
Von Fotoausstellungen im Vorgarten über Konzerte im Schlosshof bis zu Kunst im Kohlenkeller (KUKO) oder den prunkvollen Sälen – auf Schloss St. Martin wird Kultur sehr divers gedacht. Anna Thaller, Leiterin und Kuratorin, im Interview.
Österreichs ältestes Bildungshaus befindet sich im Spätrenaissance-Ambiente eines Schlosses. Was macht die Besonderheit dieses Ortes aus?
1025 – also vor genau tausend Jahren – wurde Schloss St. Martin erstmals urkundlich erwähnt. Beinahe 800 Jahre lang gehörte es dem Stift Admont, seit 1919 ist es Bildungshaus und 1936 hat das Land Steiermark Schloss und Schlosskirche käuflich erworben. Heute verstehen wir unsere Arbeit so, dass wir in Bildungs- und Kulturveranstaltungen Tradition und Innovation miteinander in Balance bringen. Unsere Idee einer Erwachsenenbildungseinrichtung ist, ein weltoffenes Haus für alle am Puls der Zeit zu sein.
Am Puls der Zeit ist man auch dank wechselnder Ausstellungen, die im und um das Schloss gezeigt werden. Warum bietet sich ein Bildungshaus zur niederschwelligen Konfrontation mit Kunst an?
Die Teilnehmenden unserer Veranstaltungen sind mit dem Betreten des Schlosses beziehungsweise eines Seminarraumes quasi „in der Galerie“. Sie kommen unmittelbar, nebenbei und ganz unaufdringlich mit Kunst in Berührung und können sich diesen Eindrücken gar nicht entziehen. Das macht einen kostenlosen und niederschwelligen Zugang. Mein Credo lautet: Die Kunst ist ein Teil der Bildung.

Foto: Ulrike Rauch
Wie viele Besucherinnen und Besucher sehen im Schnitt die ausgestellten Arbeiten?
Wir zeigen vier Ausstellungen pro Jahr und mit der kürzlich zu Ende gegangenen Schau des Künstlerbundes Graz habe ich meine 50. Ausstellung hier im Haus kuratiert. Im Schnitt sehen rund 1.000 Menschen in den sechs Wochen, in denen eine Schau läuft, das Gezeigte. Hochgerechnet ergibt das eine beträchtliche Zahl von rund 40.000 Menschen, die in diesen 50 Ausstellungen mit Kunst in Berührung kamen. Ich bin selbst als Schmuck-Künstlerin tätig und davon überzeugt, dass die Kunst ihren Raum braucht – und in St. Martin hat sie diesen in vielfältiger Weise.
Nach welchen Kriterien wählen Sie die gezeigten Künstlerinnen und Künstler aus?
Es gibt eine lange Liste an Bewerbungen, ich schaue mich in der österreichischen und der internationalen Szene um und natürlich gibt es auch Empfehlungen. Mein Anspruch ist: Die Positionen sollen zeitgenössisch sein, wenngleich es ausnahmsweise auch Ausstellungen gibt, die posthum gezeigt werden. Mein Fokus ist in den letzten Jahren tatsächlich jünger und weiblicher geworden. Kunst soll Botschaften vermitteln und diese Botschaften dürfen gerne gesellschafts- und demokratiepolitische Inhalte in sich tragen.
Gezeigt wird Malerei, Skulptur, Musik, Fotografie u.v.m. – ist die Vielfalt der Schlüssel zum Erfolg?
Die Vielfalt der gezeigten Disziplinen ist dem Schloss geschuldet, weil viele Aspekte der Kunst hier rund um und im Schloss wunderbar Platz haben. Das Haus wurde immer schon künstlerisch bespielt und meine Vorgängerinnen und Vorgänger waren stets in Verbindung mit großen Denkern und Künstlern. Seit der Übernahme der Leitung 2013 habe ich versucht, der Kunst mehr Raum zu geben. Dies geschah durch die Erweiterung der Galerie im Großen Saal, die jetzt auch Südturm, Kakaozimmer und Salon einschließt. Mit dem Waldweg haben wir Kunst im öffentlichen Raum gezeigt, mit der Eröffnung des KUKO 2016 wurde dieses Angebot nochmals erweitert.

