Start Kunst & Kultur Kirche und Kunst: Intime Kunstvermittlung und regionale Ausstellungen

Kirche und Kunst: Intime Kunstvermittlung und regionale Ausstellungen

Altes Zeichen neu interpretiert: Kuratorenführung mit Alois Kölbl am 15. 9.+Foto: Diözese Graz-Seckau

Noch bis November dauern die Aktivitäten und Veranstaltungen der Diözese-Graz Seckau anlässlich des 800-jährigen Jubiläums. Die Verbindung von Kirchengeschichte mit moderner Kunst erstreckt sich über die ganze Steiermark.

Text: Lydia Bißmann

Seckau, Stift Admont und das Schloss Seggau sind kunsthistorisch und kirchenpolitisch wichtige Orte in der Steiermark. Drei Ausstellungen im Jubiläumsjahr verbinden dort romanische Schlichtheit und barocken Prunk mit zeitgenössischen Ausdrucksformen aktueller Kunst. Moderne Medien in Video- und Lichtinstallationen treffen auf altehrwürdige Kirchen- und Klostermauern und setzen sich mit dem Wechselspiel zwischen Kirche und Gesellschaft auseinander.

Zurück zum Ursprung

In der Abtei Seckau werden passend zum Gründungsort der Diözese die Begriffe Umbruch Geist & Erneuerung als Klammer für die Zusammenstellung der Exponate gewählt. Der permanenten Ausstellung in der Abtei mit ihrer gerade neu renovierten Basilika wurden eigens darauf abgestimmte Installationen der Gegenwartskunst hinzugefügt. Norbert Trummer hat die Klosterarchitektur in der Abtei tagelang in kleinen Buntstift-Zeichnungen festgehalten und daraus einen animierten Trickfilm erstellt. Nicht nur sakrale Bauwerke, auch die Philosophie und Lebenspraxis der vorherrschenden Religion bestimmt das Leben der Bewohner einer Region. Bis zum Toleranzpatent Josephs II., das die Religionsfreiheit regelte, mussten die Bewohner der Steiermark manchmal innerhalb von wenigen Jahrzehnten die Religion wechseln. Weil es die Machthaber so wollten. Mit der Gegenreformation hat sich Ruth Schnell in ihrer Lichtinstallation kritisch auseinandergesetzt. Eine Leucht­diode sendet zeitversetzt Buchstaben aus, die erst durch die Bewegung des Kopfes des Betrachters zu Wörtern gebildet werden. Mit der auf der Johannes-Offenbarung basierenden theologischen Aussage des Weltenrichters von Heinrich Boeckl, eines der wichtigsten sakralen Kunstwerke österreichischer Nachkriegskunst, hat sich Hermann Glettler in einer meditativen Videoinstallation auseinandergesetzt. Aus der Sammlung des nunmehrigen Innsbrucker Bischofs und Künstlers stammen auch etliche Stücke in der Ausstellung Schönheit & Anspruch im Stift Admont. Hier greift man die Begriffe Schönheit und Anspruch auf. Katholizismus und Kunst waren immer schon eng miteinander verknüpft. Was bedeutet es, wenn kirchliche Institutionen zeitgenössische Kunst sammeln? Erfolgreiche Ausstellungen im Museum für Gegenwartskunst im Stift Admont und im Kulturzentrum bei den Mino­riten haben in den letzten Jahren das Interesse an religiös motivierter Kunst aufleben lassen. Gemeinsam mit Leihgaben aus der QL-Galerie gibt die Ausstellung jetzt darüber Auskunft, wohin sich die moderne Kunst in Hinblick auf die christliche Bilderwelt entwickelt hat. Über 50 Werke von Künstlern wie Günther Holler-­Schuster, Markus Wilfling, Erwin Wurm oder Gustav Troger aus den unterschiedlichen Sammlungen arbeiten sich an den großen Themen wie „Götter der Gegenwart“, „Maria“, „Altäre und sakrale Kleider“ und „Ewiges Leben“ ab.

