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„Man schaut international auf uns“

Jörg Ehtreiber ist auch Präsident von „Hands On! International Association of Children in Museums“, einem Netzwerk von über 120 Mitgliedseinrichtungen weltweit Foto: KIMUS

Jörg Ehtreiber, Intendant des Grazer Kindermuseums und Geschäftsführer der KIMUS Graz GmbH, über vielfältige Betätigungsfelder und wie man sich zu einem international führenden Kompetenzzentrum für interaktive Vermittlungskonzepte entwickelte.

Text: Wolfgang Pauker

2003 wurde das Kindermuseum FRida & freD in einem spektakulären Bau im Augarten eröffnet. Heute ist es das besucherstärkste Museum der Stadt. War so ein Erfolg absehbar?

Dass ein Kindermuseum prinzipiell eine gute Investition für eine Stadt ist, war absehbar. Dass es sich so gut entwickelt, nicht. Als wir starteten, hatten wir rund 40.000 Besucherinnen und Besucher im Jahr, heute liegen wir bei gut 100.000. Hätte man damit gerechnet, hätte man größer bauen müssen.

Gibt es Pläne zu erweitern?

Es gibt Gespräche auf politischer Ebene, aber wir haben bautechnisch nicht wirklich die Möglichkeit, am Standort zu vergrößern. Darüber hinaus sind die Budgets aktuell sehr angespannt. Wobei ich aber ganz klar sage: In Kinder und junge Menschen zu investieren, ist immer gut und richtig. Fakt ist, dass es großen Bedarf an frühkindlicher Erziehung und Bildung für Kinder von 0 bis 3 Jahren gibt. Um hierfür ein Angebot zu schaffen, fehlt uns leider der Platz.

Die aktuellen Ausstellungen im Kindermuseum FRida & freD widmen sich dem Thema Medienkompetenz und laden in eine Wunderwelt aus Seifenblasen
Foto: KIMUS/Edi Haberl

Die vom Kindermuseum konzipierten Ausstellungen gehen auch „auf Tour“?

Sehr erfolgreich sogar. Die von uns verliehenen Ausstellungen haben schon über 1,3 Millionen Besucherinnen und Besucher gesehen. Die aktuelle Ausstellung zum Thema Medienkompetenz, die wir gemeinsam mit dem Kindermuseum Frankfurt gemacht haben, wird nächstes Jahr dort gezeigt werden und auch die Ausstellung zum Thema Zeit, die gerade aus Dortmund zurückgekommen ist, zieht weiter nach Paderborn. Das sind nur einige Beispiele. Dahinter steckt klarerweise die Idee der Nachhaltigkeit, denn in den Schauen steckt sehr viel Arbeit und Investition. Da macht es nur Sinn, sie weiter zu nutzen. Darüber hinaus bringt das Geld zurück in unseren Betrieb.

Neben dem Kindermuseum betreibt man weitere Projekte. Seit 2014 etwa die legendäre Märchenbahn im Schloßberg. Vergangenes Jahr wurde neu konzipiert. Was hat sich verändert?

Wir haben gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen vom Next Liberty eine neue Geschichte entwickelt, weil wir ein neues Gefühl vermitteln und gleichzeitig ein bisschen mehr Führung durch die Geschichte anbieten wollten. Verändert wurde neben einigen Stationen auch die Lichtstimmung und so ist eine wirklich schöne neue Story entstanden. Die Märchenbahn läuft in den letzten zwei Jahren so gut wie nie zuvor und das zeigt, dass das die richtige Maßnahme war.

Nach einem Relaunch präsentiert sich die Märchenbahn im Schloßberg als „Berg der Geschichten“
Foto: Harry Schiffer

2019 wurde mit dem CoSA – Center of Science Activities im Universalmuseum Joanneum eine interaktive Wissenswelt rund um Naturwissenschaft und Technik für Kinder ab 12 Jahren eröffnet. Wie läuft dieses Haus?

Das CoSA hat sich toll entwickelt, auch wenn wir leichte Startschwierigkeiten hatten, da wir genau in die Pandemie hinein eröffneten. Wir haben gerade eine neue Ausstellung zum Thema Geld eröffnet – das sogenannte FLiP (Financial Life Park), in dem Finanzwissen spielerisch vermittelt wird. Zusätzlich eröffnen wir Mitte Oktober eine Sonderausstellung mit dem Titel Der Schein trügt, die das Thema aus naturwissenschaftlicher Sicht betrachtet und Fragen aufwirft wie: Woher kommt Gold und Ähnliches. Unser Augmented Reality Projekt, das im CoSA zuletzt zu sehen war, wird gerade technisch völlig neu aufgesetzt und geht danach auf Wanderschaft.

