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„Kulturszene darf nicht ausgehungert werden“

Kulturstadtrat Günter Riegler im Interview über Inflationsanpassungen beim Kulturbudget der Stadt Graz, Anliegen der freien Szene und Erwartungen an das Kunsthaus Graz.

Text: Stefan Zavernik

Nach langem Ringen wurde das Budget im Hinblick auf eine notwendige Inflationsanpassung für mehrjährige Förderverträge im Dezember nun angepasst. Wie zufriedenstellend ist die Lösung für Sie?

Die angesprochene Inflationsanpassung gilt leider nur für ein Jahr, 2024 und 2025 sind noch immer ungeregelt. Nach derzeitigem budgetärem Beschlussstand fällt die Förderung von 2024 und 2025 wieder zurück auf den Stand vor 2023. Hier gibt es noch keine Inflationsabgeltung. Ich befürchte, dass es hier wieder sehr lange dauern wird, bis man sich dieses Problems in der linken Rathaus-Koalition annehmen wird.

Einer Inflationsanpassung bedarf es auch bei den einjährigen Kunst- und Kulturförderungen. Wann wird die Grazer Kulturszene wissen, woran sie 2023 ist?

Die einjährigen Förderungen für 2023 sind in der Tat noch nicht angepasst worden. Wir befinden uns hier budgetär noch immer auf Vorkrisen-Niveau. Ich habe meine finanziellen Vorstellungen bei Finanzstadtrat Eber deponiert, Mitte Februar sollten wir Bescheid bekommen. Ich befürchte aber, dass nicht allzu viel Unterstützung seitens der KPÖ zu erwarten sein wird. 

Sie wollen als Kulturstadtrat die Anpassungsforderungen der ­Kulturszene durchsetzen. Für die Umsetzung braucht es die Zustimmung von Finanzstadtrat Manfred Eber. Wieso braucht es hier so lange für eine Einigung?

Darüber kann ich nur spekulieren. Die allgemein schwierige Finanzsituation trägt sicher auch dazu bei. Letzten Endes aber, dauert es – meiner Meinung nach – schlicht und ergreifend deswegen so lange, weil den Kommunisten und den Grünen andere Dinge einfach wichtiger sind.

Immer wieder hört man Stimmen aus der freien Szene, die eine ungleiche Verteilung im Kulturbudget thematisieren: Über 80 % des ganzen Kulturbudgets gehen an öffentliche Häuser, der Großteil vom Rest an große Festivalmarken. Wie stehen Sie zu dieser Kritik?

In einer Kulturstadt wie Graz können wir nur froh und dankbar sein, dass wir die großen Häuser und Festivals haben. Das sind jene Aufmerksamkeitslokomotiven, die uns als Kulturstadt überregional und international sichtbar machen. Diese Institutionen nehmen die freie Szene auch kontinuierlich mit, es gibt hier seit vielen Jahren zahlreiche Kooperationsprojekte. 

Bei aller budgetärer Angespanntheit: Wie hoch kann Ihrer Meinung nach das Kulturbudget der Stadt Graz sein?  

Wie hoch eine bestimmte Budgetposition in Bezug auf das Gesamtbudget ist, ist immer auch Ausdruck dafür, wie wichtig einer Gesellschaft ein bestimmtes Thema ist. Ich habe mich in den letzten Jahren darum bemüht den Anteil des Kulturbudgets wieder zumindest in die Nähe dessen zu bringen, was für das Kulturhauptstadtjahr 2003 erreicht wurde. Das ist mir über Extraprojekte wie dem Kulturjahr gelungen. Aber auch durch eine stetige Inflationsanpassung. Aktuell gibt es von der rot-rot-grünen Stadtregierung kein Bekenntnis zum Teuerungsausgleich im Kulturbudget. Das ist für mich nicht nachvollziehbar. Wenn das so bleibt, verkümmert Graz.

Im Dezember 2022 gab es einen Kulturdialog, in dem die freie Szene die Möglichkeit hatte, ihre Anliegen und Sorgen anzusprechen. Was war Ihr Erkenntnisgewinn daraus und welche Themen gilt es im Sinne der Grazer Kunst- und Kulturszene anzugehen?

