
Große Weine treffen auf edle Küche: Speziell in den Herbst- und Wintermonaten ist das Langhe im Piemont ein kulinarisches Ausnahmeerlebnis.
Text: Stefan Zavernik
Es ist kein weltberühmtes Museum, wie etwa die Uffizien in Florenz, welche die Menschen dazu bringt, das Langhe zu besuchen. Genauso wenig hat die Region im Piemont so spektakuläre Sehenswürdigkeiten als Aushängeschild wie etwa Rom, Venedig oder Pompeij, wegen denen ihre Besucher um die halbe Welt reisen. Der Hauptgrund, warum die wunderbar hügelige Landschaft schon seit vielen Jahrzehnten weltweit ein Begriff ist, hat alleinig mit Essen und Trinken zu tun. Wer sich dazu entschließt, hierherzukommen, tut dies wegen des Weins und der Trüffeln. Rund um die malerischen Dörfer Barbaresco, Barolo oder Alba wachsen nicht nur einige der besten Rotweine Italiens, es gedeiht mit dem weißen Trüffel auch noch eine der teuersten Delikatessen der Welt.
Diamanten des Waldes
Ab Anfang Oktober sind Hotels und Gästezimmer in und um Alba quasi ausgebucht. Reservierungen für beliebte Trattorien und Restaurants an Wochenenden sind nur mit wochenlangen Vorlaufzeiten zu bekommen. Die Trüffelsaison hat begonnen. Von Mitte September bis Ende Jänner bringen Trüffelsucher mit ihren Hunden weißen Trüffel aus den Wäldern. Mindestens 2.000 Euro kostet das Kilo. Der Preis hängt von vielen Faktoren ab, in erster Linie vom Wetter und der Nachfrage. Herrschen schwierige klimatische Bedingungen, wachsen weniger Trüffel und ihr Preis schießt in die Höhe. Speziell vor Weihnachten verdienen sich Händler eine goldene Nase, die Nachfrage erreicht hier ihren saisonalen Höhepunkt. Bis zu 6.000 Euro kann ein Kilo kosten. Wer die Raritäten zu fairen Preisen kaufen möchte – teuer bleiben sie immer –, braucht in jedem Fall einen Händler seines Vertrauens. Eingeweihte steuern alteingesessene Trüffelhändler an, wie etwa das Geschäft von Giacomo Morra; es ist eine Institution in Alba. Jeden Samstag während der Saison herrscht in Alba die große Trüffel-Show. In der Altstadt findet dann die Trüffelmesse mit ihren Auktionen statt, bei denen besonders schöne und große Exemplare astronomische Preise erreichen. Je größer die Knollen, desto teurer werden sie. Ihr Wert steigt exponentiell.

Foto: Prunotto
Der Wein der Könige
Trüffel wachsen nicht nur in der Region rund um Alba, es gibt sie an vielen Plätzen dieser Welt zu finden. Warum die weiße Alba-Trüffel als die begehrteste von allen gilt, hat mit dem Boden und dem Mikroklima in der Region zu tun. Die edlen Gewächse finden in den piemontesischen Wäldern paradiesische Bedingungen vor, um ihre Aromen zu entwickeln. In keiner anderen Trüffelregion entwickeln weiße Trüffeln intensivere und zugleich harmonischere Aromen wie hier. Der „Diamant des Waldes“ ist allerdings nicht die einzige Kostbarkeit, die vom Terroir der Langhe profitieren. Schon lange vor dem Trüffelhype, der in den 60er Jahren seinen Anfang nahm, als der Hotelier Giacomo Morra begann, die Delikatesse als kulinarisches Aushängeschild zu vermarkten, war es die Nebbiolo-Traube und der daraus gewonnen Barolo, für den die Region bekannt war. Als „Wein der Könige“ machte sich der Barolo erstmals im 19. Jahrhundert einen Namen. Zu verdanken war der Erfolgslauf einem französischen Önologen namens Louis Otard, der am Weingut einer Adeligen in Barolo Kellertechniken aus der Champagne zur Anwendung brachte und so den Weinbau im Langhe modernisierte. Durch ihn entstand ein neuer Typus von Wein, der großen Anklang in Turin fand. Das Königshaus der Savoyer war so von Otards Weinen beeindruckt, dass sie ihm auch ein Jagdhaus mit umliegenden Weingärten für weitere kellertechnische Versuche zu Verfügung stellten.

