Start Featureshome Die ganze Welt in Judenburg

Die ganze Welt in Judenburg

Lutz Jäkel und Nadine Pungs aus Berlin präsentieren am Freitag Geschichten und Fotografien aus allen neun Ländern der arabischen Halbinsel Foto: Nadine Pungs

Abenteuer- und Reisevortragsfestival El mundo: Regionalentwickler Gerfried Tiffner ist Mitbegründer des mittlerweile längstdienenden Referentenwettbewerbs im deutschsprachigen Raum, der am 13. und 14. Oktober das obersteirische Judenburg erneut in einen Hotspot für Individualreisende aus ganz Europa verwandelt.

Text: Lydia Bißmann

Wie kam es zur Gründung von El mundo?

Zwei Freunde und ich waren damals bereits zehn Jahre selbst auf Weltreisen unterwegs. Daraus haben wir einen Vortrag gestaltet, den wir an diversen Orten – in Graz und auch in den Regionen – abgehalten haben. Mit Anfang 30 wird das Reisen immer schwieriger durch Job, Kinder und Familie, also haben wir uns etwas überlegt, wie wir andere Reisende trotzdem treffen und uns mit ihnen austauschen können. 1999 starteten wir in unserer Heimatstadt Judenburg den Versuch, andere Traveler zu motivieren, ihre Geschichten zu erzählen. Es hat sofort funktioniert. Ich denke, das war der perfekte Zeitpunkt, da es den Ansatz, Vorträge in Form eines Wettbewerbs zu veranstalten, damals im deutschsprachigen Raum nicht gab.

Wer steckt hinter dem Team des El-mundo-Festivals?

Das El-mundo-Team stammt aus Judenburg und Umgebung, seit Beginn an sind wir zu fünft. Neben mir sind das Kurt Kaiser, mittlerweile Marketingchef von Burgenland Tourismus und auch unser Festival-Moderator, Christian Pannenberg (heute Architekt in München), Mediaplaner Robert Theuermann und Uwe Surtmann, Inhaber der Werbeagentur Crearteam.

El-mundo-Team: Kurt Kaiser, Uwe Surtmann, Robert Theuermann, Christian Pannenberg und Gerfried Tiffner (v. l.)
Foto: Bergschaf

Warum ist das analoge Erzählen und das Zeigen von statischen Bildern auch oder gerade in der heutigen Zeit so fesselnd und faszinierend für die Menschen?

Gute Reiseerzählungen sind nicht nur Unterhaltung, sondern auch ein kulturell hochwertiges Produkt. Die Begeisterung für die Live-Erzählung steckt in unseren Genen, das haben die Urmenschen schon am Lagerfeuer betrieben. Man kann Geschichten über Social Media oder das Fernsehen konsumieren, aber Vorträge in Echtzeit sind anders. Wenn der Funke von der Bühne auf das Publikum überspringt und alle mitgehen, mitlachen und klatschen, ist das fast ein Ganzkörpererlebnis. El mundo zeichnet aus, dass bei uns „Kurzgeschichten” gebracht werden. Die Zeit ist auf 30 Minuten begrenzt. Dadurch gibt es eine enorme Vielfalt an Erzählenden und Erlebnissen und Eindrücken. Das Format zwingt die Vortragenden auch dazu, sich auf das Beste zu konzentrieren. Die Vorträge werden speziell für unser Format produziert und in Judenburg einmalig gezeigt. Das Festival dauert zwei Tage, pro Tag zählen wir um die 500 Gäste.

Welche Skills muss man beherrschen, um das Publikum und die Jury zu beeindrucken?

Es geht darum, dass man eine gute Geschichte hat und sie auch dementsprechend bringt. Gewertet wird in den Kategorien „Gesamtvortrag“, „Beste Fotografie“ und „Beste Story“. Zusätzlich wird der Publikumspreis vergeben. Es gewinnen nicht unbedingt die arriviertesten Fotograf*innen oder Erzähler*innen, sondern die, die Neues bringen, authentisch sind und Emotionen wecken. Hier spielen viele Faktoren eine Rolle: Humor, Spannung, Spannungsbögen, fotografische Untermalung oder ungewöhnliche Erzählweisen. Zum Beispiel haben zwei Wiener mit den letzten Steinzeitmenschen vier Monate lang im malaysischen Dschungel zusammengelebt und darüber berichtet, wie sie hauptsächlich als Belustigung für die dort ansässigen Menschen gedient haben, weil sie in deren Augen eben so ungeschickt gewesen sind. So kann man eine Geschichte auch aus anderer Perspektive erzählen.

