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„Wollen kein Bachmann-Preis light sein!“

Wolfgang Pollanz Foto: Christian Koschar

Die „Kunst.Kultur.Tage Schillern – die kulturelle Landpartie“ haben sich zu einem Aushängeschild des kulturellen Lebens im Schilcherland entwickelt. Wir sprachen im Vorfeld der diesjährigen Ausgabe mit dem Schriftsteller Wolfgang Pollanz über die Initiative und sein Literaturprojekt Wies Open, das im Rahmen der diesjährigen Schillern-Ausgabe über die Bühne gehen wird. 

Text: Stefan Zavernik

Was bedeutet die Schillern-Initiative für die Kulturszene in der Region?

Schillern wurde im Mai 2022 erstmals als Pilotprojekt realisiert und hat sich seither zu einem jährlichen kulturellen Highlight entwickelt. Bereits 2017 formierte sich bei uns im Bezirk Deutschlandsberg unter der Leitung von Karl Posch eine Netzwerkgruppe aus zwanzig Kulturinitiativen. Es werden Ideen gemeinsam entwickelt, Erfahrungen geteilt und das Programm in enger Absprache aufeinander abgestimmt. So entsteht ein vielfältiges, gut vernetztes Gesamtprogramm.

Welche Rolle spielt die lokale Bevölkerung – sowohl als Publikum als auch aktiv Mitwirkende – im Konzept von Schillern?

Mit Schillern gelingt es, ein breiteres und vielfältigeres Publikum zu erreichen, auf sich aufmerksam zu machen und damit die kulturelle Arbeit am Land nicht nur zu stärken, sondern auch nachhaltig ins öffentliche Bewusstsein zu rücken. Viele Programmpunkte entstehen in enger Zusammenarbeit mit den regionalen Initiativen und Einzelpersonen, wodurch sich eine starke Identifikation der Menschen mit dem kulturellen Geschehen vor Ort ergibt. Das fördert das Verständnis der Region für aktuelle Kunst. Und die Bevölkerung ist nicht nur Publikum, sondern auch aktive Mitgestalterin.

Im Rahmen von Schillern findet 2025 erneut der Literaturwettbewerb „Wies Open“ statt. Welche Idee steht hinter diesem Format und wie wurde der Wettbewerb bisher angenommen?

Das Format „Wies Open“, also eine „offene Lesung“, für die man sich bewerben kann, haben wir bereits Anfang der 2000er entwickelt, in ganz unregelmäßigen Abständen haben wir zu diesen Lesungen immer wieder eingeladen, zuletzt im Oktober 2020 als Live-Stream. Die Idee dazu: Es gibt viele Menschen, die gerne schreiben, aber keine Möglichkeit haben, Texte zu veröffentlichen oder wenigstens einem Publikum zu präsentieren. Eine solche wollen wir auf diese Weise schaffen. Natürlich will das nicht ein „Bachmann-Preis light“ sein, denn das wäre ja bloß eine Travestie des Klagenfurter Wettlesens. Bei einem unserer ersten Wettbewerbe war die Siegerin des Abends übrigens die Autorin Gertrude Grossegger, die seither viele Bücher veröffentlicht hat.

Foto: Kürbis Wies

Inwiefern unterscheidet sich „Wies Open“ von anderen Literaturveranstaltungen in der Steiermark?

Der Begriff „Offene Lesung“ sagt es. Das Publikum weiß nicht, was es erwartet, auch die Juroren des Abends wissen es nicht. Die Schreibenden wählen ihre Texte egal welchen Genres selbst und frei aus. Vielleicht kann man dieses Format mit Poetry Slams vergleichen, nur dass hier nicht frei vorgetragen, sondern gelesen wird, eine klassische Wasserglas-Lesung also, die, wie wir finden, zu Unrecht ein wenig in Verruf geraten ist. Und neben der Bewertung durch die Jury gibt es auch einen Publikumspreis.

Welche Kriterien sind bei der Auswahl der eingereichten Texte entscheidend? Gibt es Aspekte, die über die literarische Qualität hinausgehen?

An dem Abend haben 10 Schreibende die Möglichkeit, sieben Minuten einen Text ihrer Wahl vorzutragen. Und da es immer mehr als 10 Bewerbungen gibt, muss es eine Vorjury geben. Die machen wir intern, das einzige Kriterium ist die Qualität der eingereichten Textbeispiele, es gibt keine sonstigen Aspekte, die berücksichtigt werden.

