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Was Obst und Gemüse mit Kunst verbindet

Kunst im Gewächshaus Foto: Phillip Platzer

Das steirische Erfolgsunternehmen Frutura möchte Obst und Gemüse ein neues Image verleihen. Auch die Kunst soll dabei eine wichtige Rolle spielen. Ein Gespräch mit den Geschäftsführern Manfred und Katrin Hohensinner über bewusstseinsschaffende Kulturprojekte, die Kunst des Tomatenanbaus und warum es Zeit ist, massiv ökologisch umzudenken.

Text: Stefan Zavernik / Yasmin Al -Yazdi

Für das kommende Jahr sind Ausstellungen, Konzerte und Lesungen in den Gewächshäusern Ihres Unternehmens geplant. Was bringt einen erfolgreichen Landwirt auf die Idee, Kunstveranstaltungen zwischen Tomaten- und Paprikapflanzen verwirklichen zu wollen?

Manfred Hohensinner: Obst und Gemüse haben mit Kunst und Kultur viele Gemeinsamkeiten. Unsere landwirtschaftlichen Produkte sind Mittel zum Leben. Jeder braucht sie. Genauso verhält es sich auch mit Kunst und Kultur – auch sie sind Lebensmittel. Mit unseren kommenden Kunstprojekten wollen wir die Wertigkeit unseres Tuns für die Menschen noch deutlicher spürbar machen. Gerade in Zeiten wie diesen ist es extrem wichtig, gemeinsame Brücken in eine nachhaltigere Zukunft zu bauen, aber das können wir nicht alleine.

Welche Projekte sind geplant?

Katrin Hohensinner: Ein Projekt ist bereits mit der Künstlerin Angelika Fink im Entstehen. Sie lässt unsere Produkte und eigens dafür entwickelte Rezepte von Frutura-Partnern, wie dem Backprofi oder dem Restaurant Kogel 3, zu Motiven für ihre Malerei werden. Darüber hinaus verfolgen wir auch eine Reihe an anderen Ideen. Wir überlegen zum Beispiel, etwas in Richtung Musik zu machen. Auch im Bereich Ticketing ist einiges angedacht. Wir wollen etwa unsere Verpackungen künftig zu Eintrittskarten für unterschiedlichste Veranstaltungen und Einrichtungen werden lassen. Wir denken hier an Eintritte in Museen, zu Konzerten, Theater- und Opernaufführungen oder auch in Tierparks. Auch die Kulinarik ist für uns natürlich ein großes Thema. Wir haben Produkte, die qualitativ hochwertig sind und sehr gut schmecken, hier wird es in Kooperation mit der heimischen Gastronomie Projekte geben. Wir möchten durch diesen neuen Weg noch mehr mit unseren Lebensmitteln in der Gesellschaft präsent werden und den Menschen Geschmack und Nachhaltigkeit förmlich in den Mund legen.

Manfred und Katrin Hohensinner

Kann der Anbau von Obst und Gemüse selbst zu einer Kunst werden?

Katrin Hohensinner: Ja, ich denke schon. Speziell die Tomatenproduktion ist wirklich eine große Herausforderung. Es gibt unglaublich viele Faktoren, die dabei stimmen müssen. Das beginnt schon mit der Sortenauswahl. Es gilt, eine Sorte zu finden, die in unseren Breitengraden funktioniert und die unseren gewünschten Geschmack hat. Was aber mit einer geschmackvollen Tomate einhergeht, sind die Schwierigkeiten im Rahmen ihrer Kultivierung. Die eierlegende Wollmilchsau, die hervorragend schmeckt und einfach zu produzieren ist, gibt es auch in unseren Gewächshäusern nicht. Der Gärtner braucht hier viel Einfühlungsvermögen, er muss die Pflanzen verstehen.

Speziell in der Vermarktung will Frutura neue Wege gehen: Brauchen Obst und Gemüse ein neues Image, um die breite Bevölkerung anzusprechen?

Manfred Hohensinner: Das Problem ist, dass Obst und Gemüse bislang überhaupt kein Image hatte – außer, dass es eben gesund ist. Das müssen wir unbedingt ändern. Denn es handelt sich dabei um eine der wichtigsten Lebensmittelgruppen der Zukunft. Nicht zuletzt durch die Digitalisierung entstanden neue Berufsfelder, die Bedürfnisse, was unsere Ernährung betrifft, haben sie dementsprechend mitentwickelt. Um die Wertigkeit von Obst und Gemüse ins Bewusstsein der Gesellschaft zu rücken, setzen wir mit Frutura auf besonders geschmackvolle Produkte. Das ist das wirksamste Mittel gegen Lebensmittelverschwendung. Wir brauchen täglich 160 % unserer Ressourcen, haben aber nur 100 % zur Verfügung. Um diesen Schnitt zu senken und trotzdem eine wertvolle Versorgung zu haben, braucht es ein dementsprechendes Bewusstsein in der Bevölkerung. Viel zu viel wird heute noch als selbstverständlich hingenommen. Wir brauchen Gesellschaftsprojekte, bei denen jeder mitanpackt. Die Menschen müssen verstehen, was hinter den Produkten steht.

