren. So war in einer kurzen „Corona-Pause“  das traditionelle  Sommertheater möglich: Am Hof der KUG wurde ein rasanter Molière gegeben. Und am Schauspielhaus konnte man – siehe oben – die Saison im Haus Drei eröffnen. Hinzu kommen bemerkenswerte Eigeninitiativen. So startete ein Trio aus Studierenden des Jahrgangs das Online-Talk-Format Auf ein Glas mit, bei dem Max Rehberg, Aron Eichhorn und Adele Behrenbeck illustre Gäste zum Reden und Trinken bringen (und dabei die oben skizzierte Beziehungsachse zwischen Künstlern und ihrem Publikum in dieser Stadt noch einmal konstruktiv verstärken): Am Tisch saßen bisher Regisseur Ed Hauwirth, Schauspielerin Grete Tiesel, Trash-Musik-Hero Titus Probst, steirischer-herbst-Intendantin Ekaterina Degot, Schauspielhaus-Intendantin Iris Laufenberg, Theatermusiker Sandy Lopičić oder Dramatiker Ferdinand Schmalz (mehr auf www.instagram.com/auf.ein.glas.mit und
www.facebook.com/Auf-Ein-Glas-Mit).

100 Songs

Im Jänner folgt nun die Hauptproduktion dieses KUG-Schauspiel-Jahrgangs – und die sollte wirklich niemand versäumen. Am Programm ein hochaktueller Text: Roland Schimmelpfennigs 100 Songs. Es geht um eine  Gruppe von Menschen: Männer, Frauen, Kinder. Sie alle sitzen gemeinsam in einem Zug, ohne zu wissen, dass dies die letzte Fahrt ihres Lebens sein wird. Weil der Zug explodieren wird. Die Frage, der sich Schimmelpfennig mit diesem Text stellt, ist: Wie kann das Unfassbare beschrieben werden? Oder funktioniert nur das Beschreiben der Minuten davor? Als alles noch gut und vielleicht nicht alles einfach, aber trotzdem möglich war. Als die Menschen im Zug noch ein Ziel hatten. Und vielleicht gerade ihr Lieblingslied hörten … 10 junge Schauspielerinnen und Schauspieler halten mit Schimmelpfennigs Text einen Moment fest, der als Brennglas über die Lebensgeschichten dieser Menschen gehalten wird, lassen diese lebendig werden, zeichnen Spuren nach. Bis Kellnerin Sally, die gerade Bette Davis Eyes hört, als das Draußen vor ihren Augen explodiert, vor Schreck die Tasse aus der Hand fällt.

Rudolf Frey
Foto: Sven Serkis

Musikalisch begleitet werden die 10 KUG-Schauspiel-Studierenden durch Theatermusik-Studierende von Sandy Lopičić, die Ausstattung stammt von der Bühnenbildstudierenden Eunike Koscher, die dem KUG-Publikum bereits durch ihre Arbeit für die im MUMUTH gezeigte Offenbach-Operette Orpheus in der Unterwelt bekannt ist. Eine Entdeckung für Graz ist auch der junge Regisseur dieser Schauspiel-Produktion: Der 1983 in Salzburg geborene  Rudolf Frey konnte  als Regieassistent am Burgtheater Wien mit Stars wie Andrea Breth, Karin Beier, Luc Bondy und Martin Kušej zusammenarbeiten und ist seit 2007 als freier Regisseur für Schauspiel und Musiktheater tätig. Unter anderem inszenierte er bereits an der Staatsoper Stuttgart, am Gärtnerplatztheater München oder am Burgtheater Wien sowie – um in Österreich zu bleiben – am Salzburger Landestheater, am Tiroler Landestheater Innsbruck, am Stadttheater Klagenfurt, am Landestheater Niederösterreich und am Vorarlberger Landestheater. Ab der Spielzeit 2023/2024 ist Rudolf Frey der Intendant der Vereinigten Bühnen Bozen.    

100 Songs
von Roland Schimmelpfennig

Fr, 14., Sa 15., Mo, 17. – Sa, 22.1.2022′
jeweils 19.30 Uhr
Theater im Palais, Bühne

3. Jahrgang des Instituts Schauspiel
Musik: Studierende von Sandy Lopičić
Regie: Rudolf Frey
Regieassistenz: Theresa Jarcyk
Ausstattung: Eunike Koscher (Studierende Bühnengestaltung)

www.kug.ac.at