Identität und Inszenierung sind die Themen, die die junge Grazer Künstlerin Victoria Pollauf auf ihren poetisch-eleganten Bildern darstellt. Mit einem Blick fürs Wesentliche vereint sie darauf Popkultur mit der Eleganz der Ölmalerei.
Text: Lydia Bißmann
Die Essenz eines Menschen einzufangen, ohne dabei das Gesicht abzubilden – darauf hat sich Victoria Pollauf die letzten Jahre spezialisiert. Geschickt mixt sie auf ihren mittelformatigen Ölbildern zeitgenössische Attribute, Accessoires, Kleider und spezifische Posen. Dadurch ist es möglich, die gesichtslosen Figuren zu erkennen oder soziologisch einzuordnen.
Die Melancholie des Alltags
Die Idee zur Reduktion auf die Darstellung menschlicher Figuren vom Hals abwärts kam Pollauf, die die Meisterklasse für Malerei an der Ortweinschule und zuvor die HTL für Produktdesign und Präsentation besucht hat, während der weltweiten Pandemie. In der Zeit der Corona-Isolation begann sie, Gesichter aus dem Gedächtnis zu rekonstruieren, um dann zu entdecken, dass man Menschen an ihrer Körperhaltung und anderen Details erkennen kann. Ein Gefühl der Privatheit und Contemplation wird möglich, da man sich beim Beobachten durch das Fehlen der Gesichter schlicht ungestörter fühlt. In ihren Kompositionen benutzt sie gerne Alltagsgegenstände wie Sitzmöbel, die erkennbar als Designklassiker oder anmutige, antike Polstermöbel dargestellt werden.

Der Hintergrund, vor dem sie Menschen und Möbel drapiert, ist durchgehend auf farbige Flächen reduziert, die eine poetische Stimmung und Dynamik im Bildgeschehen erzeugen. Auch die Titel der Bilder, denen sie konsequenterweise nur die Namen von Farben und deren Kombinationen gibt, klingen fast wie kleine Mini-Gedichte: Lampionblume, Mint und Flamingo, Auster und Nebelblau liest man hier – diese Bezeichnungen erlauben viel Freiheit und leiten die Betrachter trotzdem sanft in eine vage Richtung.
Instagram-Ikonografie in Öl
Victoria Pollauf nutzt die traditionelle Technik der Ölmalerei, um Details genauer darstellen zu können. Die Bildsprache ist aber die der Gegenwart und bedient die Erzählweise von Instagram und Co. (Wir alle haben schon unsere eigenen Füße und Beine fotografiert, wenn wir kein Selfie machen, aber trotzdem einen persönlichen Moment für andere festhalten möchten.) Die Ausführung in Öl verleiht den vertrauten Alltags-Sujets eine elegant-sinnliche Aufladung, die die Kostbarkeit des Moments unterstreicht und auf die Ästhetik von Filmstills referiert. Dieser Mix aus Alt und Neu sorgt für Spannung und erinnert an die Bilder des Duos Muntean & Rosenblum, die charakteristische Social-Media-Szenen mit traditionellen, dramatischen Gesten verschmelzen lassen.

Foto: Viktoria Pollauf
Als Inspiration nennt die Künstlerin selbst die großen Farbflächen von Mark Rothko, den figurativen Zugang von Lucian Freud, aber auch die Arbeiten der kanadischen Künstlerin Chloe Wise, die moderne Ikonografie mit alten Techniken mischt. Soziale Medien als Folie der Selbstdarstellung werden von der jungen Künstlerin aber auch zum Präsentieren ihrer Arbeiten und als wichtiges Netzwerktool benutzt. Auf ihren wundervoll gestalteten Instagram-Accounts bietet sie neben Fotos ihrer Werke in unterschiedlichen Stadien Selbstporträts, die auch mal leicht übermalt werden können, vertiefende Informationen zu ihrer Arbeitsweise und Philosophie. Eine große Rolle spielt dabei auch die Fotografie als Kunstform, in die die Malerei hineinfließt. „Ich male ja nach einem Foto, das ist Teil der Technik, aber es macht mir so auch Spaß, damit zu experimentieren und mich selbst zu inszenieren.“ So arrangiert sie ihre Ölgemälde als eine Art Stillleben und mischt abgebildete Kleidungsstücke, Schuhe, farblich passende Keramik oder Pantone-Farbkarten mit in die Aufnahme. Das ist sinnlich, berührend und schenkt den Arbeiten eine Art fröhliches Zweitleben.
Kunst und Kunstvermittlung
In einem künstlerischen Elternhaus aufgewachsen, fand Victoria Pollauf früh Zugang zur Kunst als Beruf. Nach der HTL und der Meisterklasse für Malerei entschied sie sich für ein Studium der Kunstgeschichte. Zusätzlich gibt sie Malkurse in der Neuen Galerie und der Arbeiterkammer Graz. Sie ist seit Beginn der Vereinsgründung Teil des FKK Kunstfreundeskreis Graz, der mit organisierten Ausflügen zu Ausstellungen und Ateliers einen barrierefreien Safe Space für alle Kunstinteressierten gewähren möchte. (Zusätzlich bietet der Verein auch Künstlerinnen und Künstlern auf Social Media eine Bühne – etwa mit der kuratierten Reihe „FKK Reels“.)

Auch das in wechselnden Farbvarianten gestaltete Logo des Vereins stammt aus ihrer Feder. Aktuell sind ihre Arbeiten in der Gruppenausstellung Public Viewing gemeinsam mit Andreas Heller, Susanne Katter, Nadine Nebel, Laura Nieto, Gernot Passath und Martin Veigl in der Galerie Schnitzler & Lindsberger zu finden. Es ist die erste Ausstellung der Künstlerin in einer Verkaufsgalerie. Zuvor konnte man ihre Werke in der Schaufenstergalerie Scharf, am Cinema Talks Festival 2024, in der Arbeiterkammer Graz, der Galerie Centrum oder dem SAMA Kunstfestival in Gruppenausstellungen sehen. 2024 erhielt sie das Ortweinstipendium des Landes Steiermark und gestaltete unter der Mentorenschaft von Helene Thümmel die Ausstellung FACETTEN. Artikulationen des Selbst gemeinsam mit Katharina Ertl, Leonard Merlin und Lena Tragbauer im Atelier raum in der Griesgasse. Für die Art Machine 2025, die am Pöllauer Hauptplatz günstig Kunst zum Mitnehmen aus einem Vintage-Zigarettenautomaten anbietet, fertigte sie kleine Votivbilder an, die die religiös anmutenden Motive mit einer frischen Portion Body Positivity aufladen. Im Herbst 2025 wird sie eine Residency in der Galerie der Kunstinitiative Kürbis Wies antreten. Hier möchte sie neue Wege einschlagen und vielleicht dann doch das eine oder andere Gesicht genauer malen.

Public Viewing
Bis 6.9.2025, Mi & Do: 15–18 Uhr, sowie nach Vereinbarung
Galerie Schnitzler & Lindsberger, Rechbauerstraße 21, 8010 Graz
www.sl-galerie.at