Start Essen & Trinken Jack O’Shea, Brüssel: Cuts aus dem Atelier

Jack O’Shea, Brüssel: Cuts aus dem Atelier

Es heißt, in Brüssel gebe es einen Mann, der als Messias der modernen Steak-Kultur gilt. Seine Name ist Jack O’Shea. Eine Audienz.

Das Chophouse ist ein cooler Ort. Gedimmtes Licht, gediegene Einrichtung. Während auf dem Holzkohlegrill die mächtigen Fleischstücke vor sich hin brutzeln, ertönt aus den Lautsprechern chillige Bluesmusik. Jack O’Shea sitzt an der Bar und legt los: „Drei Dinge braucht es für ein richtig gutes Steak. Einen liebevollen Züchter, der weiß, was er tut. Einen Metzger, für den ein Rind mehr ist als ein Filet auf vier Beinen. Und einen guten Koch, der nichts kaputt macht.“ Mit seinem Steakhaus tritt der gebürtige Ire den Beweis seiner Theorie an. Er bezieht sein Rindfleisch aus dem immergrünen Irland, kümmert sich als Metzger um die richtige Reifung und den passenden Cut und lässt die barocken Steaks in seinem Restaurant nach seinen Vorstellungen zubereiten. Das Ergebnis ist Rindfleisch in einer Qualität, die auch in der Genussmetropole Brüssel kein zweites Mal zu finden ist.11055346_463579613799604_2108811779685233515_o (Medium)Ein Leben für das Black Angus

Als Sohn eines Metzgers wurde ihm sein Beruf zwar in die Wiege gelegt, dass er selbst einer werden wollte, wusste er allerdings erst mit Anfang zwanzig. Dann verließ er Irland und machte sich in Brüssel selbstständig. Das Aberdeen-Angus-Rind wurde für ihn zu einer Obsession, sein Handwerk entwickelte er zur Kunstform. Schnell etablierte sich sein kleines Geschäft als Pilgerstätte für Feinschmecker. Ist das Aberdeen Angus die ultimative Rinderart, wollen wir wissen? „Die Black-Angus-Rinder sind von ihrem Wesen her äußerst angenehme, coole Zeitgenossen. Auf der Weide sind sie großartig anzusehen, ihr Fleisch schmeckt hervorragend. Ich liebe sie. Aber im Grunde liegen sie nicht im Trend. Sie sind old fashioned. Heute bevorzugen Konsumenten vermehrt fettarmes Fleisch. Fettarme Rinderrassen wie das Charolais oder das Limousin wurden aus diesem Grund immer gefragter. Das Black Angus besitzt einen sehr hohen Fettanteil, aber gerade dieser macht es für mich so außergewöhnlich.“ Im Gegensatz zum amerikanischen Prime Beef, das ausschließlich mit Mais gefüttert wird, setzt O’Shea auf ausgewogene Ernährung in der Züchtung. „Rindfleisch kann auch zu weich in seiner Konsistenz werden.“ Seine Tiere ernähren sich von frischem irischem Gras und erhalten erst gegen Ende ihrer Aufzucht eine spezielle Getreidemischung. Sie leben zwischen 14 und 18 Monate und werden danach stressfrei geschlachtet. Ochsen leben oft länger als 20 Jahre. Ihr Fleisch wird mit den Jahren immer besser, „wie ein guter Margaux-Wein. Er braucht Zeit, bis er sein Potenzial voll entfalten kann.“

Black Angus
Black Angus

Das Cutten als Kunstform

Nachdem die Rinder geschlachtet wurden, kommen sie in die Reifekammer, wo sie bis zu sechs Wochen lagern, um Flüssigkeit zu verlieren und zu veredeln. Danach beginnt der Zauber des Metzgers. Zu seinem Markenzeichen wurden eigene Schnitte, wie zum Beispiel das Flat Iron Steak oder das Flank Steak. „Die meisten geläufigen Cuts sind ein Resultat der Fleischindustrie. In Wirklichkeit gebe es viel mehr von ihnen, nur sind sie für große Schlachthäuser nicht umsetzbar. Aus diesem Grund werden um die 60 % des Fleisches zu Faschiertem verarbeitet. Das ist eine Schande. Ein Rind ist mehr als ein Filet auf vier Beinen. Als Sohn eines Butchers habe ich mein erstes Tier als Kind getötet, besonders sensibel würde ich mich also nicht nennen. Dennoch habe ich vor den Rindern großen Respekt, es sind wundervolle Tiere, die mit Würde zu behandeln sind und nicht in Fleischfabriken ihr Ende finden dürften.“ Jacks Philosophie ist es, das Rind von Kopf bis Fuß zu verwerten. Die Wissenschaft dabei ist es, genau zu wissen, wie man dem Charakter der einzelnen Fleischstücke, der unterschiedlichen Muskeln, mit Schnitt- und anschließender Zubereitungstechnik gewahr werden kann. Und darin gilt O’Shea als eine Art Messias. Sterneköche, Hollywoodstars oder das englische Königshaus beziehen nicht nur Fleisch von ihm, sondern holen sich auch wertvolle Tipps in der Zubereitung.DSC_3998 (Medium)

Die Jack O’Shea Methode: Immer in Bewegung bleiben

Zuerst das Fleisch auf Zimmertemperatur bringen und es dafür ca. eine halbe Stunde vor dem Braten aus dem Kühlschrank nehmen. „Aber nicht zu lange in der warmen Küche liegen lassen, nach ein paar Stunden beginnt das Fleisch höchstens wieder zu leben. Seinen Geschmack verbessert es nicht mehr.“ Danach denken viele ans Würzen. „Die Leute glauben, sie tun dem Steak etwas Gutes und würzen es mit allem Möglichen, bevor es in die Pfanne kommt. Das ist falsch. Außer ein wenig Salz verbrennt beim Bratvorgang alles. Auch der beste Pfeffer verkohlt dabei.“ Die Pfanne wird aufs Maximum erhitzt, ein wenig Traubenkernöl und etwas Butter hinein, und es geht ans Eingemachte. Der große Unterschied in O’Sheas Zubereitungstechnik liegt im Braten selbst. Im Gegensatz zur weitverbreiteten Meinung, ein Steak soll in der Pfanne nur einmal gewendet werden, hält es der Ire ständig in Bewegung, wendet es immer wieder aufs Neue. „So sammelt sich der Saft nicht auf einer Seite des Stücks, sondern bleibt schön in der Mitte und hält es saftig.“ Gewendet wird mit einer Bratzange, auf keinen Fall mit einer Gabel. Dem Steak tut es gut, immer wieder mit der Öl-Butter-Mischung übergossen zu werden. Wie lange bleibt es in der Pfanne? Hier braucht es Erfahrung beim Drucktest. Filets sollen außen dunkel, innen rare auf den Teller. Rib Eyes schmecken medium am besten, das Fett würde im nahezu rohen Zustand kaum zum ersehnten Geschmack führen. Als Faustregel gilt: Nach dem Braten kommt das Steak bei ca. 60 Grad zum Rasten in den Ofen. Und zwar solange, wie es gebraten wurde.

www.jackoshea.com

Text: Stefan Zavernik