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Kunst und die Zeit

round and round she goes and where she stops nobody knows: Eine Ausstellung über die ZEIT, kuratiert von zweintopf KULTUMUSEUM im Spiegelgitterhaus Gleisdorf, 20.6. bis 5.10.2025 Mit Werken von Manfred Erjautz, Richard Frankenberger, Sonja Gangl, Sarah Godthart, G.R.A.M, Detlev Hartmann, Ulrike Königshofer, Renate Krammer, Vevean Oviette, RESANITA, Irmgard Schaumberger, Werner Reiterer, Markus Wilfling, Gustav Zankl, zweintopf

Die fünfte Ausstellung „round and round she goes and where she stops nobody knows“ im Spiegelgitterhaus in Gleisdorf zeigt Arbeiten von 15 Künstlerinnen und Künstlern, die alle direkt oder indirekt um das Thema Zeit kreisen.

Text: Lydia Bißmann

Kuratiert wurde die Schau, die fast gänzlich aus der Sammlung Wolf bestückt ist, von Eva und Gerhard Pichler von zweintopf. Das Duo ist bekannt für seine Interventionen im öffentlichen Raum, die immer politisch, immer humorvoll, aber auch immer sehr feinfühlig sind. So schwimmen zweintopf schon mal in einem Brunnen in einem Einkaufszentrum, bestücken Skulpturen mit kinesiologischen Tapes oder Schwimmnudeln, legen einen überdimensionierten Eiswürfel in den Schoß einer Eisbärenstatue oder eine saftige Karotte vor ein steinernes Fohlen. Das Duo kuratierte regelmäßig Ausstellungen im Forum Stadtpark, in der Akademie Graz oder auch an öffentlichen Plätzen wie dem Karmeliterplatz oder dem Lendplatz, wo ihre Tape-Intervention Monument immer noch zu sehen ist. Seit vier Jahrzehnten sammelt der ehemalige Steuerberater und Wirtschaftsprüfer Erich Wolf zeitgenössische steirische Kunst. 2023 verwandelte er einen ehemaligen und vom Verfall bedrohten Pfarrstadel in einen idealen White Cube, in dem regelmäßig zeitgenössische steirische Kunst nach 1945 mit Bezügen auf seine Sammlung gezeigt wird. Die Sammlung Wolf umfasst insgesamt 3.445 Einzelarbeiten, die sich auf 1.220 Projekte von 179 Künstlerinnen und Künstler verteilen.

Markus Wilfling, Uhr, 2005; Gustav Zankl, OGIII-2, Ruhe/Bewegung/Ruhe,1969
Foto: zweintopf

Logistik, Freundschaft und Tagebücher

Mit sehr viel Augenzwinkern und Mut zum Tiefgang inspiriert die Ausstellung zum Nachdenken über das, was war und sein wird, zeigt aber auch die herrlichen Resultate davon, was entstehen kann, wenn man sich einfach Zeit lässt. Namensgebendes Werk für die Schau ist eine Arbeit des Fluxus-Künstlers Detlev Hartmann, der die Worte „round and round she goes and where she stops nobody knows“ (2006) mit Permanentmarker auf Papier festgehalten hat. Diese kryptischen Worte sind neben sehr eigenwilligen Uhren positioniert. Manfred Erjautz hat etwa in Against the Day (2009) mit einer Vergoldung einer elektromechanischen Faltblattuhr die Minuten und Stunden genommen. Dass die Zeit vergeht, ist nur durch das Umdrehen der Blätter wahrnehmbar – außer dem Geräusch gibt es diesbezüglich keine Orientierung mehr. Markus Wilfling verzichtet in seiner Arbeit Uhr (2005) auf die Zeiger und lässt dafür ein innenliegendes Ziffernblatt rotieren. Eine ganz andere Auffassung von Zeit, die viel mehr in die Richtung Beziehung statt Messung geht, bietet das Werk von Irmgard Schaumberger in der Mitte des Raumes. Die Installation Wir zeigt um die 80 abgenommene Handlinien von befreundeten Personen und Wegbegleitern der inzwischen verstorbenen Künstlerin, die sie seit 2007 auf Tonsteine übertragen hat. Auf der Unterseite der Steine befinden sich die Namen der Besitzer der Handlinien, zu denen u. a. Wolfgang Temmel, Werner Fenz oder Johannes Rauchenberger zählen. Aus Lebens-, Kopf- und Herzlinie kann – wenn man das möchte – die Zukunft als weitere Dimension der Zeit herausgelesen werden. Das Ensemble der Keramikkünstlerin kann aber auch als steinernes Freundschaftsbuch gelesen werden. Freunde und Besucherinnen dürfen sich auch in den gebundenen Mal-Tagebüchern von Richard Frankenberger verewigen, die der Künstler konsequent seit Jahren führt und wo ebenfalls jede Seite unverwechselbar und einzigartig als eigenes Kunstwerk ist.

