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Ladies First! Bilder, Biografien, Bourgeoisie

Mara Schroetter-Mallicky, Plakat "Mirus. Antinikotin" (überarbeitet), Ausschnitt, 1919 Foto: MAK

100 Jahre weibliche Kunst in der Steiermark: Die Neue Galerie Graz zeigt ab 25. September erstmals einen Überblick über steirische Künstlerinnen zwischen 1850 und 1950. Gudrun Danzer hat sie gemeinsam mit Günther Holler-Schuster kuratiert und sich mit uns darüber unterhalten.

Text: Lydia Bißmann

Warum haben Sie in der Ausstellung „Ladies First!“ ausgerechnet diesen Zeitraum beleuchtet?

Für Künstlerinnen, die um 1850 geboren worden sind, war es in diesem Zeitraum zum ersten Mal möglich, selbstständig als freischaffende Künstlerinnen zu arbeiten. Hier beginnt die Emanzipation der Künstlerinnen, die dann bis zum Zweiten Weltkrieg beinahe Gleichberechtigung erreichten. Ab 1950, aber auch schon in der 1. Republik, gab es eine andere rechtliche Situation für Frauen allgemein.

Nach welchen Kriterien wurden die 63 Künstlerinnen ausgewählt?

Wir haben in der Neuen Galerie ein Künstlerinnen- und Künstler-Archiv, das seit dem Zweiten Weltkrieg geführt wird. Das haben wir auf Frauen durchforstet und überprüft, ob ihr Schaffen als eigenständiges Werk bestehen kann. Dabei haben wir einige interessante Entdeckungen gemacht. Marie von Auersperg etwa, die als geborene von Attems und Tochter des Landeshauptmannes eine fantastische Blumenmalerin gewesen ist. Oder Therese Eissl, die in den 1830er-Jahren eine eigene Kunstschule in Graz gegründet hatte und deren Werk in der Sammlung wir ihr jetzt erstmals zuordnen konnten.

Gudrun Danzer, Kuratorin, Neue Galerie Graz
Foto: Petra Maier

Die Phrase Ladies First galt damals in der Kunst so gar nicht – welche Hürden für weibliche Künstlerinnen gab es?

Das beginnt in der Ausbildung. Die großen Akademien bildeten Künstler aus und sind für weibliche Studierende erst nach 1918 zugänglich geworden. Viele Frauen waren auf Privatunterricht angewiesen. Ein Vorwand, Frauen aus den Akademien auszuschließen, war auch jener, dass die damals ausschließlich männlichen Modelle Damen nicht zumutbar waren. Ich habe mich bemüht, Akte für die Ausstellung Ladies First! zu finden. Das war nicht leicht. Die Grazer Landeszeichenakademie hatte allerdings schon Anfang des 19. Jahrhunderts eine eigene Klasse für Frauen. Viele Frauen haben dort für den Hausgebrauch malen gelernt, ohne in ein selbstständiges Künstlertum gehen zu wollen. Das Vorurteil, dass Frauen zwar handwerkliches und kreatives Geschick besitzen, aber eben kein „Genie”, zieht sich bis in in die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg hinein.

Marie Auersperg, „Vasen mit Blumen“, 1840er

Welche Rolle spielte der familiäre oder soziale Hintergrund bei den Künstlerinnen?

Auffällig viele Frauen waren Offizierstöchter. Es gab im 19. Jahrhundert nur ganz wenige, die nicht aus betuchten oder adeligen Familien kamen. Malen hat zur Allgemeinbildung von höheren Töchtern gehört, bevor sie in die Ehe geschickt wurden. Viele Künstlerinnen haben sich gegen dieses Rollenbild gestellt und gar nicht geheiratet. 28 der 63 behandelten Künstlerinnen in der Ausstellung blieben ledig. Für Ehemänner war es oft peinlich, wenn Frauen eigenes Geld verdienten. Die Herkunft zeigt sich auch in der Motivauswahl. Erst in der Republik haben Frauen in der Steiermark auch kontroverse Themen dargestellt, wie die Expressionistin Alwine Hotter. Zuvor gab es häusliche Szenen, Stillleben, Gärten, Blumen und Landschaften. Man hat schon das Gefühl, dass Frauen dieses Frauenbild selbst bestätigen, obwohl sie selbst weitgereiste Personen waren, die aus diesen Rollen ausgebrochen sind. Dabei darf man aber auch nicht vergessen, dass diese Motive damals eben gerne gekauft wurden. Das ändert sich nach dem Ersten Weltkrieg. Mit dem Aufkommen der Avantgarde konnte die gutbürgerliche Herkunft dann auch zum Problem werden.

Wie führen Sie die Besucher durch die Ausstellung „Ladies First!“?

Die Ausstellung ist chronologisch aufgebaut. Wir haben uns bemüht, Porträtfotos der Künstlerinnen zu finden und diese mit ihren Werken und zugegeben recht viel Text zu arrangieren. Die Biografien sind wichtig, da sie Auskunft darüber geben, unter welchen Umständen Frauen damals als freischaffende Künstlerinnen tätig sein konnten. Wie ist es ihnen damals gegangen? Männerbiografien sind oft ganz anders als Frauenbiografien. Bei Männern verlaufen sie sehr geradlinig: Geburt, Ausbildung, künstlerische Entwicklung. Bei Frauen gibt es viel mehr Unterbrechungen. Sie haben begonnen zu malen, dann vielleicht Kinder bekommen, Eltern gepflegt oder etwas anderes gemacht und erst nach einer Zeit wieder ausgestellt oder verkauft. Das ist heute gar nicht so viel anders.  

Olga Granner-Miles, „Selbstbildnis mit Schwester“, 1900

Ladies First! Künstlerinnen in und aus der Steiermark 1850–1950

25.9.20 – 21.2.21, Open House: 26.9.20, 10–17 Uhr bei freiem Eintritt und in Anwesenheit der Kuratoren

Neue Galerie Graz, Joanneumsviertel

Zur Ausstellung erscheint ein 400 Seiten starker Katalog, hrsg. von Gudrun Danzer mit den Biografien der Künstlerinnen und ca. 350 Abblidungen, Leykam Verlag.