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Rückkehr zur Wurzel der Entfremdung

Emilie Haidacher als Tochter und Ute Veronika Olschnegger als ihre Mutter Anna bei der finalen Konfrontation Foto: Wegscheidler/TiK

Eine Parabel auf die Weltflucht von Entmachteten nach Motiven der Erzählung „Augen eines blauen Hundes“ schuf Autorin Lilly Jäckl für das TiK.

Text: Wolfgang Pauker

In ihren Träumen, wenn sie schlafen, sind sie beieinander: Anna und Mikloš. Seit Jahren schon. Nun versucht Anna, ihren Liebsten in der Realität zu finden. Einer Realität, die ihr schon längst abhandengekommen ist. In dieser hat Anna einen Ehemann, der ihr so entfremdet ist, dass man sie mit Fug und Recht als Alleinerzieherin ihrer Tochter bezeichnen kann. Der schlafwandlerische Zustand der Mutter, den das Medikament Psychopax hervorruft, zerrt allerdings am fragilen Nervenkostüm der 14-jährigen Tochter …

Walther Nagler spielt den entfremdeten Ehemann
Foto: Wegscheidler/TiK

Psychopax

Das neue Stück der vielseitigen Grazer Autorin Lilly Jäckl – eine Auftragsarbeit des Theaters im Keller im Rahmen einer Serie mit heimischen Autorinnen – ist die Neuadaption eines Stoffes, dem sich Jäckl bereits 2005 widmete. Hintergrund damals wie heute: Die Kurzgeschichte Augen eines blauen Hundes von Gabriel García Márquez, in der sich zwei Träumende immer wieder in einem Hotelzimmer begegnen. Jäckl spann die Idee weiter und verfasste das schonungslos verstörende Theaterstück psychopax, welches für den Retzhofer Literaturpreis nominiert und auszugsweise beim „steirischen herbst“ gezeigt wurde. Die Erstfassung sollte als Aufschrei und Warnung verstanden werden, in die Eigenverantwortung zurückzukehren und sich gegen Manipulation und Geschäftemacherei auf Kosten des eigenen Seelenlebens zu wehren. Namentlich in Form des seit 1963 auf dem Markt befindlichen und stark abhängig machenden Psychopharmaka Valium.

Foto: Wegscheidler/TiK

Psychopax 0.1

Aus gegebenem Anlass – ca. 60 % der österreichischen Jugendlichen leiden unter psychischen Problemen, seelische Vereinsamung greift um sich, und zahlreiche Geschäftsfelder versprechen Linderung – widmete sich die Autorin erneut dem Stoff. Doch 2024 ist das Stück in der Regie von Eva Weutz keine Warnung mehr, sondern eine Art Rückkehr zur Wurzel der Entfremdung, eine Parabel auf die Weltflucht von Entmachteten.   

Termine: 17., 18., 19., 20., 21.*, 24., 25., 26. April, jeweils 20 Uhr
*So, 21.4.: 19 Uhr
Theater im Keller
Münzgrabenstraße 35, 8010 Graz
www.tik-graz.at