Start Kunst & Kultur Maria Lassnig ist tot. Ihre Körperbewusstseinsmalerei lebt weiter.

Maria Lassnig ist tot. Ihre Körperbewusstseinsmalerei lebt weiter.

Maria Lassnig

Mit dem Tod Maria Lassnigs am 6. Mai 2014 verlor Österreich eine wichtige Tochter der bildenden Künste. Und die Kunstwelt eine Impulsgeberin, welche der Neuen Malerei über ihre intensive Auseinandersetzung mit Körperlichkeit neues Leben eingehaucht hat. Für ihr Lebenswerk wurde ihr im Rahmen der Biennale in Venedig 2013 der Goldene Löwe verliehen.

„Man kann nie aufhören gut zu sein. Man muss immer nur versuchen besser zu werden”, sagte Lassnig in einem Interview für das mumok 2009. Aufgrund der harten Arbeit, die sie lebenslang in ihre Werke investierte, empfand sie den Tod als Verschwendung des Lebens. Der Tod als „ungerechter Abschluss” des mühsam aufgebauten Lebenswerkes. Das Schaffen der 1919 in Kärnten geborenen Künstlerin und ihr Einfluss auf nachfolgende Generationen wurden relativ spät gewürdigt. Eine dieser Ehrungen erfuhr sie in Form des Goldenen Löwens auf der Biennale. Ihre Reaktion will nicht als Alterslamentiererei verstanden sein. Vielmehr ist sie Ausdruck der Willenskraft und des Durchhaltevermögens der Kämpfernatur Maria Lassnig. Als sie 1980 für die Bespielung des österreichischen Pavillons verantwortlich zeichnete, zeigte sie neben Werken der bildenden Kunst Trickfilme. Letztere kamen ganz bewusst zum Einsatz. In einer ihren vorangegangenen Ausstellung bemerkte Lassnig, dass Besucher stark auf Bewegtbilder reagierten. Sie hatten eine viel stärkere Anziehungskraft und hielten das betrachtende Auge der Ausstellungsbesucher viel länger im Bann als “Standbilder”.

„Es ist nicht so einfach, die ganze Geschichte mit der Kunst”

Maria Lassnig spricht vom Arbeiten an der eigenen Person, der Kunst, von den Grenzen des sich selbst Herausforderns und dem Scheitern am eigenen Anspruch auf Welterfolg. Dieser Anspruch würde viele Künstlerkollegen einholen. Der Weg ihrer Werke in die bedeutensten Museen der Welt und zu den A-Festivals der Kunstwelt wie den Kunstbiennale und der documenta bis zu Verleihungen internationaler Preise war ein steiniger. Ihre Heimat, Österreich, zeichnete sie als erste bildende Künstlerin bereits 1988 mit dem Großen Österreichischen Staatspreis aus und zehn Jahre später mit dem Oskar-Kokoschka-Preis. Als sie 1970 in New York ihre „(Selbst-)Porträts” – in Cellophan eingewickelte Figuren – zeigte, stieß sie auf Unverständnis. Die von ihr gezeichneten Menschen ließ sie in Folie hüllen und bildete die unterschiedlichen Stadien der Befreiung ab: Die durchsichtige Ummantelung als Metapher für das, was wir nach außen hin preisgeben, wobei unser Innerstes undurchschaubar und verhüllt bleibt. In New York begann sie auch an ersten Trickfilmen zu arbeiten. In den 80er Jahren zog es sie nach Wien, wo sie als erste Professorin für Malerei an einer Akademie im deutschsprachigen Raum lehrte.

Doppelselbstportrait: "Zwei Arten zu sein"
Doppelselbstportrait: „Zwei Arten zu sein“

„Sie habe einen langsamen Blick”

Diesen Satz hat Maria Lassnig oft gehört, wenn sie in die Basis ihres Zeichnens vertieft war, dem langen und gründlichen Anschauen von Menschen. Und sie galt als eindringliche Beobachterin, die nie müde wurde Dinge immer wieder zu betrachten, aus dem Bildmaterial Schlüsse zu ziehen, sich zu Neuem inspirieren zu lassen. Sie selbst nannte es Glück, dass ihr die Beschäftigungstherapie ihrer Mutter, die sie mit einem Stift und einem Blatt Papier in eine Ecke setzte, das Zeichnen, Spaß machte. Ihre grafischen Arbeiten, schlicht wirkende Zeichnungen mit starken Konturen, verweisen auf die einfachen Mittel, mit denen sie zu arbeiten begonnen hatte. Sie hielt es auch aus, wenn man ihre Bilder als unfertig bezeichnete. Bei der Gestaltung des Hintergrundes stellte sie sich selbst oft die Frage: „Was tu ich damit”, gestand sie in einem Interview.

