Der Akkordeonist Marko Živandinović gehört zu den eigenständigsten Stimmen der Grazer Jazzszene. Er spricht über Klangräume, Intuition und die Kraft von Frequenzen.
Interview: Sigrun Karre
Wie bist du zur Musik – und dann konkret zum Akkordeon gekommen?
Ich bin der Einzige in meiner Familie, der Musik macht. Aber in Serbien war Musik immer da: Mein Großvater hörte ständig Radio, meine Großmutter sang mit Gefühl, bei Feiern wurde live gespielt. Mit vier nahm mich mein Vater in ein Einkaufszentrum, eigentlich wollte er mir ein Spielzeug kaufen. Doch ich ging schnurstracks zu einem Akkordeon – und seitdem begleitet mich dieses Instrument.
Gab es dann sofort Unterricht?
Nein. Eine Musikschule gab es im Ort nicht, also hat meine Mutter eine Privatlehrerin gefunden. Ohne sie hätte ich diesen Weg wahrscheinlich nicht eingeschlagen.
Du bist mit Volksmusik aufgewachsen, wie sehr hat dich das musikalisch geprägt?
Volksmusik war allgegenwärtig, aber irgendwann kamen Punk, Rock, Funk, später Jazz. Und ich habe verstanden: Jazz ist im Grunde auch Volksmusik. Er kommt aus dem Moment, aus dem Leben, aus der Improvisation. Musik passte für mich nie in Schubladen.
Als Musiker bist du auch viel gereist. Gibt es Länder oder Regionen, die dich besonders geprägt haben?
Ja, da gibt es einiges. Aber eine Szene in Bulgarien vergesse ich nie: Ich ging durch ein Dorf und hörte unglaubliche Musik – sie zog mich sofort an. Ich ging näher und sah vier Roma-Kinder. Sie spielten auf Instrumenten, die teilweise kaputt waren – zum Beispiel eine Trompete mit nur einem Ventil, ein Akkordeon mit fehlenden Tasten. Und trotzdem: Sie machten so schöne Musik! Mit einer Freude, mit einer Wucht – unglaublich. Da habe ich mir gedacht: Wir haben alles zur Verfügung – perfekte Instrumente, Musikunterricht – und sind trotzdem oft nicht in der Lage, so mit Musik umzugehen.
Wie entstehen deine Stücke?
Für mich beginnt Musik mit etwas, das sich einstellt. Ich sage gern: Es ist mir etwas eingefallen. Das heißt nicht, dass ich es erfunden habe. Es ist plötzlich da. Eine kleine Melodie oder eine Klangidee. Ich notiere das, oft nur im Kopf. Und dann beginnt die Arbeit daran. Aber der Ursprung bleibt etwas Rätselhaftes.

2017 hast du die Musikschule TonOrt gegründet. Was unterscheidet sie von klassischen Schulen?
Wir lernen dort Musik wie eine Sprache: zuerst hören, aufnehmen, nachahmen – erst später lesen und schreiben. Auch Intuition ist wichtig: Einmal sollte ein Junge bei uns Klavier lernen, aber sein Blick blieb am Akkordeon hängen. Heute spielt er Akkordeon. Solche Momente zeigen mir, wie wichtig es ist, genau hinzuschauen. Und wir setzen stark auf gemeinsames Spielen. Bei unseren Jam Sessions stehen Anfänger mit Lehrern auf der Bühne, mit Licht, Technik und Publikum. Es geht nicht um Fehlerfreiheit, sondern um das Erlebnis, Musik zu teilen.
Kürzlich hast du die Band Handmade gegründet. Was macht dieses Projekt aus?
Der Name ist bewusst gewählt, weil ich kein Projekt wollte, das meinen Namen trägt, wie das in der Jazz-Szene üblich ist. Die Band funktioniert als Gemeinschaft, jeder bringt etwas Eigenes ein. Ich schreibe zwar die Stücke, aber immer mit den Menschen im Kopf, mit denen ich spiele. Jeder prägt mit seiner Persönlichkeit den Gesamtklang mit. Mit unserem ersten Album Le septième art sind wir gerade auf Tour, wir haben im Wiener Porgy & Bess gespielt, bei Dachstein Dialogen in der Ramsau, im Grazer WIST und sind beim Festival Jazz Ravne in Slowenien eingeladen.