Es geht der Szene um eine Verbesserung ihrer Produktions- und Arbeitsbedingungen. Hier geht es in erster Linie um Geld, um es plakativ zu sagen. Es gibt hier die Verteilungsdiskussion: große Häuser versus freie Szene. Was mir aufgefallen ist, ist, dass es in Teilen der Kunstszene das Empfinden gibt, dass es seitens der Politik an Wertschätzung und Interesse mangelt. Das kommt für mich in sehr vielen Wortmeldungen und Aspekten zum Ausdruck. Man meint, es würde über alles gesprochen werden, nur nicht über neue Kulturstätten und neue Kulturprojekte. Mein Ziel war und ist es als Kulturpolitiker, der Szene Wertschätzung zukommen zu lassen. Man darf nicht vergessen, dass die große Stärke von Graz als Kulturstadt in ihrem Wesen als Produktionsort liegt. Wir sind keine Aufführungsstätte wie Salzburg oder Bregenz. Wir sind ein Produktionsort, der sich durchaus mit Wien messen kann.  

Das Thema Fair Pay steht seit Jahren am Programm. Wie viel ist hier in den letzten Jahren gelungen? Was braucht es, um hier wesentliche Entwicklungsschritte zu setzen?

Hier ist gerade ein gemeinsames Projekt mit dem Land Steiermark im Laufen. Wir versuchen hier im Gleichklang mit der Bundesregierung zu erheben, in welchem Ausmaß eine Erhöhung von künstlerischen Honoraren notwendig wäre. Sobald das erhoben ist – ich hoffe, es gibt bereits im ersten Quartal dieses Jahres Ergebnisse –, kann man dann eine konkrete Zahl ableiten. Nun, bei der Budgetanmeldung habe ich eine zusätzliche Million von der Stadt Graz eingefordert. Für 2022 wurde mir diese Million nicht genehmigt. Ich bin gespannt, ob die kommunistisch geführte Stadtregierung nun beim zweiten Anlauf doch noch ein Bekenntnis in diese Richtung abgibt.

Im Jänner hat die neue Leiterin des Kunsthauses Graz das Programm für das Jahr 2023 vorgestellt. Welche Erwartungen haben Sie an das Haus und die neue Leitung?

Ich denke, das Jubiläum „20 Jahre Kunsthaus“, das wir dieses Jahr feiern, und die Bestellung der neuen Geschäftsführerin Andreja Hribernik sind gute Anlässe, um nochmals darüber zu reden, welche Art von Ausstellungen wir im Kunsthaus in Zukunft sehen wollen. Es läuft auch auf die Frage hinaus: Wie wird das Grazer Kunsthaus vom Grazer Binnenpublikum angenommen? Wie oft gehen Grazerinnen und Grazer tatsächlich hin, um eine aktuelle Ausstellung zu besuchen? Eine der Aufgaben der neuen Geschäftsführerin ist es, das Kunsthaus vermehrt in der Mitte der Grazer Bevölkerung zu verankern.

Haben Sie konkrete Ideen, wie das Kunsthaus Graz breitere Bevölkerungsschichten erreichen könnte?

Ich könnte mir vorstellen, dass man vereinzelt Ausstellungen in Kooperationsform zeigt. Etwa mit Leihgaben aus der Albertina, mit denen man den Kunstschatz Österreichs in Graz erlebbar werden lassen könnte. Ich könnte mir auch vorstellen, dass Künstler wie Gottfried Helnwein in Graz groß ausgestellt werden. Das muss kein Widerspruch zu dem sein, was sonst noch programmatisch angedacht ist. Ich bin aber davon überzeugt, dass alle davon profitieren, wenn es mehr Besucherinnen und Besucher gibt. Schlussendlich sollte man auch die Perspektive des Publikums miteinbeziehen, wenn man ein solches Haus programmatisch aufstellt.

Megaausstellungen im Kunsthaus Graz klingen spannend. Hätte das Haus die Mittel dafür?

Es sollte möglich sein. Was es in erster Linie braucht, ist der Wille dazu.

2003 ist nun 20 Jahre her. Wie nachhaltig war für Sie das Kulturhauptstadtjahr?

Sehr nachhaltig – ich glaube nicht, dass man das ernsthaft in Zweifel ziehen könnte. Graz ist nach wie vor eine Kulturhauptstadt. Damit das so bleibt, darf die Kulturszene aber nicht aushungert werden.