Start Kunst & Kultur Lesefestival im KULTUM: Hoffnung als Provokation

Lesefestival im KULTUM: Hoffnung als Provokation

Tom Schmelzer, "maybe next time or when the time is ripe evil will rise", 2012, animated sculpture. Courtesy of the artist.

Weil sie ihr Recht auf Meinungsfreiheit wahrnehmen, werden weltweit Schriftsteller verfolgt. Beim Literaturfestival FREISCHREIBEN im KULTUM erheben sie ihre Stimme für eine hoffnungsvollere Zukunft. Eine Veranstaltung im Rahmen des steirischen herbst.

Text: Julia Braunecker

Auf der ganzen Welt toben Kriege,  vielerorts ist die Meinungsfreiheit in Gefahr. Terroristische Anschläge ziehen den Menschen den Boden unter den Füßen weg und in Europa scheitert man an einer gemeinsamen Versorgung der Vertriebenen. Vermehrt melden sich zweifelnde Stimmen zu Wort: Hat die Hoffnung in der Gegenwart überhaupt noch Platz? Wie sollen wir zuversichtlich in die Zukunft blicken, wenn kritische Stimmen zunehmend unter Druck gesetzt werden? Andererseits: Würden ebendiese Menschen gegen Unrechtsregime auftreten, wenn es keine Zuversicht mehr gäbe?

Unter dem Motto „Hoffnung als Provokation“ präsentieren neun international bekannte Autoren ihre Werke, die sich durch literarisches Engagement gegen politische Unterdrückung auszeichnen.

Mutige Autoren aus der ganzen Welt

Im Rahmen des 50. steirischen herbst sucht das Literaturfestival FREISCHREIBEN gemeinsam mit der Ausstellung SPIRO.SPERO nach Antworten. Beim Literaturfestival am 28. September handelt es sich um eine Kooperation zwischen dem Kulturzentrum bei den Minoriten, der Literaturzeitschrift manuskripte sowie dem Grazer Haus für Autorinnen und Autoren, Isop, der FH Joanneum und der Literaturzeitschrift manuskripte. Unter dem Motto Hoffnung als Provokation präsentieren neun international bekannte Autoren Texte, die sie zum Thema geschrieben haben und reden über ihre Erfahrungen, die vielfach durch Widerstand, Flucht oder Migration geprägt sind. Eingeladen wurde auch die Physikerin, Autorin und Journalistin Aslı Erdogan, die wegen ihrer Kolumnen in einer türkisch-kurdischen Zeitung 132 Tage im Gefängnis festgehalten wurde. Da sie auch weiterhin durch den Entzug ihres Passes an der Ausreise gehindert wird, wird ihr Beitrag in einer Videobotschaft zu sehen sein. Im Zuge des Festivals kommt es auch zur Präsentation der 217. Ausgabe der Literaturzeitschrift manuskripte, in der unter anderem sämtliche Texte der Lesung veröffentlicht sind.

Tom Schmelzers Installation „Maybe next time“.

Heilende Wirkung der Worte

Unter den Vorlesenden ist auch der syrische Autor Hamed Abboud. Seine Texte sind ein Beispie­­l dafür, wie persönliche Erfahrungen von Krieg und Flucht zu einer Prosaisierung der Dichtung beitragen. 2012, nach Ausbruch der Revolution in Aleppo, veröffentlichte der junge Syrer seinen ersten Lyrikband. Kurze Zeit später flüchtete er aus seiner Heimat und lebt seit 2014 in Österreich, wo er heuer sein Zweitwerk Der Tod backt einen Geburtstagskuchen veröffentlichte. Ab September verbringt Abboud ein einmonatiges Kurzstipendium im Internationalen Haus der Autoren im Cerrini-Schlössel am Grazer Schloßberg.

Achtzig sprach mit ihm über seinen neuen Lyrikband und den Umgang mit unaussprechbaren Flucht­erfahrungen.

Seit sechs Jahren tobt der Krieg in ­Syrien. Wie schaffen Sie es, zuversichtlich zu bleiben?

Zu flüchten verändert das Leben für immer. Jeder, der so etwas durchlebt, muss seinen eigenen Umgang damit finden. Mir hilft das Schreiben. Bei diesem Prozess bin ich ganz alleine, nur mit mir selbst und meinem Papier beschäftigt. Die Realität ist schwierig und bringt Menschen dazu, verrückte Sachen zu machen. Um nicht depressiv zu werden, suche ich nach Kleinigkeiten, die mir Zuversicht verschaffen. Werde ich nicht fündig, versuche ich die Hoffnung in meinen Texten selbst zu erfinden. Meine Werke sind eine Kombination aus Fiktion und Realität. Auf diese Weise schaffe ich es, weiterzugehen und das Geschehene ein Stück weit hinter mir zu lassen. Würde ich nur über Erlebnisse aus der Vergangenheit schreiben, ohne sie mit der Gegenwart zu verbinden, könnte ich das nicht.