Lois Renner, „Der Tod“, Sammlung Stift Admont

Grenzerfahrung und Schutzbedürfnis

Mit der Rolle der Kirche als Zufluchtsort, nicht nur in geistiger Hinsicht setzt sich die Ausstellung Grenze Öffnung & Heimat im südsteirischen Schloss Seggau auseinander. Im Mittelalter konnten Stärkere Schwä­cheren Schutz gewähren, indem sie sie symbolisch mit ihrem Umhang bedeckten. Dieser solidarische Akt wurde in die Mariendarstellung übernommen und ist in einer ­sehr beeindruckenden Schutzmantelmadonna zu sehen. Über 80 Schutzbefohlene drängen sich hier unter dem Mantel der Marienfigur von Ptujska Gora aus dem 15. Jahrhundert. Bilder der Fotografin Inge Morath, die in der Grenzregion 2001 ihre letzte Fotoreise auf der Suche nach dem „Paradies ihrer Kindheit“ unternommen hat, beschäftigen sich in der Ausstellung genauso mit den Themen Grenzen, Schutz und Flucht wie Werke von Clemens Hollerer, Kristina Schranz und Edgar Honetschläger.

Schloss Seggau

Die Kunst des Helfens

Angewandt und zeitgenössisch ist auch die Kunst des Helfens, der eine Schau im öffentlichen Raum in Graz gewidmet ist. Orte der karitativen Arbeit wie Notschlafstellen, Beratungseinrichtungen für Männer, Frauen, Kinder und Menschen mit Migrationshintergrund, Essensausspeisungen, Lerncafés und Schuldnerberatung wurden in einer Karte erfasst. Die Akademie Graz konzipierte geführte Themenwege zu Schwerpunkten wie „Wege aus der Armut“, „Wege des Gebens & Nehmens“ und „Fluchtwege und Auswege“. Sie erzählen die Geschichte und aktuelle Situation der Armutsbekämpfung in der Steiermark. Zentrum der Schau und Ausgangspunkt der Führungen ist das Marianum. Die Fassade des Sozialzentrums der Caritas in der Mariengasse wurde dafür von Marlene ­Hausegger künstlerisch adaptiert.

Ruth Schnell, „Ketzer“, QL-Galerie

Geheimtipp für Kunstfans: Kuratorengespräche in Graz

Kurz, aber umso intensiver und aufschlussreicher sind die Kuratorenführungen zu den Ausstellungen in Graz. Dabei werden Hintergründe zur Aufstellung und Auswahl der Werke ausführlicher erklärt und ausgesuchte Bereiche genauer beleuchtet. Am 14. und 28. Juli wird Johannes Rauchenberger zu den Themen „Schutzschild Religion“ und „Macht und Ohnmacht“ im Diözesanmuseum, in der Ausstellung Last & Inspiration vor Ort sein. Der Theologe und Kunsthistoriker, der das Kulturzentrum bei den Minoriten leitet, erarbeitete gemeinsam mit Barbara Steiner und Katrin Bucher Trantow vom Kunsthaus Graz auch die Ausstellung Glaube Liebe Hoffnung. Am 20. und 28. Juli bietet die Reihe „Freitag um Drei“ die Gelegenheit, in theologischen und künstlerischen Disputen mit den Kuratoren Reizworte der Religionsgeschichte wie „Armut“ und „Scheinheiligkeit“ zu behandeln.

Inge Morath, „Marterl“, Grenzübergang bei Pongratzen, 2001
Foto: Magnum Photos / Inge Morath Foundation / Fotohof archiv

