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„Wollen Musik ‚bei den Leuten‘ machen!“

Clemens Anton Klug, AIMS Graz Foto: Zach Mendes

Mit Clemens Anton Klug hat das American Institute of Musical Studies einen neuen Intendanten bekommen. „Achtzig“ sprach mit dem promovierten Musikwissenschaftler über neue Zielsetzungen für die Sommerakademie und die Konzertreihe, Publikumsnähe und das „business of singing“.

Text: Stefan Zavernik

AIMS wurde als Sommerschule für klassische Musik gegründet und findet seit 1971 in Graz statt. Was hat sich in 51 Jahren getan?

Vor allem hat sich das internationale Musikleben grundsätzlich verändert. Es war früher der hauptsächliche Beweggrund, zu AIMS zu kommen, daran anschließend in Europa zu bleiben und eine Berufslaufbahn an einem deutschen oder österreichischen Opernhaus zu beginnen. Aber der deutschsprachige Raum ist ein heißumkämpftes Pflaster, wenn es um fixe Stellen an Opernhäusern geht. Daher ist es heute vor allem die umfassende und höchstwertige Ausbildung, die AIMS für so viele zu einer idealen Sommerakademie macht. Tatsächlich sind unsere Teilnehmerinnen und Teilnehmer heute viel jünger als noch vor 30 Jahren und kommen, im Gegensatz zur ursprünglichen Intention, mittlerweile aus rund 20 Ländern, darunter neben den USA, Mexiko, Kanada und Australien heuer besonders viele Sänger aus Korea und erstmals eine Gruppe aus Ghana.

Was macht Graz zu einem idealen Austragungsort?

Die Tatsache, dass man Musik in Graz bzw. Österreich studiert, wo diese oft auch entstanden ist, gestaltet sich für viele zu einem faszinierenden Aspekt. Für AIMS selbst, also die Organisation, ist Graz mit seinem unglaublichen Angebot an Konzerträumen, unserer Schule – dem Augustinum –, dem Studentenheim in der Neutorgasse und vielen anderen Orten, die allesamt in fußläufiger Nähe zu einander liegen, absolut ideal. Es sind aber vor allem die Bevölkerung und die Verantwortungsträger, die AIMS wirklich jedes Jahr mit offenen Armen und Herzen empfangen. Und das seit 50 Jahren, mittlerweile in der dritten Generation.

Sie sind selbst KünstlerInnen-Agent, Organist und Kabarettist. Wie hilfreich ist es für Sie in Ihrer neuen Tätigkeit, die Branche sozusagen von beiden Seiten gut zu kennen?

Ich darf ehrlich sagen, dass ich ein internationales Netzwerk für meine Tätigkeit mitbringe, das in beinahe 20 Jahren entstanden ist und quasi alle Opern- und Konzerthäuser von Weltrang inkludiert. Ich habe an beinahe alle großen Dirigenten und Orchester „meine“ Künstler vermittelt und kenne daher die Anforderungen, welche an junge Sängerinnen und Sänger gestellt werden. „The business of singing“ ist kein einfaches und es verlangt allen, die den Schritt in die Professionalität wagen, Opfer, Einschränkungen und Enttäuschungen ab. Aber es ist gleichzeitig auch einer der schönsten Berufe der Welt.

Wie sind Sie neuer Intendant von AIMS geworden?

AIMS in Graz wurde eigentlich im Gastgarten des Schuberthofes gegründet, der meinem Onkel und meiner Tante gehörte. Ich bin wirklich seit frühester Kindheit damit verbunden und habe viele Jahre immer wieder mitgearbeitet, habe auch das Buch zum 50-jährigen Jubiläum im Vorjahr geschrieben. Aber diese Intendanten-Tätigkeit war aufgrund meines Berufes, meiner Agentur und meiner vielen Reisen nie eine Option. Heuer im Februar haben mich die Amerikaner gefragt, ob ich eine Idee hätte, wie es weitergehen könnte. Nachdem ich beruflich einfach weniger reisen und mich zu einem gewissen Grad neu orientieren wollte, habe ich nach einer kurzen Bedenkzeit einfach zugesagt. Und bin darüber sehr glücklich.

Sie haben also mit Februar die Intendanz für die AIMS-Konzertreihe übernommen. Was haben Sie sich musikalisch vorgenommen?