Das CoSA – Center of Science Activities ist eine interaktive Wissenswelt rund um Naturwissenschaft und Technik für Kinder ab 12 Jahren

2023 wurde der Salon Stolz eröffnet, in dem Leben und Werk des Grazer Komponisten Robert Stolz auf interaktive und inklusive Weise gezeigt wird. Welche Highlights gibt es zu sehen?

Wir wollten im Salon Stolz keine traditionelle, starre Form der Ausstellung schaffen, sondern einen sehr interaktiven Zugang finden, um Freude an Musik, Tanz und Bewegung zu vermitteln. Hierfür bespielen wir am Standort übrigens auch das Grazer Konzertcafé mit Konzerten und Lesungen. Der Salon Stolz ist ein wirklich tolles generationenübergreifendes Projekt, ein lebendiger Ort mit wunderbarem Garten. Highlight ist das interaktive Tanztheater Melodia, das wir gerade um eine weitere Tanzshow ergänzen. Sie heißt Pop Up Garden und erzählt die Geschichte einer Betonwüste, die vom Publikum in einen grünen Garten verwandelt wird. Mittanzen ausdrücklich erwünscht!

Im Salon Stolz wird Leben und Werk des Komponisten Robert Stolz auf interaktive und inklusive Weise gezeigt – Highlight ist das Tanztheater Melodia
Foto: Stella Kager

Ihr Team gestaltet auch die „bookolino“-Mitmach-Ausstellung im Grazer Literaturhaus. Wie kam es zu dieser Kooperation?

Gemeinsam mit Klaus Kastberger und seinem Team wollten wir ein Konzept realisieren, das über die Dauer des Literaturfestivals für junges Publikum hinauswirkt. Wir haben bereits selbst Sachbücher zu mehreren unserer Ausstellungen verlegt und daher eine hohe Affinität zum Bereich Kinderbuchliteratur. Die neue Ausstellung wird am 6. November eröffnet und steht heuer unter dem Motto „Vom Erzählen in Bildern“.

Die bookolino-Mitmachausstellung ist eine Kooperation mit dem Literaturhaus
Foto: Hannes Loske

Was steckt hinter den Consultingtätigkeiten von der Essigerlebniswelt bis zum Adventmarkt?

Wir empfinden uns als Kompetenzzentrum für interaktive Ausstellungen und Vermittlungskonzepte, wenngleich wir es nicht als unsere erste Aufgabe sehen, andere Museen zu verwirklichen. Aber wir sind immer wieder angefragt und entwickeln beispielsweise gerade die Erlebnisräume für ein Zahnambulatorium der Stadt Graz, wohin Schulkinder zur Kontrolle und Zahnhygiene eingeladen sind. Immer dort, wo Interaktion und erlebnisreiche Vermittlung von pädagogisch wichtigen Inhalten zusammentrifft, dort trifft man auf uns. Wenn es zu uns passt und wir die Ressource haben, dann machen wir das sehr gerne. 

Dieses Kompetenzzentrum ist mittlerweile europaweit führend, wenn es um partizipative Wissensvermittlung geht. Warum ist Graz hierfür so ein guter Nährboden?

Wir haben hier ein sehr professionelles Kindermuseum, was der Stadt Graz zu verdanken ist, die gesagt hat: Wir leisten uns das in einem sehr guten Setting, in einem tollen Haus und mit einem ordentlichen Programmbudget. Und das ermöglicht, dass man international auf uns schaut. Aktuell beraten wir beispielsweise ein Kindermuseum in Singapur, nächstes Jahr geht eine Ausstellung von uns nach Seoul in Südkorea. Mit Blick auf Asien muss ich auch klar sagen, dass wir sehr privilegiert sind, denn unsere Kinder wachsen noch in einem Umfeld auf, das Kreativität sehr stark fördert. Diese Kreativität, die Art, wie Menschen hier Dinge umsetzen, bewundert man weltweit. Genau das wollen wir mit all unseren Projekten anregen. Wir wollen Kinder früh fördern und durch spielerisches Lernen in ihrem Selbstwert bestärken, um durch Kreativität Antworten auf Fragen unserer Zeit zu finden.