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Melting Pot für Genres und Generationen

Feschak Orkeztra bei der Eröffnung der Ausstellung „Audible Visions of the Unseen“

Der Verein ARTist’s hat vor drei Jahren aus einer Theaterlocation in der Schützgasse ein schillerndes, vielfältiges und breit aufgestelltes Mehrspartenhaus gemacht, das sich als Melting Pot für Genres, Kulturen und Generationen sieht.

Text: Lydia Bißmann

Vieles, aber nicht vielerlei bietet der Verein ARTist’s in seiner Location in der Schützgasse im quirligen Bezirk Gries an. Trotz seiner breiten Aufstellung und dem Wunsch, möglichst viele Kulturen, Herkünfte, Altersgruppen und Kunstrichtungen anzusprechen, liegt eines hier ganz klar im Vordergrund. Der Wunsch nach Qualität. Und das gelingt. Seit dem Herbst 2019 wird im kleinen und sehr fein ausgestatteten Theater mit 60 Sitzplätzen eine wohlüberlegte Mischung aus Off-Theater, Live-Konzerten regionaler Musikschaffender, Kabarett und nerdigem Nischenprogramm angeboten. Im Herbst 2022 ging schon zum dritten Mal das zweiwöchige Mundartfestival MundARTist’s über die Bühne, das die immer größer werdende Nachfrage nach alternativer und zeitgenössischer Volks- und Dialektmusik bedient und auch im kommenden Jahr wieder stattfinden soll. Laute Lesungen bieten Literatur von Friederike Mayröcker, Wolfgang Bauer und Mathias Grilj und Live-Musik zu Stummfilmen bei den Silent Movie Jams an. Der Musiker Chris Watzik lädt regelmäßig Musikerfreunde wie Andi Baum, Ulli Baer oder Ewald Pfleger zu einem entspannten Gespräch mit Musikeinlagen vor Publikum ein. Ein Drittel der Spielzeit wird zeitgenössisches Theater von Theater Kaendace geboten, der Rest des bunten Portfolios entsteht durch Vermietungen an externe Veranstalter wie Eastern Roots mit Balkansounds, dem Interpenetration Festival oder Open Music, das experimentelle Musik oder anspruchsvollen Jazz bietet. Aktuell ist noch bis Jahresende das innovative multimediale Projekt Audible Visions of the Unseen zu sehen, die den sechzehn Bildern der Fotoreihe Schandfleck der Künstlerin Julia Seiler eigens komponierte Klangflächen zuordnet, die direkt aus den eigens gebauten Displayflächen erklingen. Vor Weihnachten, am 16., 17., 22. und 23. Dezember gibt es Boxty-Irish Christmas, wo traditionellerweise mit Blues und irischer Musik der Advent gefeiert wird.

Reinhard P. Gruber zu Gast beim 1. MundARTist’s Festival im Herbst 2022

Fokus auf Qualität und Flexibilität

Es ist eine Mischung, die die Stadt mit ihrer umtriebigen und sehr diversen freien Szene mehr als gut repräsentiert. Sehr breit aufgestellt ist auch das Zielpublikum im ARTist’s. Das Alter der auftretenden Künstlerinnen und Künstler liegt zwischen 25 und 83 Jahren. Neben professionellen Musikerinnen und Musikern will man auch Amateurperformer erreichen, die die 30 schon überschritten haben. Amateur heißt aber keineswegs Hobby. Hinter dem Konzept, spartenübergreifendes Programm für möglichst viele zur bestmöglichen Qualität anzubieten, steckt ein engagiertes Team rund um den Tonspezialisten und Musiker Michael Merkusch. Er hat seit Jahren über den Räumlichkeiten des kleinen und sehr feinen Theaterraums seinen Proberaum und sein Tonstudio. Etwa zehn Jahre war hier das dramagraz rund um den Regisseur Ernst M. Binder beheimatet, das nach dessen plötzlichen Tod 2017 in der Luft hing. Gemeinsam mit Klaudia Reichenbacher vom Theater Kaendace gelang es Michael Merkusch schließlich, eine Lösung für das fertig eingerichtete Theater zu finden und das ARTist’s wurde als Mehrspartenhaus 2019 aus der Taufe gehoben. Möglich wurde das nicht zuletzt durch eine finanzielle Spritze eines privaten Mäzens. Durch die Hilfe von Matthias Herwelly wurde der Konzert- und Bühnenraum zu einem Spielort, mit einer Tonqualität, die ihresgleichen sucht.

Das Team: Peter Wohlfahrt, Lotte Wohlfahrt, Julia Seiler, Benno Copony, Michael Merkusch (v. l.)

Musik nicht für den Hut

Der Bühnenraum ist als eine Blackbox konzipiert und sehr flexibel. Bewegliche Bühnenelemente und über die ganze Decke führende Lichttraversen lassen sehr viel Spielraum für unterschiedliche Formate wie Filmvorführungen, Konzertszenarien, multimediale Projekte und Theateraufführungen zu. „Wir wollen Kultur nicht verschenken. Es tut mir in der Seele weh, wenn ich sehe, dass jemand, der ein Studium hinter sich hat, für den Hut spielt. Das ist für mich kulturlos“, betont Merkusch. „Das war auch ein Mitgrund, das in dieser Form zu machen. Mit einer hochklassigen Anlage, mit einem guten Sound und einer konzertanten Atmosphäre.“ Das Team (Lieselotte und Peter Wohlfahrt, Benno Copony, Alexandra Stessl, Mike Seemann, Vladimir Vesic und Werner Radl) möchte den Auftretenden und dem Publikum im ARTist’s ein konzentriertes Ambiente für die Kunst, die nicht durch Gläserklirren oder Kaffeemaschinen-Geräusche gestört wird, bieten. „Man muss die Musik – egal ob Jazz, Pop, Ethno oder experimentelle Sachen – in Ruhe genießen können. Das ist mir sehr wichtig“, betont Merkusch. Es gibt eine Bar, aber die wird während eines Konzerts geschlossen.

Fair Pay als Wunschtraum

Faire Gagen und Löhne in der Kultur sind keine leichte Aufgabe, vor allem wenn es so hohe Ansprüche gibt. Fällt die Cashcow Getränkeeinnahmen weg, muss das Geld über den Eintritt fließen, was in einer Stadt wie Graz mit ihren traditionell viel zu niedrigen Ticketpreisen schwer ist. Pandemie, Inflation und die Energiekrise erleichtern die Sache nicht. Trotz Förderungen und einer hervorragenden Zusammenarbeit mit der Stadt Graz, dem Land Steiermark und neuerlich dem Bund ist es auch im ARTist’s schwierig, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in einem fairen Dienstverhältnis zu beschäftigen. Um die 80 Stunden Arbeit fallen pro Woche an, um den Betrieb am Laufen zu halten. Ohne Selbstausbeutung ist das kaum möglich. „Wir wollen faire Löhne nicht nur für die Künstler, sondern auch für unser Team. Wie es eben in den fixen Häusern auch üblich ist. Über die Eintritte geht das aber nicht, das ist illusorisch“, so Geschäftsführer Peter Wohlfahrt.    

The Prophets of Calamari (Graz) – Der Bühnenraum im ARTist’s ist flexibel und ideal für intime Konzertsituationen

ARTist’s
Schützgasse 16, 8020 Graz
Tel. 0650 347 69 00

www.art.ists.at