Start Featureshome Was die Steirer ausmacht

Was die Steirer ausmacht

Andreas Heller, Karl Wratschko, Riegersburg, Videostill, 2020

Die Steiermark Schau bringt die Landesausstellung wieder zurück und wird künftig alle zwei Jahre über die Bühne gehen. Mit dem, was jetzt ist und was daraus werden kann, beschäftigen sich zwei wichtige Teile.

Text: Lydia Bißmann

Nach 15 Jahren Pause ist die große Ausstellung des Landes wieder zurück im Kulturprogramm. In neuem, modernem Kleid präsentiert sich die Steiermark Schau seit April im ganzen Bundesland. Nach dem geplanten Opening am Wiener Heldenplatz, das wegen des Oster-Lockdowns der Bundeshauptstadt ohne echtes Publikum vor Ort auskommen musste, wanderte die Ausstellung teilweise auch ins Netz ab. Dort ist sie immer noch zu finden. Die Filmbeiträge, die auf einer 50 Meter großen Panorama-Leinwand im mobilen Pavillon zu sehen sind, bleiben bis Ende Oktober dort verfügbar. 78 Künstler haben inhaltlich am Programm des Pavillons mitgearbeitet. Er wird ab Juli in Spielberg, ab Mitte August in Schladming und von der letzten Septemberwoche bis Ende Oktober in Bad Radkersburg Station machen.

Landschaften innen und außen

24 Kunstfilme als Auftragswerke sind in der 800 Quadratmeter großen und beweglichen Kunsthalle von Alexander Kada zu finden. Anhand der Vorgabe „Landschaft“ gehen steirische Künstlerinnen und Künstler aus den verschiedensten Genres der Frage „wer wir sind“ nach. Das Außen um uns herum prägt, formt, bewegt auch in einer scheinbar so schnellen und unruhigen Welt wie der heutigen. Hier findet sich der Erzberg wieder, der Semmering vom Zug aus entlang der berühmten Südbahnstrecke von Wien nach Triest, das Motoren-Spektakel am Spielbergring anhand eines Beitrags über die Rennfahrerin Lella Lombardi oder ein Foto-Potpourri aus 1.500 steirischen Geschäftsportalen.

Ausstellungsansicht im Kunsthaus Graz: Elke Auer, Gerhard Auer, Ingeborg Strobl
Foto: M. Grabner

Tiere im verlassenen Grenzgebiet sind zu sehen, die wechselnden Farben des Horizonts über der Steiermark, Ansichten des Grazer Flughafens Thalerhof aus der Perspektive des Magnum-Fotografen Chien-Chi Chang oder auch Impressionen aus Sozialeinrichtungen wie der Caritas. Konzipiert wurde die Schau im Pavillon, der an sich schon eine beeindruckende Installation ist, von Astrid Kury. Neben den Filmen geben 31 namhafte Kulturschaffende aus allen möglichen Bereichen in Stimmen zur Steiermark auch ein sehr persönliches Video-Statement zur Steiermark als Herkunftsort oder noch immer präsenten Arbeits- und Lebensmittelpunkt ab. Unter den Mitwirkenden unter anderem die Komponistin Olga Neuwirth, der Künstler Erwin Wurm, die Schauspieler Johannes Silberschneider und seine Kollegin Pia Hierzegger, der Nachwuchsdramatiker Ferdinand Schmalz oder auch Nobelpreisträgerin Elfriede Jelinek.

erwin Polanc, Olga Neuwirth, Fil, Videostill, 2020

Quirlige und pulsierende Zukunft

Die Steiermark Schau spielt mit der Zeit. Beschäftigt sich der mobile Pavillon mit der Identitätsfindung durch die Kunst, sind die restlichen drei Ausstellungen in Graz der Vergangenheit (was war. Historische Räume und Landschaften im Museum für Geschichte), der Gegenwart (wie es ist. Welten – Wandel – Perspektiven im Volkskundemuseum) und schließlich der Zukunft (was sein wird. Von der Zukunft zu den Zukünften im Kunsthaus) gewidmet. Weil das mit der Zukunft und mit Zukünften so eine Sache ist und sie im Gegensatz zur Vergangenheit unendlich viel Platz bietet, ist die Schau im Kunsthaus vor allem eines: umfangreich. Inhaltlich und territorial. Über alle Räume – vom Vorplatz über das Foyer bis hin zur Needle – erstreckt sich die sehr intensiv programmierte Ausstellung, die inhaltlich in die Themen Bildung (Space04), Arbeit und Zusammenarbeit (Space02) und dem Einfluss des Menschen auf seine direkte Umwelt (Space01) eingeteilt ist. Sogar die Beschriftung der Besuchertoiletten ist Teil der Schau und nimmt die Frage nach der Interpretation von Geschlecht in der Arbeit von Elke Auer gleich in den enorm bunten und vielschichtigen Ausstellungsdiskurs mit auf. Kuratiert wurde die Schau von Kunsthaus-Chefin Barbara Steiner, Karin Bucher Trantow und Martin Grabner. Zwei Jahre lang recherchierten die Mitarbeiter*innen des Kunsthauses sowie unzählige externe Partner*innen an den Inhalten. Hier summen und brummen nicht nur scheinbar Bienen in den Bienenstöcken aus dem 3-D-Drucker. Hier trifft man auch auf Überlegungen zu der Zukunft der Pflege mithilfe künstlicher Intelligenz, es treffen einander alte und neue Protestbewegungen. Am Dach wird Solarstrom für die Außenhaut des Kunsthauses erzeugt – anderswo wird erklärt, wie man sich ausschließlich von in der Stadt vorkommenden Pflanzen und Tieren ernähren kann. Zusätzlich werden vor dem Kunsthaus auf der Terrasse des kleinen „Suahtsnuk” von Alfredo Barsuglia Weinbergschnecken als CO2-freundliche Alternative zu Rindfleisch gezüchtet. Der Bau in schlichter Garagenoptik ist immer dann offen, wenn das große Kunsthaus zu ist. Auch diese Ausstellung wanderte teilweise ins Netz ab – hier aber gewollt anhand eines digitalen Ausstellungskatalogs, der die Masse an Artefakten, Installationen, Gedanken und Ansätzen mit ausreichend Platz dokumentieren kann. Die Zukunft besuchen geht deswegen am besten in Etappen. Guter Anlass dafür ist das Rahmenprogramm, das sich in sechs Themen-Nächten lebendig in Vorträgen, Workshops oder Diskussionen mit den angeschnittenen Topics auseinandersetzt.   

Innenansicht, mobiler Pavillon
Foto: JJ Kucek

STEIERMARK SCHAU

10.4.–31.10.2021, täglich, 10–18 Uhr

www.steiermarkschau.at