Start Kunst & Kultur Oper an der KUG: Der Silbersee

Oper an der KUG: Der Silbersee

Ein sozialkritischer Krimi, eine Verwechslungs- und Intrigengeschichte oder doch eine märchenhafte politische Parabel? All das ist „Der Silbersee“ von Kurt Weill und Georg Kaiser – zu erleben ab 10. Juni an der Kunstuniversität Graz.

Am 21. März 1933 musste der Komponist Kurt Weill aus Nazi-Deutschland fliehen. Sein letztes dort uraufgeführtes Bühnenwerk Der Silbersee, eine Zusammenarbeit mit dem Dramatiker Georg Kaiser, war durch die neuen Machthaber bereits am 4. März nach genau zwei Wochen abgesetzt worden. Der Silbersee – Ein Wintermärchen ist ein Bühnenspiel, das allen Beteiligten musikalisch wie in der dramatischen Darstellung viel abverlangt – und eine zeitlose politische Botschaft vermittelt. Vor dem Hintergrund brennender sozialer Konflikte der Zwischenkriegszeit entwickelt das Stück seine Handlung rund um Fragen von Schuld und Sühne, alles gipfelt im Schlussbild, wo den Protagonisten der Freitod im See verweigert bleibt: damals wohl ein Appell, sich dem aufkommenden Faschismus nicht zu beugen. Erzählt wird die Geschichte des Polizisten Olim, der auf den Arbeitslosen Severin schießt, weil dieser nach einem Diebstahl zu fliehen versucht. Olim bringt es durch einen Lottogewinn zu Reichtum, ersteht ein Schloss und pflegt dort Severin, von schlechtem Gewissen geplagt, gesund. Das Schicksalsrad aber dreht sich weiter, Olim verliert alles, die alten Schlossbesitzer kehren zurück und verjagen ihn und Severin. In Armut verbunden, wollen die beiden sich gemeinsam im Silbersee das Leben nehmen. Doch dieser trägt sie – wie durch ein Wunder – mitten im Frühling auf einer dicken Eisdecke über sein Wasser. Ist es ein Verbrechen, wenn sich ein Hungernder eine Ananas stiehlt? Im Österreich des Jahres 2017 scheint diese Frage wenig aktuell. Doch für Regisseur Lorenzo Fioroni haben die Schilderungen von Not und Entbehrungen auf der einen und Besitzstandwahrung auf der anderen Seite im Zeitalter des internationalen Raubtierkapitalismus höchste Aktualität. Gemeinsam mit dem Ausstatter Christoph Gehre (Student der Bühnengestaltung) entwirft er ein zeitloses Szenario, das die historische Botschaft immer wieder auf eine allgemeine Ebene hebt. Für Fioroni und Gehre sind dabei Reminiszenzen an Filmklassiker und nostalgische Zitate ebenso erlaubt wie aktualisierende Akzente in der stark gestrafften Erzählung.

Die musikalische Leitung der Produktion hat Dirk Kaftan, derzeit Chefdirigent an der Grazer Oper, ab 1. August 2017 Generalmusikdirektor in Bonn. Ein Teil der Aufführungen wird von der Studentin ­Raimonda Skabeikaite dirigiert. HG

Der Silbersee: Premiere am 10. Juni 2017,

György-Ligeti-Saal im MUMUTH

Weitere Vorstellungen: 12.,14.,16., 18. Juni, jeweils 19 Uhr. Eintrittskarten: Konzert-/Abendkassa; Zentralkartenbüro Graz, Tel. 0316 830 255

 


 

Von der Staatsoper an die Kunstuniversität Graz: Der Mann, der Theatertalente schmiedet

René Zisterer ist seit Dezember 2016 neuer Vorstand des Instituts für Musiktheater an der Kunstuniversität Graz. Auf Persönlichkeitsbildung legt der erfahrene Regisseur besonderen Wert. Neun Fragen, um den gebürtigen Innsbrucker besser kennenzulernen.

Rene Zisterer

 

Vom 24. bis zum 25. Juni findet der RING AWARD, ein internationaler Talentwettbewerb für Regie und Bühnenbild, zum achten Mal in Graz statt. Woran erkennen Sie persönlich Talent?

Ich sehe mir an, wie jemand an eine Inszenierung herangeht. Eine Eins-zu-eins-Umsetzung führt künstlerisch nicht weit. Man muss seinen Charakter miteinfließen lassen und das Ursprungsmaterial damit verbinden, sodass am Ende etwas Eigenes daraus entsteht. In der Theatersprache nennt man das dann die eigene Handschrift.

Sie sind seit kurzem neuer Institutsvorstand. Worauf legen Sie bei der Ausbildung besonderen Wert?

Praxisorientierung ist mir sehr wichtig. Zwei Mal im Studienjahr machen wir eine vollwertige Produktion. Die Studierenden haben dabei die Möglichkeit, eine Rolle von A-Z einzustudieren und szenisch umzusetzen.

