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Mutig & leidenschaftlich

Dries Verhoeven Foto: Willem Popelier

Über 150 Künstlerinnen und Künstler laden bei La Strada das Publikum ein, sich auf lustvolle Art und Weise mit aktuellen Themen auseinanderzusetzen. Ko-Direktorin Diana Brus und Intendant Werner Schrempf über die Entwicklungen des Festivals und den Stellenwert von Kultur.

Text: Martha Berger

Bald drei Jahrzehnte ist es her, dass La Strada das erste Mal in Graz die Straßen und Plätze für die Bewohnerinnen und Bewohner zurückeroberte. Zur Erinnerung: Damals hatten nur die allerwenigsten ein Handy – und selbst die konnten damit lediglich telefonieren oder simsen. Und was die Kommunikation via E-Mail betrifft, gab es zwar in den großen Redaktionen des Landes eine E-Mail-Adresse pro Ressort – die Hälfte der Redakteurinnen und Redakteure wusste allerdings nicht, was man mit diesen Dingern tun sollte. Seitdem ist viel passiert: Technologisch, (geo-)politisch, gesellschaftspolitisch wie natürlich auch in der Kunst – und all diese Entwicklungen und Themen der Zeit hat das Festival immer wieder aufgegriffen, hat Kulturschaffende dazu eingeladen, künstlerisch darauf zu reflektieren und dazu beigetragen, die Welt aus unterschiedlichen Perspektiven zu betrachten. Immer begeisternd, aber durchaus auch herausfordernd. „La Strada bietet kein Entspannungsprogramm, keine vorgekauten Produktionen, die einfach geschluckt werden können. Bei La Strada sollen alle ihre Zähne benutzen und fest zubeißen“, schrieb Intendant Werner Schrempf in einem seiner vielen Vorworte.

Circe Le Roux
Foto: Le Bon Marche Rive_Gauche

Für das kommende Festival verspricht er künstlerische Beiträge, die auf gegenwärtige Entwicklungen in poetischer, zarter und hoffnungsvoller Weise reflektieren, aber auch laut und explizit – auf den Straßen, auf Plätzen, in Parks und an ungeahnten Orten der Stadt, genauso wie im Zirkuszelt, im Theater und im Opernhaus. Hier werden Produktionen von Künstlerinnen und Künstlern zu sehen sein, die La Strada schon lange verbunden sind und das Festival als Teil ihrer künstlerischen Entwicklung sehen. La Strada hat viele von ihnen im Rahmen seiner Möglichkeiten über die Jahre gefördert. Auch im Festival-Netzwerk IN SITU wurden Künstlerinnen und Künstler begleitet, Residencies ermöglicht und Koproduktionen verwirklicht, die manchem heute großem Namen den Weg geebnet haben. Die künstlerische Entwicklung von Dries Verhoeven begleitet das Festival seit vielen Jahren und in diesem Jahr zeigt er seine neue Produktion Everything must go im Depot der Helmut-List-Halle. Im kommenden Jahr wird der Niederländer sein Land bei der Kunstbiennale in Venedig vertreten.

People Watching
Foto. Alexander Galliez

„Dauerhaftes und längerfristiges Zusammenwirken und der Austausch zwischen und mit internationalen wie auch österreichischen Künstlerinnen und Künstlern stehen im Zentrum unserer Bemühungen“, betont Werner Schrempf. Die Koexistenz so spannender Beziehungen wie der urbanen und der ländlichen Kultur, der internationalen und österreichischen Kunst machen La Strada erst zu dem, was es heute ist. „Ohne regionale Verwurzelung und gleichzeitiger Zusammenarbeit in internationalen Netzwerken würden wir auf der Stelle treten“, so Diana Brus. Denn Festivals schaffen Gemeinschaft: zwischen Künstlerinnen und Akteuren, aber auch dem Publikum, das mit einem Festival wächst. „Weshalb wir auch den Club La Strada ins Leben gerufen haben, der Einblicke hinter die Kulissen gibt und eine Unterstützungsplattform für die Kunst ist“, berichtet sie.