Wo werden die Siegertexte veröffentlicht?​

Normalerweise gibt es für die Teilnehmerinnen und Teilnehmer nur Sachpreise zu gewinnen, also Bücher der Edition Kürbis und Tonträger von Pumpkin Records. Bei der heurigen Ausgabe vergeben wir aber zusätzlich einen Sonderpreis. Es ist die Zusage, dass 2026 ein passender Text in einem Buch der Edition Kürbis erscheint, und zwar in der geplanten Anthologie „Am Ball“ zum Thema „Pop und Fußball“.

Die „Edition Kürbis“ wurde 1989 von Ihnen gegründet. Welche Rolle spielt der Verlag innerhalb der Kulturinitiative und wie hat er sich über die Jahre verändert?

Die Gründung dieses Kleinverlags war damals der erste Schritt zu einem Mehrspartenbetrieb. Davor hat es nur das Theater gegeben, danach hat sich durch das Plattenlabel Pumpkin Records, das Atelier im Schwimmbad, Kunst im öffentlichen Raum, die Galerie im Pfarrzentrum und unsere beiden Residency-Programme für Literatur und Kunst die programmatische Vielfalt entwickelt, für die „der Kürbis“ heute steht.

Welche Schwerpunkte setzt das Literaturprogramm aktuell?

Noch im Mai erscheint in der Reihe „Pop! Goes the Pumpkin“ der von Lisa Höllebauer herausgegebene Band Mehr als wir brauchen (und trotzdem wollen) mit Texten jüngerer Autorinnen und Autoren zu Objekten der Pop-Kultur wie das Nokia 3310, Cowboystiefel oder die Muppet-Show. Das Buch wird am 16. Mai im Kunst Klub Kräftner in Graz präsentiert.

Welche Bedeutung hat das Projekt „Writer in Residence“ für die Kulturinitiative und wie beeinflusst es das lokale Literaturgeschehen?

Die eingeladenen Autoren und Autorinnen sollen hier in Wies in Ruhe ihrer Schreibarbeit nachgehen können. Welche Kontakte dabei entstehen, hängt ganz von den jeweiligen Schreibenden ab. Diesen Herbst kommt Dominika Meindl nach Wies, 2026 dann Kurt Palm. Eine einzige Auflage gibt es: Alle Autorinnen und Autoren sollen einen Text über die Region verfassen. Geplant ist, diese Texte später als Sonderausgabe der Edition Kürbis in Buchform zu veröffentlichen.

Sie haben auch das Musiklabel „Pumpkin Records“ ins Leben gerufen. Gibt es Überschneidungen oder Synergien zwischen Musik und Literatur in Ihren Projekten?

Solche Synergien hat es immer gegeben, natürlich nicht nur in den Projekten, die ich für die Edition Kürbis betreue, sondern vor allem auch in meinen eigenen Büchern. Gleichzeitig haben wir zu Lesungen auch immer Musikerinnen und Musiker eingeladen, die dann gemeinsam mit den Lesenden den Abend gestalten. Das Label habe ich aber 2024 in die jüngeren Hände von Gabriel Schmidt gelegt, der nun dessen Herausgeber ist.

Welche Herausforderungen sehen Sie in der Zukunft für die Förderung von Literatur im ländlichen Raum?

Die Frage ist nicht, ob Literatur im ländlichen Raum gefördert wird, sondern ob sie ganz allgemein noch wahrgenommen wird und einen gesellschaftlichen Stellenwert hat. Im öffentlichen Raum sieht man ja kaum noch Menschen mit Büchern, gleichzeitig wird angeblich mehr denn je geschrieben und gelesen. Auf den Buchmessen erschlägt einen das Überangebot, und mit künstlicher Intelligenz kann man, wird behauptet, an einem Tag einen ganzen Roman schreiben. Wo liegt die Zukunft der Literatur? Ich weiß es nicht. Ich selbst lese und lese, entdecke immer wieder Neues. Und ich schreibe selbst auch weiter. Das ist alles, mehr will ich nicht.    

Schillern – Die kulturelle Landpartie
22.5.–1.6.2025

Programm-Infos unter: kuma.at/highlights/schillern

Wolfgang Pollanz ist Schriftsteller, Musiker und Kulturmacher. Seit 1989 hat er mehr als 20 Bücher veröffentlicht, zuletzt 2024 den Essay-Band „Von Arschlöchern, weißen Fahrrädern, Scheißfilmen und Zebrastreifen“. Im kommenden September erscheint „Ein durch und durch durchschnittliches Leben. Roman mit Fußnoten“ im Verlag Klingenberg, bereits im Mai die Vinyl-Schallplatte „when lights go low“ seines Musikprojektes Les Machines Molles. 
www.pollanz.com