Preisträger*innen des Festivals El mundo aus dem Jahr 2022: Dylan Wickrama, Joshua Steinberg, Priska Seisenbacher und Florian Astor (v. l.)
Foto: Brenner

Teil des Gesamtpakets des El-Mundo-Festivals ist die Jury. Wie werden die Jurymitglieder gefunden?

Wir sind laufend auf der Suche nach geeigneten Jurorinnen und Juroren. Die Jury ist heterogen – wir haben Menschen dabei, die etwas von Fotos verstehen oder selbst aus der Vortragsszene sind, und andere, die von der Literatur kommen wie Valerie Fritsch oder Helge Timmerberg. Zufällig kannte jemand von uns diesen Kultautor aus seiner Zeit in Wien und er hat sofort zugesagt. In seinem Buch Die Straßen der Lebenden (2019) hat er uns sogar ein Kapitel gewidmet, in dem das Festival sehr sinnlich beschrieben ist. Mentor der ersten Stunde und El-Mundo-Urgestein ist der Autor und Asienspezialist Bruno Baumann. Er hat den Jury-Vorsitz über und kommt eigentlich immer – wenn er nicht gerade in Tibet beim Dalai Lama ist. Die Jurymitglieder wechseln sonst jedes Jahr. Ein großer Fan von uns ist auch der Journalist Frido Hütter, der sechs Jahre lang Juror bei El mundo war.

Was ist der Anreiz beim El-mundo-Festival vorzutragen? Gibt es hohe Preise zu gewinnen?

Bis auf das moderate Preisgeld sind es in erster Linie die Ehrenpreise für die Gewinner*innen, die motivieren, sich für eine Teilnahme zu bewerben. Die El-mundo-Trophäen gelten mittlerweile als „Oscars der Reisevortragsszene“. Viele Referent*innen haben durch die Preise Aufmerksamkeit bekommen und können sich dadurch besser vermarkten. Darum machen sie mit. Der Weg von Berlin oder Hamburg in das kleine Judenburg ist ein langer, vor allem wenn es keine Gage gibt. Sie genießen zudem auch die Gesellschaft der Community – es geht nicht nur um den Wettbewerb. Ein Höhepunkt für mich war der Besuch von Lonely-Planet-Gründer Tony Wheeler, der 2002 außer Konkurrenz einen Vortrag über die legendäre Entstehungsgeschichte seines Verlags gehalten hat. Lonely Planet war vor 30 Jahren noch die Bibel der Individualreisenden und Tony Wheeler ihr Gott. Er hat damals einen Steirerjanker von uns geschenkt bekommen, den er für seinen Auftritt auf der Frankfurter Buchmesse im Anschluss gleich anbehalten hat.

Lotta Lubkoll wird am 13.10. von ihrer Wanderung mit Esel Jonny von München über die Alpen bis ans Mittelmeer erzählen

Wie wird El mundo finanziert?

Wir selbst machen die Organisation aus Spaß an der Sache. Unsere Motivation ist es immer, spannende Menschen nach Judenburg zu holen. Wir sind der Stadt Judenburg und dem Land Steiermark dankbar für die Unterstützung, die eine Grundfinanzierung ermöglicht. Ansonsten ist die Finanzierung jedes Jahr eine neue Herausforderung, die Zeiten sind nicht einfach. Seit Corona ist das Akquirieren von Sponsoren schwieriger geworden. Als obersteirischer Veranstalter haben wir es geschafft, uns im deutschsprachigen Raum einen Namen zu machen – das ist schon eine Leistung. Dass unser Festival in deutschen und Schweizer Medien wie der Berliner Zeitung oder der NZZ erwähnt wird, ist schön. Internationale Anerkennung tut einfach gut.

Warum findet das renommierte Reise-Event immer noch in der Peripherie statt?

Es gab zehn Jahre lang die Diskussion, uns zu vergrößern und woanders hinzugehen. Dieses Thema ist abgeschlossen. Der schöne barocke Festsaal in Judenburg ist sehr stimmig, das Städtchen bietet ein gemütliches Ambiente, das in einer großen Stadt vielleicht gar nicht so möglich wäre. Unsere Gäste kommen zu einem beträchtlichen Teil von außerhalb der Steiermark, viele reisen sogar mit ihren Expeditionsfahrzeugen an und schätzen dann auch die Möglichkeit, untertags mal auf den Zirbitzkogel zu gehen oder die Ausstellungen des Photomonats Judenburg zu besuchen, der ebenfalls zu dieser Zeit stattfindet.            

24. El mundo Abenteuer- und Reise-festival Judenburg

13.–14.10.2023
Veranstaltungszentrum Festhalle Judenburg, Kaserngasse 20, 8750 Judenburg

Tickets & Info: www.elmundo-festival.at