Nichts Geringeres als das ewige Streben nach Freiheit beleuchtet das Musik-Festival ARSONORE in diesem Jahr. Uns hat der künstlerische Leiter Markus Schirmer schon vorab ein paar Einblicke gewährt.
Herr Schirmer, Sie haben heuer bei ARSONORE am ersten Abend unter dem Motto „Brücken bauen“ Musikerinnen und Musiker aus der Ukraine und Russland, aus China und Taiwan, aus Armenien und Aserbaidschan, aus Israel, der Türkei, dem Iran und den USA eingeladen, miteinander zu arbeiten. Lassen sich in der Musik leichter Gräben überwinden als in der Politik?
Markus Schirmer: Ich war ehrlich gestanden ein bisschen unsicher, als ich die Künstlerinnen und Künstler aus den betreffenden Ländern gefragt habe, ob das für sie okay ist. Aber alle haben sich wirklich gefreut, dieses Zeichen setzen zu können – was ich unglaublich schön gefunden habe. Deshalb ist dieser erste Abend für mich auch einer der wichtigsten aller bisherigen Festivalausgaben. Denn diese jungen Menschen aus einander feindlich gegenüberstehenden Regionen, die miteinander musizieren, zeigen, wie es auch gehen kann. Und zum Abschluss des Eröffnungsabends senden wir mit George Gershwins Welthit Rhapsody in Blue in der Originalfassung für zwei Klaviere eine der wohl schönsten musikalischen Freiheitsbotschaften in die Welt.

Foto: Knickriem
Wie geht es dann nach diesem großen Auftakt weiter?
Der zweite Abend ist ganz der Kammermusik gewidmet, die ja eines der Herzstücke unseres Festivals ist. Aber auch dabei überwinden wir Grenzen. Das Thema lautet „Ausgegrenzt“, dem wir uns aus verschiedenen Blickwinkeln musikalisch widmen wollen. Etwa mit Schostakowitsch, der immer gegen das System rebelliert hat und dies ist auch in seinen Werken als geheime Botschaften und dennoch beinharte Abrechnungen für die Menschen spürbar gemacht hat. Auch Mahler und Schubert, die Isolation und Einsamkeit erfahren mussten, transportieren diese Gefühle auf einzigartige Weise in ihren Werken. Und sogar Mozart waren seine eigenen Ausgrenzungserfahrungen aus seinem allseits bekannten Konflikt mit dem Salzburger Erzbischof Inspiration für seine Musik. Etwas ganz Besonderes an diesem Abend wird sicher die Aufführung des wunderschönen frühen Klavierquintetts von George Enescu, der ebenfalls ein Leben mit Hürden und Entbehrungen meistern musste. Er hat es im Alter von nur 15 Jahren geschrieben und es wird bei uns von der ebenfalls erst 15-jährigen hochtalentierten Pianistin Inji Hasanli aus Aserbaidschan gespielt.

Foto: Lukas Beck
Am Freitag steht dann ein Doppelkonzert auf dem Programm. Was darf man sich denn darunter vorstellen?
Im ersten Teil des Abends, der unter dem Motto „Exotic Baroque“ steht, blicken wir über den Tellerrand und zeigen auf, welche anderen Kulturen den Barockkomponisten in ihrer Zeit Quelle der Inspiration waren. Dafür gehen wir mit Susanne Scholz, ihrem fabelhaften Ensemble Gamma Ut und Gästen auf eine Entdeckungsreise durch diese wohl schillerndste Epoche der Musikgeschichte, Überraschungen eingeschlossen. Der zweite Teil wird ein fast magisches, spirituelles Erlebnis, wenn Julia Stemberger den zeitlos berührenden Weisheiten aus Khalil Gibrans Der Prophet ihre Stimme verleiht und Risgar Koshnaw auf seiner orientalischen Oud, Christian Bakanic am Akkordeon und Edmundo Carneiro auf teils außergewöhnlichen Perkussionsinstrumenten diese Lesung musikalisch umrahmen.
Ein großes Thema bei ARSONORE ist traditionell auch das Zusammenspielen ganz junger Künstler und Weltstars. Wird es das auch heuer wieder geben?
Absolut! Wir haben natürlich wieder ganz tolle Talente aus den Reihen der Kunstuniversität Graz, die gemeinsam mit großen Namen musizieren. Das ist immer wieder etwas Besonderes für beide Seiten: Für die Jungen ist es eine totale Inspiration, mit den Arrivierten auf Augenhöhe spielen zu können. Und für die etablierten Künstler ist es unglaublich erfrischend, mit dem hochbegabten künstlerischen Nachwuchs zusammenzutreffen. Außerdem stehen die jungen Talente der Kunstuniversität Graz heuer bei der Familienmatinee ganz im Mittelpunkt und präsentieren gemeinsam mit ihren ebenso jungen und nicht weniger beeindruckenden internationalen Kolleginnen und Kollegen höchst Virtuoses am prachtvollen Fazioli-Konzertflügel.

