Start Kunst & Kultur TiK: kreativ, innovativ und immer wieder gefährdet

TiK: kreativ, innovativ und immer wieder gefährdet

TiK Mastermind Alfred Haidacher im Stück "Kohlbein und Schatz".

Neu seit 1951 – für Theaterverliebte und Verrückte: gegründet wurde das TiK im Jahre 1951 aus der Laienspielbewegung „Die Spielvögel“. Aus einer „Probekammer der steirischen Jugend“ wurde über die Jahrzehnte eine professionell geführte steirische Thea­terinstitution, aus der zahlreiche Schauspielkarrieren hervorgegangen sind. Doch wie sieht die Zukunft aus? Alfred Haidacher im Interview.

Text: Stefan Zavernik

Aktuell steht ein Gastspiel des Theater Quadrat am Programm des TiK. Auf die Bühne kommt die Inszenierung von ­George Orwells Roman „1984“. Was erwartet das Publikum?

Wie immer beim Theater Quadrat wird es eine kluge Textexegese aus heutiger Sicht geben. Tatsächlich dient 1984 auch heute noch als Metapher für die Gefahren technischer Überwachungsmöglichkeiten, die in aktuellen Diskursen zu den Themen Daten- und Privatsphärenschutz zum Ausdruck kommen.

Sieht sich das TiK generell als Anlaufstation für freie Theatergruppen? Wer kann bzw. darf im Keller auf die Bühne?

Das TiK sieht sich prinzipiell als Begegnungsort bzw. Erstbegegnungsort mit dem Theater und möglichst vielen seiner Formen. Daher ist das TiK ein offener Ort, der auch anderen Theatergruppen offensteht, und das zu sehr günstigen Bedingungen. Hauptaugenmerk legen wir aber natürlich auf die eigene Arbeit, die für viele ästhetische Zugänge offen ist. So gab es in den letzten Jahren Produktionen, die Performance-Elemente oder Improteile enthielten, es gab Neudeutungen von Klassikern durch österreichische Autoren und generell viele Stückaufträge sowie Übersetzungen und Realisierungen von europäischem, bei uns noch unbekanntem Theater. Generell darf im TiK auf die Bühne, was seinem Gegenstand eine gegenwärtige Betrachtungsweise abringt. Man könnte sagen, das TiK ist neu seit 1951.

Alfred Haidacher im Stück „Aquarium“ des slownischen Autors Ewald Flisar.

In diesem Jahr verzichtet das TiK auf seine traditionsreiche Produktion „Kellerkinder“. Mangelt es in Graz momentan an jungen Schauspieltalenten?

Nein, daran mangelt es nicht. Das TiK will diese seine spezielle Form der Jugendförderung auch nicht aufgeben. Grundsätzlich geht es um die mangelnde Bereitschaft, das TiK in seiner Arbeit zielführend zu unterstützen. Vor allem die Sektion Kunst im Bundeskanzleramt kürzt seit etwa zwei Jahren die Unterstützungen radikal. Da man sich auch alle drei Jahre bei den Neuverhandlungen der mittelfristigen Förderungen Sorgen machen muss – und besonders die Kellerkinder deklariert NICHT gefördert werden, als wäre die ständige Erneuerung, die das TiK durchführt, ein reines Privatvergnügen –, ist es schwierig, überhaupt noch einigermaßen adäquat zu planen. Dass man ein Thea­ter wie das TiK, das seit bald 70 Jahren Überregionalität, Literaturförderung, Jugendarbeit usw. durchführt, seine Aufgaben übererfüllt und damit seine Fähigkeit zur nachhaltig wirksamen Kunstproduktion immer wieder unter Beweis gestellt hat und stellt, nicht fraglos sichern will, tut weh. Seit einem Jahrzehnt arbeitet das TiK am untersten Limit seiner Produktionsmöglichkeiten und stellt Jahr für Jahr fünf bis sechs Neuproduktionen auf die Beine – trotzdem scheint man sich bloß Gedanken darüber zu machen, wie viel man diesem Theater noch weiter wegnehmen kann. Das ist eine schleichende Vernichtungsstrategie, keine Kulturförderung.

Seit vielen Jahrzehnten setzt das TiK auf unbekannte Stücke und Autoren. Ur- und Erstaufführungen waren und sind bis heute das Aushängeschild. Welches Publikum wird damit vorwiegend angesprochen?

Idealerweise jeder und jede – und ­somit jegliches Publikum. Erfreulicherweise hat über das letzte Jahrzehnt eine massive Verjüngung des Publikums eingesetzt, ohne dass wir frühere Stammgäste verloren hätten. Das TiK ist somit ein Liebhabertheater, das aufgrund der vielfältigen künstlerischen Zugänge, die es abbildet, immer wieder neu zu wirken versteht. In einem alten Leitbild des TiK ist schriftlich festgehalten, dass das TiK ein Theater „für (Theater-)Verliebte und Verrückte“ ist. Diesem bei Shakespeare entliehenen Motto sind wir noch immer treu.

Wohin wird sich das TiK in Zukunft ­orientieren?

Das TiK orientiert sich immer nach vorne – wenn man es lässt. Wir verlangen ja noch nicht einmal irgendwelche fantastischen Erhöhungen unserer Unterstützungen, moderate Anpassungen wären natürlich trotzdem erfreulich. Aber wir brauchen die Beibehaltung der bisherigen Unterstützung – wie sie in einigen Fällen bis vor zwei, drei Jahren üblich war –, um gedeihlich planen und arbeiten zu können. Pläne für die Ausweitung der überregionalen Aktivitäten – Slowenien, Italien, Ungarn, Slowakei und andere – gibt es, auch Stückaufträge sind vergeben, darunter eine neue Grazcom, eine Sitcom aus und für Graz, die auch das Kulturstadtjahr 2020 beleben soll, die 70-Jahr-Feierlichkeiten 2021 wollen geplant sein. Dann wird das TiK wohl endgültig das älteste kontinuierlich arbeitende freie Theater der Welt sein – Österreich hat‘s, und Österreich ist es wurscht … Inzwischen bereiten wir den Sommer 2018 vor, wo wir im Hof B des Ferdinandeums eine schwarzhumorige ­Komödie eines britischen Drehbuchautors erstmals nach Graz bringen wollen, sowie eine Uraufführung der Österreicherin Sophie Reyer für den Herbst – und ein weiteres Stück, das den politischen Bogen zurück nach 1977 schlägt, Höhepunkt und Anfang der Erosion der Kreisky-Ära, einer Zeit der Hoffnung und des Aufbruchs.

Theater Quadrat zu Gast im TiK: „1984“

Zu sehen noch am 15.6, 16.6., jeweils 20 Uhr

Karten unter www.tik-graz.at

Theater Quadrat mit „1984“ zu Gast im TiK.