Orientierung nach vorne – Jubiläumskreuz am Himmelskogel

Wie beim Kreuz im Grazer Stadtpark, das an den internationalen Katholikentag 1981 erinnert, möchte man auch zum 800-Jahr-Jubiläum ein bleibendes Monument hinterlassen. Abschluss der Festveranstaltungen ist die Aufstellung eines Jubiläumskreuzes, das vom Grazer Medienkünstler Richard Kriesche gestaltet wurde. Am 1. September, am internationalen Tag der Schöpfung in der Ökumene. Die Platzierung des Kreuzes im Hintertriebtal am Himmelkogel wird von einer Open-Air-Aufführung von Joseph Haydns Oratorium Die Schöpfung begleitet. Vorlage für das Libretto ist neben der Genesis und Psalmen auch das revolutionäre Gedicht Paradise Lost aus dem 17. Jahrhundert. Der Text des englischen Vordenkers der Aufklärung John Milton wird nach wie vor gerne in der Populärkultur verarbeitet. Unter anderem vertonten Nick Cave und Pink-Floyd-­Sänger David Gilmour Passagen davon. Milton gilt auch als Wegbereiter des modernen Vegetarismus. Gesungen wird Haydns Werk, der sich laut eigenen Aussagen nie so fromm gefühlt hat wie bei der Arbeit an der Schöpfung, unter anderem auch von einem Anlasschor, der aus Frauen und Männern, die die Schöpfung irgendwann schon einmal gesungen haben, besteht.

Norbert Trummer, „Kreuzgang (mit Säulendetail), Seckau 2017/2018
Foto: Norbert Trummer

Eine Verbindung der Ausstellungen in Graz mit den Aktivitäten in den steirischen Regionen rund um das Geburtstagsjahr der Diözese bietet ein Jubiläumsangebot von Graz Tourismus. Drei Übernachtungen in 4-Sterne-Hotels in Graz und im Schloss Seggau, Führungen in der Grazer Altstadt und im Schloss Seggau, Eintritt in alle Standorte im Universalmuseum Joanneum sowie ein kulinarisches Rahmenprogramm sind darin enthalten.

 

Ausstellungen und Programm

 

Ausstellung Umbruch Geist & Erneuerung

Abtei Seckau, 8732 Seckau 1,
2.5.– 28.10.2018, öffentliche Führungen im Juli und August täglich um 11, 14 und 15.30 Uhr, www.800-jahre-graz-seckau.at,
Tel. 03514 5234 0

Ausstellung Schönheit & Anspruch

Stift Admont, 8911 Admont,
24.4.– 4.11.2018, tägl. 10–17 Uhr,
Tel. 03613 2312 604

www.800-jahre-graz-seckau.at

Ausstellung Grenze Öffnung & Heimat

Schloss Seggau, Seggauberg, 8430 Leibnitz, 2.5.–26.10.2018, Fr 14–18 Uhr, Sa, So und an Feiertagen: 10–16 Uhr, www.800-jahre-graz-seckau.at,
Tel. 03452 82435 0

Geführte Themenwege in Graz:

Wege des Herzens

Mit dem Forum Stadtpark über die konkreten Situationen von Armut in Graz,
Marianum, Mariengasse 24, 11.7.18,
16–19 Uhr

Fluchtwege und Auswege

Geschichte der Flucht und die Möglichkeiten des Helfens in Krisenregionen,
Marianum, Mariengasse 24, 1.8., 16–19 Uhr, Anmeldung erforderlich,
www.akademie-graz.at,
Tel. 0316 837 985 13

Kuratorenführungen:

Kulturzentrum bei den Minoriten,
Mariahilferplatz 3, 13.7., 15–16 Uhr, 26.8., 11–13 Uhr, www.kultum.at

Kunsthaus Graz, Lendkai 1, 20.7., 15–16 Uhr, 26.8., 11–13 Uhr,
www.museum-joanneum.at/kunsthaus-graz

Diözesanmuseum Graz, Priesterseminar, 14.7., 28.7., 15.9. 13.10., 11.15–12.45 Uhr,
20.9., 15.30–17 Uhr,
www.dioezesanmuseum.at

Die Schöpfung in der Schöpfung

Aufstellen des Jubiläumskreuzes, Aufführung von Haydns Oratorium, Himmelkogel, Bergerhube, Hintertriebental, 1.9. 2018, 10 und 15 Uhr, das Ticket ist nur online erhältlich, www.dieschoepfung.at

Kulturerbe Graz und Schloss Seggau

4-tägige Steiermark-Reise mit dem Schwerpunkt „Kultur & 800 Jahre ­Jubiläum ­Diözese Graz-Seckau, Gültig ­bis 31.10.2018, www.steiermark.com ­Tel. 0316 400 30