Foto: Andrej Grilc
Warum heuer im Minoritensaal und nicht im schon traditionellen Planetensaal von Schloss Eggenberg?
Dort findet derzeit die STEIERMARK SCHAU statt. Aber mit dem Minoritensaal haben wir eine sehr schöne Alternative mitten im Herzen von Graz gefunden.
Außerdem gibt es dieses Jahr bei ARSONORE auch einen Geburtstag zu feiern …
Ja, und darauf freue ich mich ganz besonders: Der grandiose Wolfi Berger wird im Herbst verblüffenderweise 80 Jahre jung. Am vierten Abend werden wir gemeinsam nach vielen Jahren noch einmal unser Kultprogramm Enge(l) im Kopf spielen. Wobei es natürlich auch sein kann, dass sich die eine oder andere Kuriosität eingeschlichen hat. Das wird wirklich eine Achterbahn der Gefühle – von Wolf-Biermann-Texten, die einem fast die Kehle zuschnüren, bis zu Schüttelreimen und Kalauern, bei denen man sich vor Lachen fast die Schenkel wundschlägt.
Da wird es einiges an Durchhaltevermögen brauchen, denn am letzten Abend geht es ja mit einer „World Party“ noch einmal sehr lebendig weiter …
Allerdings. Scurdia feiert in diesem Jahr mit elf Vollblutkünstlerinnen und -künstlern aus sieben Nationen sein 30-jähriges Jubiläum. Da wird grenzenlose Energie, Musizierkunst und Lebensfreude auf die Bühne kommen. Und natürlich dürfen, wie bei jedem guten Fest, auch Special Guests nicht fehlen: Startrompeter Thomas Gansch und Ausnahmegitarrist Mario Berger haben sich bereits angesagt.

Foto: Ulrik Hoelzel
Und wie sehen Ihre Pläne für die Zukunft aus?
Mit ARSONORE wollen wir uns auf jeden Fall weiter internationalisieren. Erste Schritte in diese Richtung sind bereits seit langem in Planung. So sind wir etwa dieses Jahr zum ersten Mal einen Abend in Maribor zu Gast, bei dem wir Teile unseres Festivalprogramms zur Aufführung bringen. Diesen Weg der internationalen Öffnung wollen wir gemeinsam mit Werner Schrempf, der die Festivaldirektion innehat, weitergehen und neue Kooperationen entwickeln. Was mich persönlich betrifft, habe ich neben meiner umfangreichen weltweiten Konzerttätigkeit das Glück, auf der Kunstuniversität Graz äußerst erfolgreiche Studierende, die bedeutende Preise von internationalen Klavierwettbewerben nach Hause bringen, zu begleiten. Da geht mir natürlich das Herz auf und ich freue mich sehr für sie.

Foto: Christian Jungwirth
Mi, 3. September 2025
„BRÜCKEN BAUEN!“ Das große ARSONORE-Eröffnungsfest
Minoritensaal, 19.30 Uhr
Do, 4. September 2025
„AUSGEGRENZT!“
Mit Christina Landshamer, Dalibor Karvay, Leonhard Baumgartner, Benedict Mitterbauer, Johannes Krebs, Timofey Dolya, Inji Hasanli und Markus Schirmer
Minoritensaal, 19.30 Uhr
Fr, 5. September 2025
Doppelkonzert „EXOTIC BAROQUE!“
Susanne Scholz und ihr Ensemble Gamma Ut gehen gemeinsam mit Gästen auf Entdeckungsreise.
„KHALIL GIBRAN: DER PROPHET“
Gelesen von Julia Stemberger und musikalisch umrahmt von Christian Bakanic, Risgar Koshnaw und Edmundo Carneiro
Minoritensaal, 19.30 Uhr
Sa, 6. September 2025
„GRENZENLOS VIRTUOS!“ FAMILIENKONZERT
Minoritensaal, 11.00 Uhr
Sa, 6. September 2025
WOLFI BERGER & MARKUS SCHIRMER: 30 JAHRE „ENGE(L) IM KOPF“
Siedend heiß fällt’s mir ein: Heute wollt’ ich fröhlich sein
Minoritensaal, 19.30 Uhr
So, 7. September 2025
ARSONORE proudly presents: 30 JAHRE SCURDIA – MARKUS SCHIRMER & FRIENDS: „WORLD PARTY!“
Oper Graz, 18 Uhr
Alle Informationen zum Programm: www.arsonore.at