Du arbeitest auch viel im Studio. Warum ist dir analog wichtig?
Weil unsere Ohren analog sind. Digitales hat viele Vorteile, aber analog klingt unmittelbarer. Ich sehe Studioarbeit wie Regie: mit Klang, Raum, Tiefe. Wenn beim Einspielen etwas nicht stimmt, kann man es später kaum retten. Ein Freund sagt immer: „Ein Mischpult ist keine Kläranlage.“
Du hast außerdem eine Meditations-App mitentwickelt. Wie passt das zu deinem Musikerleben?
Die App, die Soulnance heißt, habe ich gemeinsam mit der Bewusstseinstrainerin Bettina Brencic entwickelt. Für mich war und ist das eine persönliche Entdeckungsreise. Angefangen hat alles mit dem Komponieren und der Aufnahme von Musikstücken, die auf den Solfeggio-Frequenzen basieren. Weil ich mich sehr intensiv mit dieser Arbeit beschäftigt habe, bemerkte ich bald tiefgreifende Veränderungen an mir – ohne zunächst zu verstehen, woher sie kamen. Erst im Gespräch mit Bettina wurde mir klar, dass diese Veränderungen mit den Frequenzen zu tun hatten, die ich in dieser Zeit sehr regelmäßig gehört habe. Mit der Soulnance-App kombinieren wir diese Frequenzen mit Meditationstechniken, um Menschen ein „Handbuch für ein erfülltes Leben“ zu geben. Seit August 2025 ist die App in den Stores verfügbar – und es ist für mich sehr aufregend, ein solches Projekt mit in die Welt zu bringen.
Kann Musik heilen?
„Heilen“ ist ein großes Wort, und ich bin kein Arzt. Aber ich erlebe, dass die Frequenzen, welche wir in der Soulnance-App verwenden, etwas in Bewegung setzen: Sie heben alte Emotionen ins Bewusstsein und verändern somit Denken, Fühlen und Handeln. Sie lassen dich ruhiger und tiefer atmen und öffnen einen Raum, in dem du Veränderung zulassen kannst. Ich habe das an mir selbst erfahren, zum Beispiel habe ich aufgehört zu rauchen und die Lust auf alkoholische Getränke verloren. Meine Haltung zum Leben insgesamt hat sich verändert. Die von uns entwickelte Soulnance-Methode spiegelt unsere eigenen Erfahrungen wider. Sie ist als Bewusstseinskurs angelegt, um den emotionalen Rucksack, den wir mit uns herumschleppen, selbstständig in Lösung zu bringen. Wenn das geschieht, fühlt es sich für viele wie Heilung an.
Wohin soll die Reise jetzt gehen?
Ich plane nicht weit voraus. Ideen kommen, wenn sie reif sind. Musik ist für mich kein Karrierekonzept, sondern ein Weg, manchmal auch ein Umweg. Ich folge ihr dahin, wo sie mich hinträgt.
Marko Živadinović wurde 1979 in Serbien geboren. Seine musikalische Ausbildung begann im Alter von sechs Jahren und umfasste sowohl klassische als auch moderne Musik. Diese Ausbildung führte ihn quer durch Europa, von Serbien über die Slowakei, von den Niederlanden bis nach Deutschland und Österreich. Im Rahmen internationaler Projekte, unter anderem mit Roland Neuwirth & Extremschrammeln, Nenad Vasilić, Alegre Corrêa, der Big Band RTS und der Big Band HRT, bereiste er die Welt. Seit 2005 lebt Marko Živadinović in Österreich. 2017 gründete er die Musikschule „TonOrt“ (Standorte: Deutschfeistritz und Graz-Andritz in SiP, Schule in Pfeifferhof), wo er als Leiter und Pädagoge tätig ist. Mit der Formation Handmade (Marko Živadinović – Akkordeon, Jean-Baptist Rousseaux – Trompete, Zoran Šmic – Gitarre, Hrvoje Kralj – Kontrabass, Philipp Kopmajer – Schlagzeug) vereint er Balkan-Klänge und Jazz. Heute arbeitet er als freischaffender Akkordeonspieler, Komponist, Produzent und Mitbegründer von Soulnance, einem Start-up mit Unternehmenspartnerin Bettina Brencic, das 2025 eine App zur Bewusstseinserweiterung auf den Markt gebracht hat.