Körperbewusstsein

Ihr war wichtig, auf die eigene Körperwelt zu achten. Nur durch eine Abkoppelung von der Außenwelt könne man das eigene Körpergefühl spüren, und auch dann ist das auf das Papier Gebrachte immer nur ein kleiner, selektiver Ausschnitt davon. Ihre ausdrucksstarken Figuren erinnern vor dem leer oder schlicht gehaltenen Hintergrund ebenso entkoppelt. Die Figuren gewinnen an Schärfe. Dass Maria Lassnig vor allem weibliche Positionen abbildete, wollte sie aber nie als feministische Positionierung verstanden sehen. Einerseits lässt das Verschwommene ein genaues Hinschauen auf das Bild und den dahinterstehenden Machtverhältnissen, wie zum Beispiel in „Lehrmädchen” aus dem Jahr 2001, zu, während Lassnigs Pinselführung mit klaren Konturen und Akzentuierungen den Blick des Betrachters auf das Wesentliche lenkt: den Ausdruck des Gesichts, das Empfinden des Körpers. Die eckig, ungelenkig wirkenden Körper sind nicht schön im Sinne der Ästhetik. Sie strahlen über den Farbeinsatz eine große Wärme aus und über die Körperlichkeit erwachen sie zum Leben. Die reine Darstellung des physischen Körpers hat Lassnig um die Dimension der Empfindung erweitert. Biennale-Präsident Paolo Baratta sagte im Rahmen der Ehrung der Künstlerin 2013, dass sie mit ihren Körperbewusstseinsbildern den Körper zu einem Mittel der Selbsterkenntnis gemacht habe.

Maria Lassnig und Peter Pakesch
Maria Lassnig und Peter Pakesch

Lassnigs Beziehung zum Universalmuseum Joanneum

„Das ist für das Joanneum und für die Sammlung der Neuen Galerie Graz ein überwältigender Moment“, freut sich Direktor Peter Pakesch über Lassnigs Schenkung von fünf Werken 2013. Alle Bilder – Ungeteilte Form (1952/53), Körperteilung (1960), Be-Ziehungen III (1993), Be-Ziehungen V (1994), 3 x Malfluss (1996) – waren im Zuge der Lassnig-Retrospektive Der Ort der Bilder 2012 in der Neuen Galerie Graz bereits öffentlich zu sehen.

Aus Dank, meinte Lassnig, für die Anerkennung der Neuen Galerie gegenüber ihrem Schaffen und für die Bemühungen um die Erstellung ihres vollständigen Werkverzeichnisses – das vor ihrem Tod nicht zu Ende gebracht werden konnte. Schon in den 70er Jahren erkannte der damalige Leiter Wilfried Skreiner die Vorreiterrolle Lassnigs in der Neuen Malerei im internationalen Kontext. Die Schenkung 2013 sei laut Kulturlandesrat Buchmanm ein Meilenstein für das Lassnig-Kompetenzzentrum in Graz, welches das Joanneum zur internationalen Anlaufstelle werden lassen soll.

Die Grande Dame der europäischen Malerei – wie sie in den letzten Jahrzehnten von Kritikern gern betitelt wurde – wird in ihren (Selbst-)Bildnissen weiterleben. Ihr Talent – der Tick, wie sie es nannte – zu malen und ihre unerbittliche Auseinandersetzung mit sich und den Betrachtenden, wird noch lange Wirkung zeigen. Das letzte Wort zu den Werken ist laut Peter Pakesch, mit dem die Künstlerin eine langjährige Freundschaft verband, noch lange nicht gesprochen. „Da hat sie uns im wahrsten Sinne ein großes Erbe hinterlassen.”

Text: Natalie Resch