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Zurück zum analogen Kulturgenuss

Der Elch vom Dachstein im Museum Gröbming

Galerien und Museen waren die ersten Kulturbetriebe, die durch ihre Öffnung wieder ein Stück Normalität gebracht haben, und sie werden wohl auch im Sommer das Hauptangebot im Kulturbereich stellen. Etwa 3 Millionen Objekte zeugen in steirischen Museen und öffentlich zugänglichen Sammlungen von unserer Vergangenheit und bilden Brücken zu unserer Gegenwart – von archäologischen Sensationsfunden, ernährungstechnischen Ratschlägen und steirischen Elchen – der steirische Museumssommer hat einiges zu bieten!

Text: Anja Weisi Michelitsch

Die östlichen Ausläufer des Dachstein­plateaus sind überwiegend von ausgedehnten Nadelwäldern bedeckt, in höherer Lage vorwiegend Lärche und Zirbe. In flache, vom Gletscher geformte Mulden treten kleine Seen – eine Landschaft, die einst dem bei uns heute ausgestorbenen Elchwild gute Lebensbedingungen bot.

Das Skelett eines Tieres dieser Gattung findet man überraschenderweise im Heimatmuseum Gröbming. Die Überreste des ca. 1.000 Jahre alten „Elchs vom Dachstein” stammen aus der Schartenhöhle und wurden 1978 von Ausseer Mitgliedern des Landesvereines für Höhlenkunde geborgen und durch das Naturhistorische Museum Wien zusammengesetzt.

Im Sommer wird auf Initiative von Dr. Wilfried Seipel, ehemals Leiter des Kunsthistorischen Museums in Wien, eine Ausstellung präsentiert, welche die Besucherinnen und Besucher weit in die Urzeit des Menschen zurückführt. Vom Ursprung der Kunst – die Bilderwelt der Eiszeit nennt sich die Schau, die anhand von Fotografien, Grafiken und zum Teil mit originalen Funden aus der Altsteinzeit interessante Einblicke in die ältesten Zeugnisse menschlicher Kunst gibt und damit auch die „Bemühungen des Menschen, seine unwirtliche und eiskalte Welt auf schöpferische Weise zu bewältigen” (zit. Seipel) aufzeigen möchte.

In einer Neuaufstellung und Neugestaltung präsentiert sich das Museum nicht nur mit den ältesten Erbstücken der Gröbminger Vergangenheit, sondern ­bereitet auch dem berühmtesten Sohn Gröbmings, Dr. Franz Xaver Mayr, ein Andenken. Der Arzt setzte mit Aussagen wie „Sauberes Blut ist die beste Kosmetik“ neue Maßstäbe in der Medizin und wies damit auf die wahre Bedeutung unserer Nahrungsmittel hin. „Du bist, was du isst” klingt heute in vielen Köpfen als mahnendes Bekenntnis nach.

Ab in den Süden

Etwa zwei Kilometer westlich der Stadt Leibnitz liegt der sogenannte Frauenberg. Er wurde in der Steinzeit von ersten Ackerbauern der Region besiedelt und erlangte unter den Kelten als befestigter Fürstensitz und religiöses Zentrum überregionale Bedeutung. Unter den archäologischen Fundstellen Österreichs nimmt dieser Ort als Kultstelle, Heiligtum und Siedlungsplatz unterschiedlicher Epochen und der damit einzigartigen Konstellation eine besondere Rolle ein.

Eine Rückbesinnung auf eine Jahrtausende währende Kultkontinuität ermöglicht der Besuch des Tempelmuseums Frauenberg, welches Funde aus 6.000 Jahren und ein in rund 70 Jahren Forschungsarbeit zusammengetragenes archäologische Erbe aufbereitet hat. Das denkmalgeschützte Museumsgebäude steht auf den Grundmauern eines römischen Tempels – dem ältesten freistehenden Mauerwerk der Steiermark –, inmitten des einstigen Kultbezirkes der Stadt Flavia Solva.

In einer Atmosphäre des Erinnerns, Erlebens und Reflektierens spannt man dort den Erzählbogen von der keltischen Ammengöttin über die römische Isis-Noreia bis hin zur christlichen hl. Maria. Heute bildet ja die Marienwallfahrtskirche den religiösen Mittelpunkt des Frauenberges.

In der diesjährigen Sonderausstellung Geld•Kult werden Funde aus dem römischen Heiligtum das Thema Geldwesen in keltischer und römischer Zeit beleuchten. Das Team rund um Dr. Bernhard Schrettle, wissenschaftlicher Leiter des Tempelmuseums, verweist stolz auf das Highlight dieser Ausstellung, einen Sensationsfund der archäologischen Grabung im Freigelände des Tempelmuseums. Es handelt sich dabei um zwei keltische Goldmünzen, die ältesten Münzen der Steiermark, die erst 2019 gehoben wurden.