Irmgard Schaumberger, wir, ab 2007
Foto: zweintopf

Apocalypse later und die Essenz von 18.926 Blättern

Die Arbeiten von zweintopf selbst haben sich dem Thema Zeit mit zarten, aber in der Botschaft mächtigen Artefakten angenommen. Ein wenig schaurig, aber auch lustig ist die Arbeit All things must pass (2002), die fünf Datumskettchen in römischen Zahlen mit nicht stattgefundenen oder noch ausstehenden Apokalypsen zeigt. Szenarien, die gerne von Fundamentalisten zur Einschüchterung verwendet werden, in Modeschmuck zu gießen, macht aus der Bedrohung eine Art Happening, das man getrost im Kalender anstreichen kann. Dazu passt auch Werner Reiterers digitales Display, das in My predicted lifetime (2009) die noch verbleibende Lebenszeit des Künstlers in Kategorien wie Jahren, Stunden und Minuten herunterzählt. Basis für die Vorhersage seines Sterbezeitpunktes sind Formeln aus der Versicherungsmathematik. Spätestens hier verliert man beim Besuch der Schau die Berührungsangst mit dem Thema, das für viele von uns kein leichtes ist, da es immerhin auch das Thema Abschied und Tod beinhaltet. Für Flow, Hingabe und die Bereitschaft zur angewandten Kontemplation stehen hier die Arbeiten von Sonja Gangl, die in The End (2009) ein Standbild eines typischen Filmendes mit dem Wort „Fin“ detailgetreu mit Bleistift auf Leinwand nachgezeichnet hat. Wie genau, davon kann man sich am daneben gehängten Flachbildmonitor überzeugen. Renate Krammer ist mit ihren Arbeiten Time passes by (2024–2025) aus Maulbeerpapier gleich mit fünf Werken vertreten. Hier legt sie unzählige Lagen von handgerissenem Papier übereinander und schafft damit einen spannenden Ort zwischen Linie und Skulptur. Sehr viel Zeit haben RESANITA vermutlich mit der Herstellung ihrer Installation Eines von Fielen (2016/2017) verbracht. 18.960 Eichenblätter eines Baumes wurden dafür sorgfältig gepresst und jedes einzelne auf ein Stück Papier geklebt. Die Papierstöße sind fein säuberlich neben Ästen und Stämmen des dazugehörenden Baumes drapiert. Jedes der abertausenden kleinen Blätter wurde überdies fotografiert und die Bilder am Computer übereinander gelagert – das Resultat ist eine wolkig-fluffige Blattgestalt, die die ganze Essenz der Eiche (einem Baum, der bis zu 1.000 Jahre alt werden kann, wenn man ihn lässt) in sich zu tragen scheint. Ein schöner Abschluss der Ausstellung ist das Bleistiftbild 2-/4-dimensionaler Heiligenschein (2017) von Werner Reiterer, das sich nicht nur mit einem Kreis – dem Symbol für Einheit und Vollständigkeit –, sondern auch mit einer kleinen Tür zeigt. Was sich hinter dieser Tür verbirgt – Wiedergeburt, Nirwana oder Paradies – bleibt offen …         

Ulrike Königshofer, Wind, 2015; Sonja Gangl, THE END_1000000 & THE END_MOVIE _ 1000000, 2008; Irmgard Schaumberger, wir, seit 2007; Markus Wilfling, Schattenobjekt Uhr, 2005 (v. l.)
Foto: zweintopf

round and round she goes and where she stops nobody knows
Bis 5.10.2025, Fr 17–19 Uhr, Sa 10–12 Uhr, persönliche Terminvereinbarung unter 0664/221 81 84
Mit Werken von Manfred Erjautz, Richard Frankenberger, Sonja Gangl, Sarah Godthart, G.R.A.M., Detlev Hartmann, Ulrike Königshofer, Renate Krammer, Vevean Oviette, RESANITA, Irmgard Schaumberger, Werner Reiterer, Markus Wilfling, Gustav Zankl, zweintopf. Kuratiert von zweintopf.

Spiegelgitterhaus
Kernstockgasse 28, 8200 Gleisdorf

Die Ausstellung ist Teil des Hochsommerart-Festivals von 1. bis 10.8.2025. In dieser Zeit ist das Spiegelgitterhaus von 10 bis 18 Uhr geöffnet, am 8.8. gibt es von 18 bis 19 Uhr eine Kuratorenführung mit zweintopf.