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Wir wollen keine Natur

Die Installation orbis terrae / Weltkugel von Yvonne Oswald und Karin Pliem in der Ausstel-lung im kunsthaus muerz Foto: Yvonne Oswald

Die Ausstellung „Wir wollen keine Natur“ im kunsthaus muerz thematisiert mittels zeitgenössischer Positionen das Verhältnis zwischen Natur, Kultur und Zivilisation.

Text: Wolfgang Pauker

„Hätten wir – die auf ihren Status des Zivilisiertseins so stolzen Menschen – je erkannt, verstanden oder gar verinnerlicht, dass wir nicht über der Natur stehen, sondern nur in bestem Einverständnis mit ihr leben, existieren können, würden wir nicht jenen Raubbau betreiben, den wir ungeachtet aller wissenden und warnenden Stimmen weltweit und ohne Unterlass an ihr betreiben“, schreibt Lucas Gehrmann, kuratorischer Mitarbeiter in einem Text zur aktuellen Ausstellung im kunsthaus muerz. Weder beim Schürfen nach hochgiftigen, aber hochprozentig vermarktbaren Metallen, bei preiswerten Steaks aus Massentierhaltung oder der Pflege unseres Rasens mit Insektiziden denken wir an sie. „Wir wollen sie nicht in unserer Nähe und im Bewusstsein haben, wir schätzen sie allenfalls als Freizeit-,Environment‘, durchpflügen sie mit akkubetriebenen Mountainbikes oder betrachten sie aus Kabinen von Kreuzfahrtschiffen. Nein, wir wollen keine Natur! Sie soll draußen bleiben, uns bloß nicht zu nahekommen oder uns in unseren Agitationen behindern“, so Gehrmann.

Daniel Spoerri, Putzerfische, 2010

Anders verhält es sich in der Kunst. Dort boomt die Natur. Kaum eine Biennale oder andere Großveranstaltung zur Gegenwartskunst, die sich heute nicht diesem Thema widmet. Wie aktuell auch die Gruppenausstellung in Mürzzuschlag. Denn die Sprache der Kunst verfügt mehr noch als die der Wissenschaften über ein Instrumentarium, das potenziell interkulturell verständlich ist. Der UN-Generalsekretär formulierte die Problematik im Februar 2021 im Report „Making Peace with Nature“ noch drastischer: „Die Menschheit führt einen Krieg gegen die Natur. Das ist sinnlos und selbstmörderisch.“ Mit welchen Mitteln soll nun dieser „Krieg“ beendet werden? Mit wirtschaftlichen, mit finanziellen? Letztlich wohl mit sozialpolitischen. Die Schau gibt deshalb Ausblicke auf ein besseres, von Kriegsnarrativen freies Verständnis von „Natur“ – der wir letztlich alle zugehören. Neben und mit Werken der zeitgenössischen Kunst werden auch ausgewählte Artefakte der älteren europäischen Kulturgeschichte aus der Sammlung Cajetan Gril, dem Kurator der Schau, gezeigt.     

Martin Walde, steamed quince, 2018

Zu sehen bis 22.8.2021 (Do–Sa: 10–18 Uhr, So: 10–16 Uhr)

Künstler*innen: Christy Astuy, Lorenz Estermann, Abbé Libansky, Yvonne Oswald, Karin Pliem, Renate C. Z. Quehenberger, Daniel Spoerri, Gabriele Sturm, Martin Walde

22.8., 16 Uhr: Finissage mit Katalogpräsentation, ­Leseperformance von Cajetan Gril & ­Lucas ­Gehrmann, Musik und Kunst-Buffet

Kunsthaus muerz, Wiener Straße 35, 8680 Mürzzuschlag

www.kunsthausmuerz.at