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Über die Wahrnehmung der Welt

Das Stück „Paradis“ über die Pianistin Maria Theresia Paradis unternimmt im Theater im Keller den Versuch, das Fühlen einer Blinden an Sehende weiterzugeben.

Text: Wolfgang Pauker

„Es klingt irgendwie paradox, ist aber überaus spannend“, so Regisseurin Eva Weutz über das von ihr inszenierte Stück über die blinde österreichische Pianistin und Komponistin zur Zeit der Wiener Klassik Maria Theresia Paradis. „Sich als Sehende in eine Blinde hineinzudenken ist schwierig, vielleicht sogar vermessen. Ein bisschen, als würde man in eine verbotene Privatheit eindringen. Ein behutsames Herantasten an etwas, das sich einem am Ende doch nie ganz offenbaren wird“, so Weutz. Geboren 1759 in Wien und in früher Kindheit erblindet, galt Paradis dank ihres Klavierspiels als Wunderkind. Viele Mediziner versuchten sich an ihrer Heilung – alle erfolglos. Bis auf den in Wien berühmten, aber von Kollegen angefeindeten Franz Anton Mesmer, unter dessen Behandlung sich ihr Zustand zeitweise merklich besserte. Doch mit dem Gewinn des Augenlichts erlischt ihr musikalisches Talent. Und damit auch die Liebe des Vaters, der die vermeintliche Wunderbehandlung beendet, damit das Wunderkind auch ein solches bleibt. Blind und doch so virtuos. Da staunen sie alle, sogar das französische Königspaar Ludwig XVI. und ­Marie-Antoinette sowie der englischen König Georg III. und seine Gemahlin Charlotte, vor denen sie konzertierte.

Ute Veronika Olschnegger als Maria Theresia Paradis und Walther Nagler als Franz Anton Mesmer in einer Probe

Dramatik von Frauen über Frauen

Für das Theater im Keller hat sich Autorin Sophie Reyer dieses Stoffs angenommen und in wenigen Nächten fieberhaft ein Langgedicht niedergeschrieben. Es ist ein weiteres Stück in der zum 70. Geburtstag des TiK im Herbst 2021 begonnenen Linie, nicht nur Autorinnen zu forcieren, sondern auch inhaltlich vergessene, verdiente Frauen (des Kulturbetriebs) vor den Vorhang zu holen. TiK-Leiter ­Alfred Haidacher: „Uns ist zwar bewusst, dass bedauerlicherweise das Hereinholen solcher vergessenen, wenig, bis kaum bekannten Frauen in unser kollektives Gedächtnis noch immer ein Nischenprogramm ist, aber wenn keiner damit anfängt oder aber niemand damit weitermacht, werden wir weder unsere Geschichte noch unsere Gegenwart um den Blick auf so viel Wesentliches, Bereicherndes erweitern.“ Wieso gerade Sophie Reyer beauftragt wurde? „Sie schafft es, selbst an den dunkelsten Stellen ihrer Arbeiten Intimität, Wärme, Gefühls- und von mir aus auch Seelentiefe als Grundlage menschlichen Seins zu vermitteln, eine Leistung, die man klischeehaft auch als ‚weiblich‘ bezeichnen könnte. Ich ziehe es vor, von besonderer Sensitivität zu sprechen, die außerdem den Vorteil hat, das Lyrische des künstlerischen Zugangs nicht zur Verrätselung, sondern zur Offenlegung der Handlungsgrundlagen einzusetzen“, so Haidacher.

„Eine wahre Geschichte, die berührt und den Blick auf die schärft, die nichts erblicken können“, so Regisseurin Eva Weutz

Weitere Termine: 19., 21.,22., 26., 27., 28., 29., 30. April und 3., 4., 5., 6. Mai

Theater im Keller
Münzgrabenstraße 35, 8010 Graz

www.tik-graz.at