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Klangforum Wien: Innenhof-Konzerte für ganz Graz

Ensemble Klangforum Wien Foto: Tina Herzl

40 Konzerte à 30 Minuten an 3 Tagen: Drei- bis siebenköpfige Formationen des Klangforum Wien stellen die Klangqualität von 21 Innenhöfen auf die Probe und verwandeln sie in Konzertsäle für Neue Musik. Intendant Paul Kainrath spricht im Interview über den Übergang des privaten und öffentlichen Raums hin zum gemeinsamen Klangerlebnis.

Text: Natalie Resch

Mit Happiness – Seriousness / A Counterpoint hat sich das international besetzte Ensemble einiges vorgenommen. Das Kulturjahrprojekt sei der Versuch, urbane Wirkungsräume aufzubrechen, den traditionellen Erlebnisraum Konzertsaal aufzubrechen und hautnahe Begegnungen mit dem Neuen in der Musik zu ermöglichen. Vor dem Hintergrund digitaler Erschöpfung und der Notwendigkeit, auf absehbare Zeit covid-19-kompatible Konzertformate für den Kultur- und Musikbetrieb zu entwickeln, hat das Klangforum Wien die ursprünglich für Grazer Wohnzimmer konzipierten Konzerte in Innenhöfe unterschiedlicher Grazer Wohngebiete verlagert.

Welche Erzählung steht hinter der Auswahl der Innenhöfe?

Wir wollen den Grazer Bürgern so nah wie möglich kommen. Und wenn das Wohnzimmer als intimster urbaner Raum begriffen werden kann, sind die Innenhöfe die erweiterte Form davon. In diesen pandemischen Zeiten erhalten die Innenhöfe eine neue Qualität als Orte des Erlebens. Wir wollen da die Kraft unerhörter, weil kaum gehörter Musik hineintragen. Der Innenhof ist ein Raum der Begegnung, im vertrauten Rahmen und stärkt das kollektive Verbundenheitsgefühl

Intendant Peter Paul Kainrath

Sind die Bewohner bereits informiert oder wird es ein Überraschungskonzert?

Die Bewohner wurden vorab informiert. Wir haben jene Innenhöfe ausgewählt, die uns akustisch besonders interessant erscheinen und ein Erleben der Konzertdarbietungen auch von Balkonen und Fenstern aus ermöglichen.

Sie spielen mit dem städtischen Raum als Klangkörper: Wie viel Nähe braucht ein Konzert, wie viel Distanz verträgt es?

Musik hat eine unglaubliche Bandbreite an Wirkungskraft – aus nächster Nähe ein fortissimo zu erleben und aus größter Distanz eine pianissimo: Fernmusik zu erleben zeigt schon auf, dass Musik einen Raum durchmisst. Musik in den Innenhöfen kann im Idealfall ein neues Bewusstsein für den Raum schaffen, den man mit allen anderen Bewohnern der Wohnanlage teilt.

Seit seinem Entstehen widmet sich das Klangforum Wien innovativen Zugängen zur Musik. Was zeichnet sein aktuelles Schaffen aus?

Das Klangforum Wien ist seit seiner Geburtsstunde vor 35 Jahren eine Exzellenzeinrichtung. Vom Gründer Beat Furrer über die beiden Folgeintendanten Peter ­Oswald und Sven Hartberger hat man immer kompromisslos am jeweils avanciertesten Punkt des Neuen in der Musik gearbeitet. Das Neue in der Musik zu befragen, ihm auf der Spur zu sein, gehört zu den spannendsten Kulturleistungen und erfährt gerade in der aktuellen Pandemie nochmals an enormer Schubkraft; diese wirkt wie ein Meteoriteneinschlag im kulturellen Bewusstsein und wir sind uns sicher, dass sich dies in vielerlei Hinsicht manifestieren wird. Bei allen gigantischen Herausforderungen, vor der wir alle stehen, kommen vielleicht gute Zeiten für das Neue im Denken.

Foto: Robert Lettner

Stichwort Pandemie und Herausforderung: Wie wirkt sich Covid-19 auf die Zusammenarbeit zwischen den Musikern des Ensembles aus? Die Mitglieder kommen ja aus aller Welt.

Die Mitglieder des Ensembles wohnen mehrheitlich in Wien. Die Pandemie darf nicht dazu führen, dass wir uns einigeln. Wir nützen aktuell das weltweite Netzwerk des Klangforum Wien, um unterschiedlichste Projektentwicklungen anzugehen; wir müssen neu und weiterhin groß denken. Die Ausgangsbeschränkung hat im Ensemble dank intensivierter Begegnungen im digitalen Raum zu einem interessanten Schub in der ensembleinternen Gesprächskultur geführt.

Wirken Grazer Musiker mit an „Happiness – Seriousness / A Counterpoint“?

Wir sind seit vielen Jahren Graz sehr verbunden; dieses Projekt bestreiten wir mit eigenen Kräften und verstehen uns dabei auch als kommunikativer Verstärker der wunderbaren Grazer Einrichtung „haus.kultur“*.

Inwieweit stehen Sie mit der Kunstuniversität Graz in Austausch?

Das Klangforum Wien hat die Ehre, einen Lehrstuhl an der Kunstuniversität Graz zu bekleiden. Mit dem Lehrgang PPCM – Performance Practice in Contemporary Music – sind wir gewissermaßen Professor Klangforum und können die enorme Erfahrung des Ensembles an die nächste Musikergeneration weitergeben, auf dass das Feuer für das Neue in der Musik weiter brennen kann.

*Dabei handelt es sich um Nachbarschaftskonzerte direkt in den Siedlungen, vom Grazer Musiker Erich Oskar Hütter initiiert und gemeinsam mit dem Projektpartner Wohnbaugruppe ENNSTAL realisiert (hauskultur.at)      

Foto: Robert Lettner

Kulturjahrprojekt des Klangforum Wien: Happiness – Seriousness / A Counterpoint

Innenhofkonzerte: 6.–8. August 2020

Konzerte: 16. und 17. August 2020

klangforum.at