Antinori im Piemont
Einst waren Barolos ausschließlich cuvetierte Weine. Trauben aus unterschiedlichen Hängen und Weingärten wurden für einen Wein zusammengebracht. Am Weingut Prunotto fasste man 1961 den Entschluss, erstmals einen Barolo aus einer einzigen Lage zu keltern, und legte damit den Grundstein für die zukünftige internationale Erfolgsgeschichte der heutigen Kult-Weine. Die Lage Bussia liegt an einem besonderen Ort, quasi an der Grenze zwischen den beiden markanten Anbaugebieten innerhalb der Barolo-Region. Barolos aus den westlicheren Weingärten rund um das Dorf La Morra gelten als feingliedrig, duftig und elegant. Die Weinberge rund um das Dorf Serralunga d’Alba bringen besonders wuchtige Weine mit kräftigen Tanninen hervor, die enorm langes Lagerpotenzial aufweisen. Das Weingut Prunotto ist heute im Besitz der legendären Weindynastie Antinori. Neben der Lage Bussia keltert man mittlerweile weitere Einzel-Lagen-Barolos, die mit zum Besten zählen, was die Wein-Region hervorbringt. Die Besichtigung des Weinguts ist eine schöne Gelegenheit, um dessen ausgezeichneten Weine zu verkosten und den Keller zu besichtigen. Darüber hinaus ist das Team auch dabei behilflich, die Gegend kulinarisch voll auszukosten, empfiehlt Trattorien oder Restaurants und organisiert Trüffelwanderungen, bei denen Gäste gemeinsam mit erfahrenen Trüffeljägern und deren Hunden in den Wäldern unterwegs sind.

Die Küche des Langhe
Die klassische Küche des Piemont besticht durch ihre Eleganz und ihre schlichte Perfektion. Carne Crudo ist Beef Tartar in seiner puristischsten Form und kann einem Kunstwerk am Teller gleichen. Grob Handgeschnittenes, mageres Fassano-Rindfleisch wird für dieses Gericht alleinig mit Olivenöl und etwas Salz abgemacht. Plin, kleine, von Hand gefertigte Tortellini mit Fleischfüllung sind eine handwerkliche Meisterleistung. Man genießt sie mit Salbeibutter und einer Prise Parmesan. Tajarin, hauchdünne, handgemachte Eiernudeln mit zerlassener Butter, sind eines der idealen Gerichte, um die Aromen der weißen Trüffel in ihrer pursten Form zu genießen. Der Geruch der fein gehobelten Knolle setzt im Menschen ähnliche Gefühlsregungen in Gang, wie es Pheromone vermögen. Der Genuss eines solchen Tellers ist ein sinnliches Erlebnis. Die Küche des Langhe wird in den Trattorien und Restaurants der Region zelebriert. Eine Institution, wenn es um bodenständige, traditionelle Küche geht, ist die Trattoria Antica Torre in Dörfchen Barbaresco. Die Küche ist in Familienhand. Am Herd steht Stefania Albarello, Schwester Paula kümmert sich um die Gäste und Bruder Mauricio produziert täglich in Handarbeit Tajarin-Pasta. Auch das Restaurant Il Centro in der Ortschaft Prioccia ist ein Familienbetrieb. Das Haus ist ein idealer Ort für ein elegantes Abendessen mit herausragendem Service. Chef-Köchin Elide gelingt es in ihrem mit einem Michelin-Stern ausgezeichneten Restaurant, traditionelle Gerichte mit viel Raffinesse zuzubereiten. Klassiker der Langhe-Küche erfahren an diesem Ort ihre perfekte Vollendung. Und dort, wo es alleinig auf höchste Produktqualität ankommt, bleibt man der Tradition verpflichtet. Wie etwa beim simpelsten und zugleich ikonischsten Gericht zur Trüffelzeit überhaupt, weißen Alba-Trüffel auf Spiegeleier.