Foto: Manfred Eibl
Der angesprochene KUKO („Kunst im Kohlenkeller“) ist einer der interessantesten Kunsträume des Landes. Was steckt hinter dieser Idee?
Dieser Raum war ursprünglich ein Kohlenkeller, gebaut 1941. Als ich diesen Raum zum ersten Mal sah, war die Idee geboren, Kunstschaffende einzuladen und ihn als Experimentierfeld zu nutzen. Mein Anspruch ist, dass Künstlerinnen und Künstler auf diesen Raum reagieren und Ausstellungen konkret für den Raum konzipieren. Man muss auf seine Kargheit reagieren, den wüsten Leitungsbau integrieren und das Betongewölbe bewusst einbauen. So eignet er sich wunderbar für Installationen und Ausstellungen und die Vernissagen auf der Südseite des Schlosses haben immer Festcharakter.
Was wird als Nächstes im KUKO gezeigt?
Wir eröffnen am 12. Juni die Ausstellung Urbane Biotope in Kooperation mit der Ortweinschule, im Rahmen derer wir die Meisterklassen für Keramische Formgebung sowie Schmuck- und Metallgestaltung in den KUKO einladen. Es sind sehenswerte Arbeiten, die hier von den Studierenden geschaffen werden und wir geben ihnen die Möglichkeit, den KUKO zu bespielen und damit auch Ausstellungsdesign zu erlernen. Eine Besonderheit wird sein, dass wir die Schau bis zum 19. Juni zeigen: An diesem Feiertag (Fronleichnam) ist die Styriarte mit Konzerten in der Schlosskirche und im Schlosshof zu Gast und das Publikum hat die Möglichkeit, auch die Ausstellung im KUKO zu sehen – ein Mehrwert für alle.
Eine besondere Attraktion sind die Konzerte des St. Martin Chors.
Die Konzerte im wunderbaren Schlosshof sind eine eigene Produktion unseres 2021 gegründeten St. Martin Chors, den wir damit auf die Bühne holen. Mit Lukas Fink als künstlerischem Leiter haben wir einen echten Shooting-Star der steirischen Chorszene bei uns im Haus. Der Chor – bestehend aus 65 Personen – probt wöchentlich und gibt im Jahr fünf Konzerte. Im Sommer im Schlosshof, im Winter in der Schlosskirche.

Chorgesang ist auch der Schwerpunkt der 4. St. Martiner Singwoche.
Lukas Fink leitet heuer erstmals auch die St. Martiner Singwoche, vormals als Steirische Singwoche bekannt. Sie findet in der ersten Ferienwoche statt. Chorsängerinnen und -sänger nehmen sich eine Woche lang Zeit, um in Gemeinschaft Chorliteratur mehrerer Epochen zu erarbeiten, zum Abschluss gibt es ein Chorkonzert mit Atelierpräsentationen. Die Woche bietet zusätzlich auch täglich Workshops zu den Themen Stimmimprovisation, Percussion, Improtheater, Vokalensemble und Volkstanz. Es sind noch ein paar Restplätze für Spätentschlossene frei – bitte rasch anmelden.
Das Renaissanceschloss ist ein architektonisches Juwel. Was wurde in den letzten Jahren revitalisiert?
Wir haben seit vielen Jahren eine Außenbeleuchtung: Damit ist das Juwel am Stadtrand auch in der Dunkelheit gut sichtbar. Mittlerweile sind alle Seminarräume und Schlosszimmer sowie auch das Schlosscafé neu gestaltet. Die Schlosskirche wurde 2019 innen restauriert. Auch der Schlosshof samt Arkadengang ist fertig und erscheint in seiner ursprünglichen Farbe. Damit bieten wir ein außergewöhnliches Ambiente für Bildungs- und Kulturveranstaltungen mit der Besonderheit, dass wir durch die Schlossküche auch alle Veranstaltungen kulinarisch versorgen können.
Neueste Attraktion ist seit wenigen Wochen „Das Augustiner“. Was steckt dahinter?
„Das Augustiner“ ist der neue Name des kleinen Speisesaals, in dem nun Werke von Werner Augustiner gezeigt werden, einem der wichtigsten Vertreter der Steirischen Moderne. St. Martin hat 1986 nach seinem Tod eine Schenkung bekommen und diese wird als Dauerausstellung in St. Petersburger Hängung präsentiert – ein aktuelles Highlight unseres breit gefächerten Angebots.
Ausstellung „Urbane Biotope“ im KUKO
Eröffnung: 12.6., 19 Uhr (zu sehen bis 19.6.)
Sommerkonzert des LaBC im Schlosshof
26.6., 19.30 Uhr
Fotoausstellung im Schlosspark
Eröffnung: 2.7., 19 Uhr (zu sehen bis 26.10.)
St. Martiner Singwoche
6.–12.7.2025
Chorkonzert mit Atelierpräsentation im Rahmen der St. Martiner Singwoche
11.7., 19 Uhr
Ausstellung Elisabeth Gschiel im Großen Saal und KUKO
Eröffnung: 3.9., 19 Uhr (zu sehen bis 13.10.)
Konzerte St. Martin Chor
22. und 24.1.2026 (Schlosskirche)
Ausstellung Helene Thümmel im Großen Saal
Eröffnung: 4.2.2026, 19 Uhr (zu sehen bis 20.3.)
Bildungshaus Schloss St. Martin
Kehlbergstraße 35, 8054 Graz
www.schlossstmartin.at