Ganz wesentlich auch heuer wieder der zeitgenössische Zirkus, der La Strada seit vielen Jahren in seinen Bann gezogen hat. Das Festival hat über die Jahre einen wesentlichen Beitrag geleistet, diese wunderbare Kunstform dem österreichischen Publikum näherzubringen. So standen die inzwischen international legendären 7 Fingers schon in Graz auf der Bühne, als sie nur kanadischen Insidern bekannt waren. Auch heuer kommen wieder spannende Produktionen zu La Strada – in allen Facetten und Formen. Der Cirque Pardi! lädt sein Publikum im Reininghauspark ins klassische Zirkuszelt ein, wo sich ein exzentrischer Haufen Ausgegrenzter in Glitzerkostümen, Fußballtrikots, Schlaghosen und Kniestrümpfen sein eigenes Paradies schafft. „Das ist wirklich eine ganz einzigartige Produktion, kraftvoll, voller Musik und auch auf schöne Weise trashig“, freut sich Diana Brus.

Außerdem zeigen der Cirque Le Roux mit Entre Chiens et Louves in der Oper Graz und People Watching mit Play Dead eine neue Facette des zeitgenössischen Zirkus: In beiden Produktionen spielen Kostüme und das Bühnenbild wieder eine größere Rolle und die Künstlerinnen und Künstler schwelgen in für diese Disziplin fast schon üppigen Bildern. „Außerdem sind beide Produktionen genau wie die Stücke des NoFit State Circus und von Circumstances ganz neu; und wir freuen uns, dass wir mittlerweile ganz weit vorn im Spielplan der großen Compagnien stehen“, so Schrempf.

Brot und Sterne
Foto: Hans Ringhofer

Was nicht nur für den Neuen Zirkus gilt, sondern auch für alle anderen Genres des Festivals – ganz besonders die Community Art. Für die La Strada im deutschsprachigen Raum ähnlich bahnbrechend war wie für den Neuen Zirkus – und sich dabei besonders für heimische Produktionen engagiert hat. Wie etwa seit 2021 mit dem mehrjährigen Community Art-Projekt Signal vom Dachstein, in dem sich fünf heimische Künstlerinnen und Künstler mit dem Gletscher als Indikator, als „Fiebermesser“ für den Klimawandel, auseinandergesetzt haben. In einer audiovisuellen Ausstellung im Marmorsaal von Schloss Trautenfels bleibt das Projekt auch in diesem Jahr sichtbar. Weiters wird das KUNSTLABOR Graz seine in der Ramsau entwickelte performative Installation zeigen und Christoph Huber sein mit dem Volkskulturpreis 2025 prämiertes bebildertes Hörspiel Gestern hots grengt. „Womit er sich großartig in eine authentische Kultur aus den Regionen einreiht und zeigt, dass Volkskultur ebenfalls Hochkultur ist und beides keineswegs getrennt voneinander betrachtet werden kann“, betont Werner Schrempf.        

Cirque Le Roux „Entre Chiens et Louves“
Oper Graz: 25.7. (Festivaleröffung), 26. & 27.7., 19.30 Uhr

Cirque Pardi!, „Low Cost Paradise“
Zelt im Reininghauspark: 26.7., 27.7., 29.7. 30.7., 31.7., 1.8., 2.8., 20 Uhr

Eléctrico 28, „The Place“
Graz Reininghaus: 26.–28.7. 10 & 18 Uhr

Club La Strada im Minoritenhof
27.7. Brot & Sterne/Tales of Wanderlust
Mit: Franz Hautzinger, Matthias Loibner, Peter Rosmanith
28.7. Otto Lechner & Ernst Huber mit Emiliano Sampaio „Vom Weltverdruss zur Bridge Over Troubled Water“
29.7. DeeLinde & Emiliano Sampaio Debüt Album
30.7. Luiza Monteiro Sextett/Jazz meets Música Popular Brasileira
Mit: Thomas Quendler, Johannes Mandl, Luiza Monteiro, Bernhard Potzmann, Gloria Handler, Alvis Reid

Studio Dries Verhoeven „Everything must go“
Helmut-List-Halle Depot: Täglich von 29.7. bis 2.8.
Einlass zu jeder vollen Stunde: 14, 15, 16, 17, 18, 19 Uhr
Empfohlen ab 14 Jahren, in englischer Sprache, mit Eintritt

Christoph Huber „Gestern hots grengt“
KIZ RoyalKino: 30.7., 18.30 Uhr

Circe Le Roux
Foto: Le Bon Marche Rive_Gauche

Das gesamte Programm: www.lastrada.at