25 Jahre „open music“: Ein Gespräch mit Ute Pinter über künstlerische Ideen, Wandel und Kontinuität einer Grazer Reihe, die zeitgenössische Musik lebendig hält.
Text: Stefan Zavernik
„open music“ wurde Anfang der 1990er Jahre in Graz ins Leben gerufen, und Sie haben die Programmverantwortung im Jahr 2000 übernommen. Wie kam es zu dieser Idee und was hat Sie persönlich dazu bewogen, dieses Format weiterzuführen?
„open music“ wurde von Wim van Zytphen initiiert, dann von Wolfgang Hattinger weitergeführt. Beide kannten mich u. a. über Kooperationsprojekte mit dem Kulturzentrum bei den Minoriten, wo ich einige Jahre verschiedene Kunstschienen, so auch die Musiksparte, betreut habe. Die Anfrage Wolfgang Hattingers, ob ich „open music“ übernehmen würde, kam gerade zum richtigen Zeitpunkt, als ich Graz in Richtung Wien verlassen wollte und so die Verbindung zu meinem langjährigen Lebensmittelpunkt aufrechterhalten konnte. „open music“ als Name triggerte bei mir sofort ein Programm. Alleinverantwortlich zeitgenössische Musik gestalten und veranstalten zu können, war eine willkommene Herausforderung. Aus einigen wenigen Konzerten pro Jahr wurde bald viel mehr, heute stehen wir bei im Schnitt 20 Programmpunkten.
„open music“ steht für Vermittlung „heutiger Musik“, oft genreübergreifend, interdisziplinär und mit einem Fokus auf Uraufführungen und österreichischen Premieren. Was war Ihrer Meinung nach die treibende künstlerische Idee hinter diesem Ansatz?
Um eine „Konzertreihe aktueller Musik“ zu präsentieren, muss man den Puls der künstlerischen Produktion und Entwicklungen fühlen: Formationen, die noch nie in Graz zu hören waren, Projekte mit hohem Aktualitätsgrad und Zukunftsblick, Anregung zu Projektinitiativen, ÖEA und UA teils auch von Auftragskompositionen spielen da als Anspruch und Richtwert für die Programmierung natürlich eine nicht unwesentliche Rolle. Interdisziplinäre, multimediale Ansätze wie auch musikalische Genreüberlappungen sind längst Teil auch der aktuellen Kompositionspraxis, bergen oftmals einen hohen Mehrwert, erweitern den Blick- und Hörwinkel, öffnen in Richtung Kollaboration bzw. auch Implementierung von Ausdrucksmitteln und -möglichkeiten anderer Sparten und deren Verarbeitung im eigenen künstlerischen Schaffen. Dabei gilt es aber, Beliebigkeit zu vermeiden und die innere Notwendigkeit wie auch Kompetenz in der Verwendung der Mittel erfahrbar zu machen.
Für wen ist „open music“ ursprünglich gedacht gewesen – und inwieweit hat sich das Publikum über die Jahre verändert oder weiterentwickelt?
Das Publikum war in den Anfangsjahren vor allem ein an Neuer Musik interessiertes. Durch die aktuelle Programmierung haben sich natürlich auch weitere Publikumskreise erschlossen. Einschlägiges Fach- wie auch langjähriges Stammpublikum findet sich da neben Neuzugängen, „Ziel“publikum, das an ganz bestimmten Programmpunkten oder Sparten interessiert ist neben Genre- und Venuesurfern … und nicht zuletzt findet sich auch das Publikum der inzwischen über 30 von „open music“ bespielten Locations ein.
Im Laufe der Jahre entstanden Subreihen wie „hybrid music“, die bewusst intermedial und experimentell angelegt sind. Wie haben sich Thema, Formate und künstlerische Schwerpunkte von „open music“ seit den Anfängen verändert?
Die während der Corona-Pandemie initiierte Projektreihe hybrid music, die neue Kompositionen und Performances per se als Hybridformate beauftragt und bislang etwa als interaktive Website, Radiokunst, geolocated Audiospots, Klanginstallation und Visual Staging plus Live-Konzert umgesetzt wurde, ist nur eine der „open music“-Subreihen. Wiederkehrend finden sich auch Formate wie Junge Stücke, für die ebenso Aufträge vergeben werden, oder die jährliche Erstpräsentation einer avancierten österreichischen Band bei der grazJAZZnacht. Auch Projekte, die den üblichen Konzertrahmen sprengen, sich an den Schnittstellen von Komposition und Improvisation, Analogem und Digitalem, Akustischem und Elektronischem bewegen, spartenübergreifend auch immer wieder Film und Visuelles, Literatur, Performatives u. a. m. einbeziehen, prägen seit inzwischen 25 Jahren das von mir verantwortete Programm. Die Veränderung und Entwicklung liegt dabei aber in der Kunst selbst, die es immer wieder aufs Neue aufzuspüren gilt.
Wie schaffen Sie es – besonders als überwiegend Einzelverantwortliche –, solch ein dichtes, vielfältiges Programm zu realisieren? Was bedeutet für Sie persönlich dieses 25-jährige Jubiläum – Rückblick, Motivationsquelle, oder Impuls für Neues?
Durch Begeisterung, Interesse, Leidenschaft, das Bedürfnis, relevante Inhalte und herausragende Qualität zu vermitteln, Augen und Ohren zu öffnen, und damit einen Beitrag zu leisten für die Gesellschaft, Entwicklung der Kunst und Aufrechterhaltung des Stellenwertes von Graz als einstmaliges Zentrum der Avantgarde in Österreich. „open music“ ist dabei nur der kleinere Bestandteil meiner Arbeit. Der Löwenanteil meiner Energie und Zeit fließt ja seit Ende 2007 in impuls.cc mit seinen Akademien und Festivals zeitgenössischer Musik, Kompositionswettbewerben und Projekten wie Text im Klang oder impuls MinutenKonzerte.
Welche Ideen haben Sie für die Zukunft von „open music“?
Ich liebe Kontinuität, Addition, natürliche Entwicklung und Kairos, den günstigen Augenblick. Digitales und Interdisziplinäres sind seit Jahren im Programm präsent, einer Verstärkung bedarf es dabei also nicht zwanghaft. Netzwerke und Kooperationen ergeben sich immer wieder aus gutem Grund. Die neuen Ideen und die Zukunft kann man dann wohl am besten durch einen Blick auf www.openmusic.at und vor allem auch ein Erleben vor Ort erfahren.
Was bedeutet „open music“ für Sie persönlich – in künstlerischer, kultureller, vielleicht auch gesellschaftlicher Hinsicht – und welchen Einfluss hoffen Sie mit dieser Reihe auf die steirische Musiklandschaft zu haben?
„open music“ ist schon per se eine „Ansage“. Steht für „open ears“, Öffnung, Offenheit auch vorerst Neuem, Anderem, vielleicht auch Fremdem gegenüber. Gleichzeitig braucht Offenheit und Öffnung aber auch eine Basis, einen Standpunkt, Überprüfung, Abwägung, Reflexion, Auseinandersetzung und Einsatzbereitschaft. „open music“ ist damit das Gegenteil von „anything goes“, es vertritt einen Wert, eine Haltung, bringt Differenzierungsfähigkeit, Genauigkeit, hohe Kompetenz und Qualität ins Spiel – für mich eine ungemeine Bereicherung und Notwendigkeit auch in außermusikalischen Belangen.