Mit seinen schattigen Sitzgelegenheiten bietet das weitläufige Freigelände einen eindrucksvollen Rundumblick und ein liebevoll angelegter römischer Kräutergarten lädt zum Verweilen, bevor man von der Aussichtsplattform einen Blick auf Flavia Solva wirft.

Um das archäologische Erbe stärker sichtbar zu machen, haben sich die in der Südweststeiermark tätigen archäologischen Initiativen bereits 2019 zum Projekt „ArchaeoRegion Südweststeiermark“ zusammengeschlossen, um sich und die wichtigsten Fundstellen der Region in einem gemeinsamen Internetauftritt zu präsentieren.

Wandel durch Klima

In geschichtsträchtigen Mauern, nämlich einem Hartberger Herrenhaus, dem sogenannten Steinpeißhaus, ist auch die Dauerausstellung des Museums Hartberg untergebracht.

Wissenswertes über die Römerzeit und die Besiedlung des Ringkogels sowie Fundstücke aus den Metallzeiten und der Jungsteinzeit sind Teil des Streifzuges, der die Historie der Stadt rückläufig aufrollt. Besucherinnen und Besucher erhalten Einsicht in die Kriegs- und Wehrgeschichte, erfahren über den Kampf gegen die Türken und Kuruzzen sowie über die Sozial- und Rechtsgeschichte, welche ins Mittelalter und die frühe Neuzeit führt. Herzstück ist ein altes Klassenzimmer, das Mitte des 20. Jahrhunderts tatsächlich so in Betrieb war und von dem aus man bedeutsame Ereignisse des 20. Jahrhunderts betrachten kann.

Nach Stadt im Wandel folgt in diesem Jahr im Museum Hartberg die Ausstellung Klima im Wandel – Wandel durch Klima. Wetterdaten bzw. Wettergeschichten der letzten 100 Jahre in Hartberg und in der Steiermark werden ebenso wie gesellschaftliche Wandlungen durch Klima­änderungen im Laufe der Geschichte thematisiert und stellen Hartberg als Klima­bündnisstadt in den Fokus der Betrachtung.

Gegen das Vergessen

Wer das Besondere sucht, findet das im Schloss Lind bei Neumarkt, in dem auf rund tausend Quadratmetern das ANDERE heimatmuseum untergebracht ist. Seit 1996 beschäftigt man sich dort in Form von „assoziativen Installationen“ und Sonderausstellungen mit der jüngeren Zeit- und Sozialgeschichte.

Initiiert wurde dieses „Gesamtkunstwerk” vom Künstler ARAMIS (1950–2010), dem auch eine Personale mit jährlich wechselnden Schwerpunkten gewidmet ist. Seit 2011 trägt die als Zentrum für regionalspezifische Kunst und Erinnerungskultur geführte Institution die Handschrift von Britta Sievers und die des Autors und Theatermachers Andreas Staudinger. Neben der Dauerausstellung das Eigene & das Fremde findet man auch eine Erinnerungsstätte für das KZ-Nebenlager von Mauthausen, welches sich von 1942–1945 an diesem Ort befand.

Im Areal rund um Schloss Lind befindet sich der frei zugängliche Schlossgarten, der sich nach dem Konzept eines „Friedhofs der Dinge“ den Besucherinnen und Besuchern in besonderer Weise öffnet. An diesem verwunschen anmutenden Ort setzt heuer die Lichtkünstlerin Ada Kobusiewicz mit ihrer Installation erinnern! ein markantes Zeichen gegen das Vergessen.

In der Fotogalerie bewegen sich ­Marie Lenoble und Martha Laschkolnig als das Künstlerinnenduo „one two much“ mit ihren Arbeiten zwischen performativer Objektkunst und Fotografie, Textkunst & Wortspielen und Installation & Performance. Über die Sommermonate lädt man darüber hinaus mit Literatur- und Musikprojekten zu einem Besuch.

Nichts liegt näher als das Nahe

Die zahlreichen Reisen durch digitale Räume in den vergangenen Wochen haben in uns das Verlangen nach analogen Erlebnissen und Orten geschürt. Verlässt man die Landeshauptstadt, die mit dem Universalmuseum Joanneum und Museen wie dem GrazMuseum, dem MUWA oder Diözesanmuseum und deren inhaltlicher Bandbreite bereits viele Interessen abdeckt, so erhält man in den zahlreichen regionalen Museumseinrichtungen nicht weniger professionell aufbereitete Einblicke. Mittlerweile können 44 steirische Museen das Österreichische Museumsgütesiegel ­vorweisen.

Wer nach diesem Amuse-Gueule seinen Kulturhunger stillen möchte, kommt in der Steiermark jedenfalls nicht zu kurz.       

Gridchen Plissnig, LAND IN SICH(T), Video-Performance

Museen nach Regionen geordnet, mit Hinweisen zu Öffnungszeiten, aktuellen Ausstellungen und Routenplaner finden Sie auf der Homepage des Steirischen Museumsverbandes MUSIS.
www.steirischemuseen.at/Museen