Abgesehen von Opernaufführungen muss man aber auch eine große stilistische Bandbreite an den Tag legen, denn in der Theaterrealität ist man sehr gefordert. An einem Tag singt man die Fledermaus, am darauffolgenden die Zauberflöte. Beides muss man meistern können.

Doch unabhängig davon, ob jemand die große Solistenkarriere macht oder zu einem erstklassigen Chor wie dem der Wiener Staatsoper kommt: Im Zentrum des Studiums steht immer die Persönlichkeitsbildung. Darin liegt die große Aufgabe und Verantwortung einer Kunstuniversität.

Welche Kooperationen sind für Sie von großer Bedeutung?

Die bereits bestehende Zusammenarbeit mit dem steirischen herbst und der Grazer Oper ist sehr erfreulich. An dieser Stelle sei das Format „OpernKurzgenuss“ genannt. Gemeinsam mit dem Opern-Ensemble führen Studentinnen und Studenten Kurzopern an ungewöhnlichen Orten auf. Manchmal liegt die musikalische Leitung bei uns, ein anderes Mal die szenische. Werden Studierende am Ende ins Ensemble aufgenommen – wie zuletzt eine Sopranistin des Instituts – zeigt die Kooperation auch langfristig Früchte.

Was ist zukünftig geplant?

Nächstes Jahr werden wir eine Erstaufführung mit großer Orchesterbesetzung erarbeiten. Geplant ist Hans Werner Henzes Oper Gogo No Eiko, auf der Grundlage eines Romans des japanischen Autors Yukio Mishima. Ins Deutsche übersetzt bedeutet der Titel Das verratene Meer. 2006 wurde die Inszenierung bei den Salzburger Festspielen konzertant uraufgeführt. Eine szenische Umsetzung gab es bisher im deutschen Sprachraum noch nicht. Wir bringen damit also etwas, was hoffentlich über Graz hinausstrahlen wird.

Was reizte Sie an der Arbeit als Institutsvorstand?

Unmittelbar davor war ich sieben Jahre lang an der Staatoper tätig und hatte dort verschiedene Aufgaben inne, zuletzt war ich Oberspielleiter. Mit 52 verschiedenen Opern pro Saison schultert man aber eine enorme Verantwortung, die in gewisser Weise auch zu einem Korsett werden kann. Die Arbeit mit den Studierenden ist da ein schöner Ausgleich. Es ist ein Geben und Nehmen: Man investiert seine Lebens- und Arbeitserfahrung und bekommt gleichzeitig eine Frische, ein Wollen zurück. Nach den Unterrichtsstunden bin ich sehr glücklich, habe das Gefühl, selbst bereichert worden zu sein. Zudem sind die Möglichkeiten, die wir hier am Mumuth haben, einzigartig. Wir stehen Wien und Salzburg in keiner Weise nach.

Wodurch unterscheidet sich eine Inszenierung mit Vollprofis von der Arbeit mit Studierenden?

Bei den Profis muss man aufpassen, dass sich nicht zu viel Routine einschleicht. Man muss sozusagen das Ursprüngliche wieder anregen. Studierende hingegen gehen meist frisch an eine Sache heran. Sie brauchen dafür aber mehr Unterstützung, man muss ihnen Sicherheit verschaffen.

Wie schwierig ist das Studium an Ihrem Institut?

Die Anforderungen sind hoch. Es braucht so eine Art Theatergen. Mir geht es um Authentizität. Ich merke sofort, ob jemand etwas nur abliefert oder zur Sache geht. Mich interessieren diejenigen, bei denen man das Fundament der Persönlichkeit spürt. Außerdem ist Musiktheater Teamwork. Wenn einzig ein Ego auf der Bühne steht, ist das uninteressant. Man muss verbunden sein mit den Menschen, die in einer Szene mit drinstecken. Dann wird es ein Ganzes, dann kann Oper berühren.

Was hat Sie selbst zum Studium des ­Musiktheaters bewogen?

Ich wurde bereits als Kind mit dem Theatervirus infiziert, meine Eltern hatten ein Abo. Mit 13 Jahren war ich erstmals an der Staatsoper und habe Falstaff gesehen. Ich kann mich noch genau an meinen ersten Theaterbesuch erinnern, an den Geruch, die Atmosphäre.

Im Juni steht die Oper „Der Silbersee“ am Programm …

Das Projekt habe ich von meinem Vorgänger geerbt und ich bin sehr glücklich damit. Der Silbersee ist eine tolle Herausforderung für die Studierenden; er bringt einerseits viel Text und andererseits 17 sehr unterschiedliche Musiknummern. Zudem spielt das Stück nahe an der Zeit. Am Ende der Aufführung ist der See zwar gefroren und man kann über das Eis gehen. Doch dieses ist sehr dünn: ein Symbol dafür, dass man in politischer und sozialer Hinsicht sehr schnell einbrechen kann.