Die Blumauer Spitzpaprika Foto: Phillip Platzer)

Die Spitzengastronomie verbürgt sich schon lange für die Philosophie „Nicht alles zu jeder Zeit, sondern alles zu seiner Zeit“. Gemeint ist damit, Obst und Gemüse nur dann einzukaufen, wenn die Produkte auch Saison haben. Als Paradebeispiel gelten hier zum Beispiel Tomaten, die demnach nur dann wirkliche Qualität aufweisen, wenn diese von der Sommersonne am Feld verwöhnt wurden. Frutura produziert eines seiner erfolgreichsten Produkte, die Blumauer Tomaten, ganzjährig in Gewächshäusern. Hat Saisonalität für Sie noch immer ihre Berechtigung?

Katrin Hohensinner: Saisonalität hat ganz klar weiterhin eine Berechtigung. Es macht aber Sinn, sie zu übergehen, wenn es gelingt, eine nachhaltige Produktion zu gewährleisten, ohne dabei die Umwelt zu belasten.

Manfred Hohensinner: Tomaten sind nachweislich eines der gesündesten Lebensmittel, die es gibt. Wenn wir sie mit modernen Technologien nachhaltig und qualitativ hochwertig produzieren können, wieso sollten wir das nicht machen? Bei Pflanzen verhält es so ähnlich wie bei uns Menschen. Wir können uns gesund ernähren, sodass wir uns wohlfühlen und vital sind, oder wir können uns gerade so ernähren, dass wir nur satt werden. Langfristig wird sich daraus unser körperliches Empfinden entwickeln. Bei einer Pflanze ist es nichts anderes. Eine Pflanze kann nur dann Topprodukte erbringen, wenn sie sich wohl fühlt. Dazu braucht sie einen passenden Boden, eine für sie gut funktionierende Kulturführung und das optimale Klima. Diesen Lebensraum können wir ihr heute mit Hilfe der „Geothermie“ 12 Monate im Jahr bieten und so Tomaten produzieren, ohne die Umwelt zu belasten oder Ressourcen zu schädigen.

Frutura erreicht mit seinen Produkten bereits 3 Millionen Menschen pro Tag und prägt deren Essegewohnheiten zu einem guten Teil mit. Ihr langfristiges Ziel ist es, zu einem massiven gesellschaftlichen Umdenken hin zu einer nachhaltigen und gesunden Ernährung beizutragen. Bio-Produkte sind schon seit einer geraumen Zeit in Mode und haben mittlerweile eine große Anhängerschaft. Wen gilt es hier noch zu überzeugen?

Manfred Hohensinner: Wenn Sie die Konsumenten vor einem Einkauf befragen, was sie kaufen würden, dann sagen 100% von ihnen, sie kaufen nur regionale Bio-Produkte. Würden diese Umfragen der Realität entsprechen, hätten wir in der Tat alles geschafft. Die Realität ist aber eine andere. Circa 50–60 % der Konsumenten kauft über den Preis, da viele von ihnen auch nicht die finanziellen Mittel dazu haben. Nur etwa 25–30 % der Menschen kauft bewusst ein und die wenigsten kaufen ausschließlich Bio-Produkte. Man muss in der Gesellschaft also das Verständnis für nachhaltige Produkte erst schaffen. Wir sitzen alle am selben Ast und Corona hat uns ganz genau gezeigt, worum es geht: Lebensmittel, Lebensraum, Lebenskultur und Lebensmobilität. Diese vier Bereiche können wir nur gemeinsam erhalten oder rückführen, wo sie rückgeführt werden müssen. Diese Verantwortung haben wir alle.

Die Kunst der Pflanzenaufzucht
Foto: Phillip Platzer

Katrin Hohensinner: Zum Thema Bio muss man auch klar aussprechen, dass es weder in Österreich noch im restlichen Europa möglich ist, die komplette Bevölkerung ausschließlich mit Bio-Produkten zu versorgen. Das lässt sich nicht produzieren. Vielmehr sollte sich ein Bewusstsein dahingehend entwickeln, dass auch Produkte, die nicht explizit Bio sind, qualitativ hochwertig sein können.

Sie gelten in der Landwirtschaftsszene als weitsichtiger Visionär. Welche Visionen haben Sie für unsere Gesellschaft, wenn es darum geht, mit nachhaltiger Ernährung unsere Welt zu einer besseren werden zu lassen?

Manfred Hohensinner: Jeder hat Anforderungen an unsere Umwelt, doch die Bauernschaft kann unsere nachhaltige Landwirtschaft nicht alleine tragen. Dazu brauchen wir die Gesellschaft, denn es ist unser gemeinsamer Lebensraum. In den letzten Jahrzehnten gab es immer mehr Angebot als Nachfrage. Durch die Masse blieb der Geschmack immer mehr auf der Strecke und es kam zu einem Preisverfall; das berühmte Hamsterrad. Wir wollen gemeinsam die Ökologie und Ökonomie mit dem Sozialen ausgleichen. Hier können wir als Frutura einzigartige Wege gehen, weil wir das „einzige“ unabhängige Unternehmen in dieser Größe sind. Wir gehören weder einer Institution an, noch sind wir in einer Vereinigung. Aber wir können das große Rad nicht alleine drehen, da braucht es Partner in vielen Bereichen und gerade deshalb wollen wir unter Berücksichtigung aller Gesellschaftsbereiche und deren Einbindung den nötigen Paradigmenwechsel der Gesellschaft begleiten. Ich gehöre schon ein bisschen der Vergangenheit an, aber ich habe meinen Wunsch und meine große Liebe zu dem, was ich mit meinen Partnern aufbauen durfte, schon in die Hände meiner Tochter Katrin und des Teams gelegt, sodass sie diese Philosophie in einer neuen zeitgemäßen Variante weiterleben.     

Alle Informationen zu Frutura unter www.frutura.com