Ich möchte die Stadt im Sommer zum Klingen bringen und den mitunter verlorenen Bezug der Grazerinnen und Grazer zu AIMS wieder herstellen. Die Kernkompetenz von AIMS sind Opern- und Liederkonzerte. Daran kann und will ich auch nichts ändern. Aber es ist mir ebenso wichtig, dass wir diese Musik auch an für AIMS neuen Orten aufführen. Wir sind für eines der ersten Konzerte in den Salon Stolz eingeladen worden, ebenso machen wir zum ersten Mal ein Programm im Kindermuseum FRida & freD und haben einige Abende im Refektorium des Priesterseminars, welches einer der schönsten Räume dieser Stadt ist. Besonders freue ich mich, dass wir zwei liebgewonnene Traditionen von AIMS nach Jahren wieder aufnehmen konnten: die akademische Eröffnung in der Aula der Universität und die musikalische Gestaltung zweier Hochämter im Grazer Dom.

Mit „Voices of Summer“ geht AIMS jedes Jahr mit rund 40 Konzerten auch an die Öffentlichkeit. Wie wird das Angebot angenommen?

Wir haben ein ganz großes und treues Stammpublikum, das mitunter fast jede Veranstaltung besucht. Es wird aber, besonders seit der Pandemie, immer schwieriger, mit einem sehr beschränkten Budget und ohne große PR-Maschinerie im Hintergrund alte und neue Publikumsschichten anzusprechen, Sommerabende statt im Gastgarten im Konzertsaal zu verbringen. Deshalb ist es mein Bestreben, kleinere Veranstaltungen bewusst an ungewöhnliche Orte zu bringen, um damit das Interesse für AIMS-Konzerte bei Menschen zu wecken, die ansonsten vielleicht nicht in den Stefaniensaal oder in die Helmut-List-Halle kommen würden. Das ist etwas, was ich sicherlich mit anderen Veranstaltern in Graz gemeinsam angehen möchte. Auch wenn AIMS nur sechs Wochen in Graz ist, nach mehr als 50 Jahren sind wir auch ein Garant für Kontinuität.

Gibt es auch Zusammenarbeit mit der KUG oder anderen Institutionen vor Ort?

Wir vergeben jedes Jahr, auch gemeinsam mit dem Land Steiermark und der Stadt Graz, Stipendien an Studierende der KUG und des Johann-­Joseph-Fux-Konservatoriums. Ich habe selbst an ganz vielen europäischen Universitäten Vorsingtraining für Sängerinnen und Sänger gelehrt. Zuletzt habe ich mit der Gustav-Mahler-Privatuniversität und dem Land Kärnten eine jährliche Serie von Meisterkursen mit Thomas Hampson ins Leben gerufen. Es liegt nahe, dass ich diese Kontakte zukünftig auch für AIMS nutze. Mein Ziel ist es, dass wir (auch über Vermittlung lokaler Organisationen, wie Konsulate und Kulturforen) jedes Jahr Studierende aus Mitteleuropa bzw. dem Alpen-Adria-Raum für AIMS gewinnen.

Was sind die Highlights für das diesjährige Programm?

Natürlich unsere fünf Orchesterkonzerte in den wunderschönen Konzertsälen und auf den Kasematten, die vier Liederabende und die Aufführungen unterschiedlichster Genres an zahlreichen Orten in ganz Graz und darüber hinaus. Meisterklassen internationaler Opernstars sind eine wunderbare Möglichkeit, die pädagogische Entwicklung der jungen Menschen in kurzer Zeit zu erleben. Ich freue mich ganz besonders, die weltberühmte Sopranistin Edda Moser hierfür zum allerersten Mal nach Graz zu bringen. Wir machen aufgrund der Baustelle in der Neutorgasse, vor unserem Studentenheim, ein Baustellenkonzert mit den AIMS-Blechbläsern à la New Orleans und unserem Spiritual Ensemble.

Wie kann man klassische Konzertangebote niederschwelliger gestalten?

Mir ist es ein ganz großes Anliegen, zukünftig sehr viel mehr „bei den Leuten“ Musik zu machen. In wunderbar klimatisierten Konzertsälen auf Publikum zu warten, ist die eine Sache. Ich habe mit AIMS aber die Möglichkeit, die Steiermark und Österreich zu bereisen, was wir für 2024 bereits im Detail planen. Ich möchte jedes Orchesterkonzert an einem anderen Ort der Steiermark (oder darüber hinaus) wiederholen und den Menschen, die keine 60 Kilometer mit dem Auto zurücklegen können, Musik quasi vor der Haustüre anbieten. Ich habe häufig in Amerika erlebt, dass viele Orchester sogenannte Outreach-Programme anbieten, mit denen sie durch die Provinz reisen. Das will ich auch machen und vielleicht schaffe ich es ja einmal, die Alpensinfonie auf dem Schöckl aufzuführen.     

www.aimsgraz.at