Ein neues Kapitel zeitgemäßer, menschennaher Psychiatrie: Mit dem ersten österreichischen Living Museum ist in Graz ein besonderer Ort entstanden: ein Raum der Offenheit, Kreativität und Selbstbestimmung – jenseits therapeutischer Kategorien.
Das Living Museum, das Anfang Dezember auf dem Gelände des LKH Graz II, Standort Süd, eröffnet wurde, versteht sich als Ort, an dem Kunst nicht bewertet, sondern gelebt wird. Sein Grundgedanke stammt aus New York, wo der Psychologe Janos Marton 1983 das erste Living Museum gründete – eine Initiative, die heute weltweit mehr als 60 Einrichtungen inspiriert, davon 33 offiziell von der Living Museum Society anerkannt. „In einer Zeit, in der psychische Belastungen stark zunehmen, brauchen wir Räume, die nicht primär Symptome behandeln, sondern Lebensqualität ermöglichen“, sagt der Ärztliche Direktor Prim. Univ.-Prof. DDr. Michael Lehofer. „Das Living Museum ist ein Brückenkopf zwischen Innen- und Außenwelt.“ Der Ansatz wirkt nicht therapeutisch im klassischen Sinn – und entfaltet doch eine heilsame Wirkung: Er verschiebt den Blick von der Diagnose zum künstlerischen Ausdruck.

Ein Raum, der Freiraum schenkt
Untergebracht ist das Living Museum Graz in der ehemaligen Anstalts-Meierei – einem früheren Stallgebäude, das heute wie ein urbanes Loft wirkt. Die offenen Räume, die sichtbare Geschichte des Hauses und die reduzierte Architektur schaffen eine Atmosphäre, die Kreativität ebenso fördert wie ein achtsames Miteinander. „Durch Adaptierungen wurde ein modernes, freies Raumkonzept umgesetzt, dessen Wirkung diesen Ort zum künstlerischen Freiraum werden lässt“, erklärt Betriebsdirektor Bernhard Haas. Die Struktur ist bewusst niedrigschwellig gehalten: Die Besucherinnen und Besucher gestalten ihren Tagesrhythmus, den Umgang miteinander und ihren künstlerischen Ausdruck selbst. Gesundheit-, Pflege- und Kulturlandesrat Dr. Karlheinz Kornhäusl betont die gesellschaftliche Dimension: „Hier entsteht ein geschützter Ort, der für Würde und Zugehörigkeit steht – und zeigt, welches Potenzial in Menschen steckt, die oft nur durch ihre Erkrankung wahrgenommen werden.“ Eine besondere Rolle spielt Alexandra Plettenberg, Germanistin und Kunsttherapeutin, die jahrzehntelang im New Yorker Living Museum wirkte und das Konzept nach Graz brachte. Sie beschreibt den Kern des Projekts so: „Das Living Museum ist ein Asyl im ursprünglichen Sinn – ein Ort, an dem sich Identität verwandeln kann, weil Menschen sich sicher fühlen und ihre künstlerische Stimme finden.“ Mit seiner Eröffnung setzt das Living Museum Graz ein starkes Zeichen für eine Psychiatrie, die Beziehungen, Kreativität und Teilhabe in den Mittelpunkt stellt – und lädt die Öffentlichkeit ein, diesen neuen Raum mitzudenken, mitzuerleben und mitzuwachsen.














