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70 Jahre Theater im Keller

Alfred Haidacher, aktueller Kopf des TiK, mit Ruth Pichler bei seinem Debüt mit zarten 19 Jahren

Seit Jahrzehnten ist das Theater im Keller eine Art Eingangstor für alle, die ernsthaft in die Welt des Theaters eintauchen möchten. Als ganz besonderes Geburtstagsgeschenk hat es nun das Landeswappen des Landes Steiermark bekommen.

Text: Lydia Bißmann

Das heutige Theater im Keller hat seine Wurzeln in den Laienspielgruppen, die bereits kurz nach dem Zweiten Weltkrieg wieder neu entstanden. Intention dafür war nicht nur der Wunsch, das Theater wieder aus dem Trümmern auferstehen zu lassen, sondern auch der Bedarf nach Beschäftigungsmöglichkeiten für die Jugend, die nach dem Krieg praktisch nicht mehr vorhanden waren. Die 1951 gegründete Theatergruppe „Die Spielvögel“ konnte ab 1963 Kellerräumlichkeiten in der Grazer Merangasse für ihre Aufführungen nutzen, seit 1969 wurde dann der Name „Theater im Keller“ verwendet. Gründer Ingobert Wampera bekam 1970 die Agenden der neuen Abteilung des Landesjugendreferats, der Spielberatung, übertragen. Die Beratung gibt es immer noch, nach Ed Hauswirth (Theater im Bahnhof) ist aktuell Christian Ruck für die Beratung und Begleitung freier Theater als Landespielberater tätig. Nach einer Zwischenstation in der Mondscheingasse erfolgte im Jahr 1973 die Übersiedlung an den noch heute genutzten Standort in der Münzgrabenstraße. In seiner langen und wechselvollen Geschichte wurde das Theater im Keller zu einem fixen Bestandteil der Kulturszene der Stadt und der gesamten Steiermark.

TiK-Mastermind Alfred Haidacher, vor einer Arbeit von Willy Rast in der Achtzig-Redaktion

Offene Arme für echte Theaterfans

Das Theater im Keller ist das älteste freie Theater Mitteleuropas und ist eines der ältesten der Welt. Wegen seiner wichtigen Bedeutung für das Kulturleben der Steiermark bekam es im September das Landeswappen als Auszeichnung verleihen. Nach vielen Jahren der unermüdlichen Arbeit und dem Kampf mit finanziellen Schwierigkeiten ist aus dem Kellertheater ein fruchtbares und buntes Theaterbiotop entstanden, das viele große Namen hervorgebracht hat und untrennbar mit der freien Szene im ganzen Land verbunden ist. „Wir sind ein Erstbegegnungsort für alle, die sich ernsthaft für das Theater interessieren. Zu uns kann jeder kommen“, erklärt Alfred Haidacher. Der ausgebildete Musikwissenschaftler und Schauspieler ist selbst seit 1981 im Theater im Keller mit an Bord, hatte Engagements im Schauspielhaus und in der Oper, aber blieb dem freien Theater immer treu. 2005 übernahm er dessen Leitung. Egal ob mit oder ohne professionelle Ausbildung: Wer will, kann im Theater im Keller mitmachen und sehen, ob es auf oder hinter der Bühne für ihn funktioniert. Ein Team von Schauspielern und Theaterpädagogen, Beleuchtern und Bühnenbildnern zeigt am „lebenden Objekt”, wie professionelles Theater mit sehr begrenzten Mitteln aussieht und sich anfühlt. Hierbei geht es aber um mehr als nur um das Schnuppern von Theaterluft. Einsatz und Engagement ist die wichtigste Eigenschaft, die man mitbringen muss. 2005 wurden auch die Kellerkinder, eine Jugendtheatergruppe, gegründet. Echtes Commitment und Leidenschaft waren die einzigen Voraussetzungen, die die Jugendlichen beisteuern mussten. Seminarbeiträge wurden keine erhoben. Neben der unentgeltlichen Ausbildung wurden junge Talente auch bei der Ablegung der paritätischen Prüfung für Schauspiel in Wien unterstützt oder für Aufnahmeprüfungen an Hochschulen vorbereitet. Michaela Klamminger, die jetzt an der Josefstadt in Wien engagiert ist, war neben vielen anderen bei den Kellerkindern aktiv. Leider liegt die Nachwuchsgruppe derzeit aus finanziellen Gründen auf Eis.

Wolfram Berger und Erhart Koren in Noch zehn Minuten bis Buffalo von Günter Grass (1964)

Unbekanntes und Neues entdecken Neben Licht, Akteuren, Kostümen und Bühnenbild braucht man aber auch Stücke, die gespielt werden. Seit langem pflegt das Theater im Keller eine Tradition der Erst- und Uraufführungen. Es ist auch ein wichtiger Dreh- und Angelpunkt für Grazer, steirische und österreichische Autoren, die manchmal auch Aufträge für Stücke erhalten. Es ist aber auch ein innovatives Theater, trotz des großen historischen Erbes. „Wir machen literarisches, erzählendes Theater. Auch wenn das oft nicht für ‚modern‘ gehalten wird, ist es das, was wir eben tun“, betont Haidacher. Anfang der 60er-Jahre wurde Wolfgang Bauers Katharina Doppelkopf uraufgeführt, später Batyscaphe und im Herbst 2003 erstmals vollständig auf Deutsch in Anwesenheit des Autors dessen Stück Woher kommen wir, wer sind wir, wohin gehen wir. „Classics in the Basement“ ist eine der losen Reihen, die das TiK hervorbrachte, wo sich junge Autoren mit Klassikern auseinandersetzen und deren Texte einfach neu schreiben. Neben den Kellerkindern ist auch das Projekt „Unbekannte Nachbarn“ ein Riesenschatz, den es noch immer zu bearbeiten gilt. Im Rahmen von „Unbekannte Nachbarn“, einem Projekt des TiK für das Kulturhauptstadtjahr 2003, dessen Vorarbeiten ab dem Herbst 1999 liefen, wurden in einem länderübergreifenden Dramatikerwettbewerb 680
Stücke gesammelt. Die drei Siegerstücke waren 2003 als Uraufführungen am TiK zu sehen. Der Rest des dramatischen Schatzes aus drei Ländern harrt noch der Entdeckung. Weil es unter den Stückeschreibern immer viel mehr Männer als Frauen gibt, hat das Theater im Keller für sein 71. Jahr beschlossen, ausschließlich Werke aus weiblicher Hand zu inszenieren. Die Erste in der Reihe ist Sophie Reyer, die sich im Stück Veza und Marlen mit den österreichischen Autorinnen Marlen Haushofer und Veza Canetti (deren Stück Der Oger das TiK 2005 im Literaturhaus Graz auf die Bühne brachte) beschäftigt. Inszenierungen von Katharina Tiwald (Bachmann in Leningrad), Sabine Lorenz und Lilly Jäckl werden folgen.

Rosemarie Schrammel und Lisl Kinzl (später Slippek) in der Uraufführung von Wolfgang Bauers
Katharina Doppelkopf (1964)