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Grenzgänger am Rande der Moderne

Hannes Schwarz, "FLiehender", 1969

In der aktuellen Ausstellung „Hannes Schwarz. Grenzgänger am Rande der Moderne“ widmet sich das Steirische Feuerwehrmuseum Kunst & Kultur einem sehr großen steirischen Maler, der im Vorjahr seine 95. Geburtstag gefeiert hätte.

Text: Lydia Bißmann

Das Steirische Feuerwehrmuseum Kunst & Kultur zeigt eine Einzelausstellung mit den verschiedenen Phasen im Werk des Künstlers Hannes Schwarz. Acht verschiedene Leihgeber – Privatpersonen wie auch das Museum für Gegenwartskunst im Stift Admont oder das Hannes Schwarz Zentrum in Weiz – stellten Anja Weisi-Michelitsch als Kuratorin dafür ihre Bilder zur Verfügung. Die Schau erzählt anhand unterschiedlicher Phasen die Geschichte eines sehr empfindsamen und reflektieren Menschen, der sich mit den Mitteln der Kunst aus seiner eigenen Geschichte rettet. Gleich vorneweg: Es ist kein leichter Stoff, der hier gezeigt wird.

Traumatische Kunsterziehung

Hannes Schwarz wurde 1926 in Anger geboren und erhielt als musisch talentiertes Kind seine künstlerische Ausbildung in den Nazi-Eliteschulen in Krössinsee in Pommern und Sonthofen in Allgäu. Hier lernte er seine Talente zu nutzen und sich auszudrücken. Mit im Paket allerdings auch die menschenverachtende Ideologie, die in derartigen Anstalten noch um ein gutes Stück konzentrierter vermittelt wurde. Nach der Reifeprüfung 1944 wurde er an der Stuttgarter Akademie akzeptiert, musste aber einrücken und bekam die Sinnlosigkeit und Brutalität des Krieges hautnah mit. Zeit seines Lebens hadert Schwarz mit diesen Erlebnissen und seiner Erziehung, was in seinen Bildern abzulesen ist. Er lebte aber auch einen aktiven und konstruktiven Umgang damit vor. Die Schau im Steirischen Feuerwehrmuseum Kunst & Kultur zeigt damit nicht nur den Umgang eines Einzelnen mit seinem Schicksal. Sie bietet einen Einblick in die steirische Kunstgeschichte der Nachkriegszeit und unterstreicht wieder einmal mehr, wie wichtig es immer noch ist, sich mit dieser Epoche zu beschäftigen.

Hermetische Landschaft, 1993

Verknotete Körper hinter Gittern

Im Frühwerk von Hannes Schwarz, der sich ab 1948 wieder dem Malen zuwandte, ist deutlich der Einfluss der Moderne zu sehen. Er hatte Kontakt zur Witwe von Franz Marc und beschäftigte sich durch diese Freundschaft intensiv mit den Künstlern des blauen Reiters, Franz Marc, August Macke, Alexej von Jawlensky und vor allem Wassily Kandinsky. Er selbst zog das zurückgezogene Leben in der Provinz vor und lehnte den Vorschlag des Galeristen Daniel-Henry Kahnweiler, doch nach Paris zu ziehen, ab. Kahnweiler vertrat renommierte Künstler wie Braque, Klee oder Picasso, konnte das aber nur in der französischen Metropole tun. Obwohl Schwarz in Weiz wohnen blieb, wo er neben seiner künstlerischen Tätigkeit als Volksschullehrer arbeitete, nahm er aktiv am künstlerischen Leben in der Steiermark teil. Er war Gründungsmitglied der „Jungen Gruppe“ und des Forum Stadtpark, führte ein gastfreundliches Haus, das Künstlerkolleginnen und -kollegen jederzeit offen stand. Zu Anton Kolig unterhielt er jahrelang einen regen und intensiven Briefwechsel. Die intellektuelle Auseinandersetzung mit philosophischen und künstlerischen Konzepten zieht sich durch sein ganzes Lebenswerk. Hannes Schwarz kopiert aber nie, ahmt nicht nach, sondern probiert einfach neue Gedankenmodelle in seiner Handschrift aus. Im Frühwerk, in seinen Materialdrucken, versucht sich der Künstler gegen seine einseitige künstlerische Erziehung in der Nazi-Eliteschule zu wehren und experimentiert mit Form, Farbe, Kollagen und Assemblagen. Mit den Schriften der Frankfurter Schule, den Werken von Schopenhauer und Wittgenstein hielt er intellektuell gegen die faschistische Gehirnwäsche in seinen Jugendjahren an. Später entfernte er sich von der Abstraktion und der Orientierung am Material und malte ab Anfang der 1960er-Jahre menschliche Körper, die er auch gerne hinter strenge schwarz-weiße oder schwarz-gelbe Balken platziert. Das zeitgemäße, sonst eher fröhlich anmutende Pop-Art-Motiv der Streifen bekommt hier eine ganz andere Bedeutung. Es wird zum Käfig, zum Gitter oder erinnert an den Stoff einer KZ-Sträflingskleidung. Die geschunden wirkenden Körper haben eine ungesunde Farbe, die Haut selbst weist bedrohliche dunkle Flecken auf. Beim Betrachten weiß man nie so genau, ob sich die kopflosen Figuren vom Betrachter weg oder zu ihm hin bewegen möchten. So oder so, schmerzt es immer beim Ansehen.

Hockende Figur hinter Gitter, 1985

Natur statt Mensch als Versöhnung

In den 1970er-Jahren kommen ein Tisch und ein Bett als Motive in seinen Bildern dazu. In diese Zeit fällt auch ein längerer Krankenhausaufenthalt des Künstlers. Teilweise sind die kühlen Messingbetten mit sehr ausgemergelten Menschen belegt, oft sind sie auch leer. Erst zu Beginn der 1980er-Jahre tauchen – nach einer längeren Spanienreise – versöhnlichere Farben und flächigere Kompositionen in seinen Malereien auf. Es sind nicht mehr die Linien, die die Bildflächen oft streng ein- und zerteilen, mehr und mehr übernehmen gedeckte Farbflächen diese Rolle und erledigen dies ungleich sanfter. Auf den Menschen verzichtet Schwarz in seinen Landschaftsbildern dann völlig. Schon zuvor, in der Sockel- und Stelen-Phase, sind keine Personen mehr auf seinen Arbeiten zu sehen. Weiße Tücher legen sanft ihre Falten über steinerne, altarartig anmutende Objekte und verleihen schon diesen Bildern einen spirituellen Anstrich, der schließlich in den abstrakten Landschaften seine absolute Entspannung findet.  

Grünes Bild mit drei Bäumen, 1985

Hannes Schwarz. Grenzgänger am Rande der Moderne
26.6.–28.8.2022; Di.–So. 10–17 Uhr
Eröffnung: 25.6.2022, 14 Uhr

Steirisches Feuerwehrmuseum Kunst & Kultur
Marktstraße 1, 8522 Groß St. Florian, Tel.: 03464 8820
Erreichbar mit der S6 vom Grazer Hauptbahnhof
www.feuerwehrmuseum.at