Wie haben Krieg und Flucht Ihr Schreiben verändert?

Vor 2011 studierte ich Telekommunikation und das Schreiben war mein zweites Standbein. Ich beschäftigte mich in erster Linie mit philosophischen Fragen, welche die Liebe, das Leben und mich selbst betrafen. Nach dem Kriegsbeginn entstand der Wunsch, mit meinen Werken eine Veränderung in der Gesellschaft zu bewirken. Während meiner Flucht erlebte ich, dass viele Flüchtlinge nicht über ihre Erlebnisse reden können. Manche Erfahrungen bleiben unaussprechbar. Damit uns die Menschen hierzulande besser verstehen, muss aber jemand zu ihnen sprechen und ihnen erklären, was wir erlebt haben. Als Schriftsteller fühle ich mich für diese Aufgabe verantwortlich.

Hamed Abbouds Texte sind ein Beispiel dafür, wie persönliche Erfahrungen von Krieg und Flucht zu einer Prosaisierung der Dichtung beitragen.
Foto: Nina Oberleitner

Was möchten Sie den Menschen denn mitteilen?

Flüchtlinge werden oft als Zahlen und nicht als Menschen mit Einzelschicksalen wahrgenommen. Ich möchte ihre Geschichten erzählen und ihnen dadurch ein Gesicht verleihen. Denn wenn Menschen ihre persönlichen Erfahrungen teilen, kommen sie einander näher und Vorurteile verringern sich.

Was hat es mit dem Titel Ihres Zweitwerkes „Der Tod backt einen Geburtstagskuchen“ auf sich?

Ich glaube an ein Leben nach dem Tod und daran, dass die Menschen, die wir verloren haben, weiterhin existieren. Wahrscheinlich feiern sie auf der sogenannten „anderen Seite“ ein besseres, befreites Leben. Diese Sichtweise hilft mir, mit den Verlusten umzugehen.

Weshalb ist Ihr Buch zweisprachig?

Mein Buch soll dabei helfen, Grenzen zu überwinden. Daher sind die Texte sowohl auf Deutsch als auch auf Arabisch abgedruckt. Wenn jemand aus Österreich das Buch liest und sich mit einer arabischen Person trifft, können beide gemeinsam darüber sprechen. So kann ein Austausch stattfinden.

Welche Rolle spielte die Sprache nach  Ihrer Ankunft in Österreich?

Flüchtling sein bedeutet, dass dein Wortschatz am Ende ist. Meine Mutter war zwar Englischlehrerin, Deutsch lernte ich aber erst nach meiner Ankunft im Burgenland zu sprechen. Nach sieben Monaten konnte ich mich verständigen.

Wie geht es Ihnen, wenn Sie beim Literaturfestival Menschen treffen, die Ihr Schicksal teilen?

Es hilft mir, zu sehen, dass andere Betroffene ähnliche Gedanken haben wie ich und dass ich mit meinem Erlebten nicht alleine bin. Im Burgenland habe ich zum Beispiel oft die Zugvögel beobachtet. Ich beneide sie, weil sie einfach von einem Ort zum anderen flattern und nicht die Sprache jedes Landes lernen müssen, in das sie fliegen. Später lernte ich einen Autor kennen, der das ganz ähnlich formuliert hat: Warum brauche ich ein Visum, wenn doch die Flüsse die Grenze einfach so überqueren dürfen?

 

FreiSchreiben – Hoffnung als Provokation
Do, 28. 09., 18 Uhr
Kultum [Im Minoritensaal],
Mariahilferplatz 3, 8020 Graz
Eintrittspreis: 7€ / 5€ ermäßigt

Tel.: +43 / 316 / 71 11 33
office@kultum.at / www.kultum.at

Lesungen von Hamed Abboud (SY/A), Ghayath Almadhoun (SY/SE), Radka Denemarkov. (CZ), Asli Erdogan (TR), Alexander Ilitschewski (RU/ISR), Jazra Khaleed (RU/GR), Fiston Mwanza MUJILA (CD/A), Shumona Sinha (IN/F), Serhij Zhadan (UKR)
Sämtliche Texte erscheinen gesammelt in der 217. Ausgabe der „manuskripte“.

 

Eröffnung der Ausstellung: SPIRO.SPERO.
So, 24. 09., 14 Uhr, in der Kultum- und der QL-Galerie, EP 4€
Öffnungszeiten Ausstellung: Di-Sa 11-17 Uhr, bis 18. 11.