
Verena Kiegerl hat gemeinsam mit Gero Tögl die Leitung von Theaterland Steiermark übernommen – mit dem Ziel, die Plattform zu verjüngen, weiter zu vernetzen und Theater noch stärker in die Regionen zu tragen.
Interview: Stefan Zavernik
Theaterland Steiermark gibt es seit 2004. Welche Motivation stand ursprünglich hinter der Gründung – und welche dieser Ziele möchten Sie unbedingt bewahren, wenn Sie die Plattform nun modernisieren?
Der Ursprung war ein klarer kulturpolitischer Auftrag: Theater und Kultur in die ländlichen Regionen zu bringen, niederschwellig und nah an den Menschen. Dieses Ziel bleibt absolut bestehen. Was sich verändert, ist die Art, wie wir das erreichen wollen. Wir möchten das Publikum verjüngen – also gezielt Menschen zwischen 15 und 35, junge Familien, Jugendliche ansprechen. Und gleichzeitig die Künstlerinnen und Künstler stärker international vernetzen, ihnen Sichtbarkeit und verlässliche Kooperationen bieten.
Sie leiten Theaterland künftig gemeinsam mit Gero Tögl. Wie ergänzen Sie sich im Team?
Gero bringt eine dramaturgische Ausbildung und kaufmännisches Know-how mit, ich komme aus der Theaterpädagogik und Regie. Ich sehe unsere Zusammenarbeit wie jene zwischen Dramaturg und Regie – es geht darum, die richtigen Fragen zu stellen, Feedback zu bekommen und dann unter mehreren Blickwinkeln Entscheidungen zu treffen. Wir denken oft unterschiedlich, finden dann aber Wege, die über beide Positionen hinausgehen. Das empfinde ich als sehr befruchtend.
Was verstehen Sie unter „modernem Theater“?
Modernes Theater sucht neue Zugänge – ästhetisch, thematisch, sozial. Mich interessiert weniger die Vermittlung von Hochkultur, sondern die emotionale und persönliche Involvierung. Theater soll Menschen berühren, nicht belehren. Das gelingt, wenn Kunst auf Augenhöhe passiert. In unseren Koproduktionen werden Themen verhandelt, die wirklich aus der Region kommen – etwa Tourismus, Arbeitsrealitäten, Familie. Ein Beispiel ist das Planetenparty Prinzip, das in Weißenbach mit Bewohnern zusammenarbeitet. Oder das mobile Wohnzimmer: ein künstlerisch gestalteter, wandernder Raum, der als Treffpunkt, Ausstellungs- oder Diskursort dient und regionale Recherchen sichtbar macht.
Warum braucht es Theater heute noch – und wie erreicht man Menschen, die bisher kaum Kontakt dazu hatten?
Weil Theater etwas kann, was kein anderes Medium schafft: Es spiegelt uns selbst in Echtzeit. Im besten Fall gehe ich raus und denke über mich, mein Umfeld, unsere Gesellschaft nach. Und es stiftet Gemeinschaft – ähnlich wie ein Fußballspiel. Menschen erleben gemeinsam etwas, das sie verändert. Um neues Publikum zu erreichen, braucht es Beteiligung: thematisch, künstlerisch, emotional. Wir wollen nicht erklären, was Kunst ist, sondern gemeinsam etwas erleben.

Das traditionsreiche Festival in Oberzeiring wird in dieser Form nicht fortgesetzt. Was kommt stattdessen?
Die Idee der Werkstatt bleibt, aber wir verteilen sie künftig auf die Regionen. Jede Festivalregion erhält eine Residenz, in der Künstlerinnen und Künstler mit lokalen Themen arbeiten. Wichtig ist uns, dass sie sich wirklich auf den Ort einlassen – mit offenen Proben, Begegnungen, Austausch. Es geht nicht darum, fertige Produktionen zu zeigen, sondern Prozesse sichtbar zu machen.
Welche neuen Festivalformate entstehen daraus konkret?
2026 wird es fünf Festivals geben – in Stainach, Weiz, Deutschlandsberg, Weißenbach und Stainz. 2027 folgt mit „KRAFT“ ein internationales Festival in der Oststeiermark, bei dem heimische und internationale Gruppen aufeinandertreffen und neue Theatermethoden erproben. Parallel dazu wollen wir einen Nachwuchspreis etablieren, der jungen Formationen eine Bühne bietet. 2028 entsteht schließlich in Graz ein großes Begegnungsfestival, das alle Kooperationen und Produktionen der vergangenen Jahre zusammenführt – ein Schaufenster der steirischen Theaterlandschaft.
Das klingt nach einem langfristig gedachten Kreislauf. Wie messen Sie, ob die Modernisierung erfolgreich ist?
Natürlich spielen Publikum und Auslastung eine Rolle, aber das ist nur ein Teil. Genauso wichtig ist, ob Prozesse in Gang kommen – ob sich Gruppen weiterentwickeln, ob Verbindungen halten, ob neue entstehen. Wir denken in Kreisen, nicht in einzelnen Events. Ein Projekt beginnt vielleicht in einer Region, wandert zum nächsten Festival und kehrt im Jahr darauf in neuer Form zurück. Wenn dieser Austausch funktioniert, wenn sich Menschen und Ideen wieder begegnen, dann ist das für mich Erfolg.
Welche Rolle spielt Graz dabei – als Kulturzentrum des Landes?
Graz ist der Ort, wo sich die Szene trifft, wo Netzwerke bestehen. Aber das Herz von Theaterland schlägt in den Regionen. Wir wollen keine Konkurrenz zur Stadt sein, sondern Brücken schlagen: Künstlerinnen und Künstler aus Graz in die Region bringen – und umgekehrt regionale Stimmen in größere Kontexte heben. Beim Festival 2028 wird Graz dann Gastgeberin für die ganze steirische Theaterlandschaft sein.
Und persönlich – wie fühlt sich dieser Übergang nach der Ära Peter Faßhuber und Wolfgang Seidl an?
Es ist ein fließender Prozess. Peter und Wolfgang übergeben uns viel Wissen, viele Kontakte, und wir übernehmen mit großem Respekt, aber auch mit Lust auf Neues. Wir wollen Theaterland Steiermark zu einer offenen Plattform weiterentwickeln – für Kunst, die in die Region und aus der Region kommt, und für Menschen, die sich darin wiederfinden.












