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ARSONORE 2020: Meisterhaftes auf dem Weg zur Meisterschaft

Markus Schirmer Foto: Christian Jungwirth

Das internationale Musikfest ARSONORE wird in diesem Herbst unter dem Motto „Lebenslinien“ stehen und musikalisch die Werdegänge und Entwicklungen großer Komponisten nachzeichnen. „Achtzig“ sprach mit dem künstlerischen Leiter Markus Schirmer über die Idee hinter diesem vielversprechenden Konzept und über Werke, die zu Unrecht ein Nischendasein führen.

Text: Stefan Zavernik

ARSONORE soll auch trotz Pandemie in diesem Jahr stattfinden. Was wird beim Festival heuer anders werden als gewohnt?

Das Programm stand bereits vor dem Beginn der Corona-Pandemie fest und soll in seiner ursprünglichen Fassung stattfinden können. Die geplante Pressekonferenz und der Beginn des Kartenverkaufs wurden allerdings vom Virus und dem damit einhergehenden Lockdown verzögert. Im letzten Moment mussten wir alles stoppen und abwarten, wie sich die Dinge entwickeln. Wir haben nun ein Konzept erarbeitet, das unserem Publikum einen sicheren Konzertgenuss bescheren wird. Voraussichtlich werden wir auch die Ersten sein, die wieder mit Pausen spielen. Unser Programm für die diesjährige Ausgabe des Festivals folgt wie immer einer stringenten Dramaturgie – genau das macht auch den Reiz von ARSONORE aus. Wenn wir ein abgespecktes Programm bieten würden, würden manche Elemente nicht mehr aufgehen. Das Publikum darf sich demnach auf ein klassisches und nicht reduziertes ARSONORE-Festival freuen.

Der Anspruch von ARSONORE war es von Beginn an, eines der spannendsten und innovativsten Festivals für klassische Musik zu werden. Für alle, die noch nie live dabei waren: Was macht das Festival zu so etwas Besonderem?

Unser Geheimnis, das wir mit keinem anderen Festival teilen, ist die Zusammenarbeit zwischen jungen hochbegabten Talenten und arrivierten Künstlerinnen und Künstlern. Hier begegnen wir uns alle auf derselben Augenhöhe. Gerade der Einbezug der jungen Musiker inspiriert uns sehr und gibt uns eine neue Frische. Diese jugendliche Energie überträgt sich sofort auf uns. Umgekehrt ist es für die Jüngeren eine enorme Bereicherung, wenn sie mit uns bereits renommierten Künstlern zusammenarbeiten. Es ist ein gegenseitiges Befruchten, das sich bis ins Publikum hinein erstreckt. Alles wirkt dabei entspannt und familiär.

Markus Schirmer
Foto: Hauer

Die Zusammenarbeit mit jungen Musik­talenten ist für Sie nichts Neues. Schon seit langem unterrichten Sie an der Grazer Kunstuniversität. Was ist für Sie das Spannende am Austausch mit den Nachwuchstalenten? Und warum nehmen Sie sich die Zeit dafür trotz Ihres dichten Konzertkalenders?

Gewisse Dinge werden in der Musikwelt immer gleich bleiben, aber sie werden von jungen Menschen immer wieder neu erfahren – das ist für mich unglaublich bereichernd, wie eine Quelle neuer Frische und Inspiration. Es ist für beide Seiten ein Prozess des Gebens und Nehmens. Wie sehr sich die Investition in die Nachwuchstalente lohnt, sehe ich immer wieder. An der Kunstuni leite ich eine großartige Klavierklasse, in der viele Studierende internationale Preise gewonnen haben. Das freut mich persönlich auch sehr und zeigt, dass wir letztendlich alle am gleichen Strang ziehen und uns gegenseitig bereichern. Genau aus diesem Grund steht mir auch das Thema der heurigen ARSONORE nahe, denn es macht das zum Thema, womit wir uns schon all die Jahre beschäftigen: die Weiterentwicklung junger Talente.

Karin Bonelli
Foto: Andrej Grilc

Der Titel der diesjährigen Ausgabe ­lautet „Lebenslinien“. Welche Idee steckt dahinter?

In relativ vielen Konzertserien und Festivals hört man oft die gleichen Stücke, manchmal verpackt in einen anderen Kontext oder man fügt in homöopathischen Dosen etwas nicht so Bekanntes hinzu – doch insgesamt ähneln sich viele dieser Programme. Die großen Klassiker sind unbestritten Quotenbringer und eine Mondscheinsonate lockt immer ihr Publikum an. Doch ich sehe mich selbst auf diesem Gebiet immer als Suchenden oder Forschenden – der Mainstream alleine hat mich nie interessiert. Genau diese Einstellung teile ich mit all meinen Protagonistinnen und Protagonisten bei ARSONORE. Im heurigen Jahr bin ich besonders bei Werken fündig geworden, die „Lebenslinien“ unterschiedlicher Komponisten nachzeichnen. Ich habe wie immer versucht, auch solche Schätze für unser Publikum auszuheben, die (zu Unrecht) nicht sehr bekannt sind. Der Untertitel des diesjährigen Festivals lautet „Meisterhaftes auf dem Weg zur Meisterschaft“ – er verdeutlicht, denke ich, sehr gut, worum es bei unserem Festival generell geht. Wir wollen mit ausgewählten Werken die Lebenswege der Künstler und ihre Entwicklungsstufen hin zur Meisterschaft spürbar machen. Natürlich wird es auch Werke aus der Reifezeit der jeweiligen Komponisten geben, um eine gute Mischung zu finden. Heraus­heben wollen wir aber gerade die Frühwerke und durch sie aufzeigen, was dazu geführt hat, dass die jeweiligen Künstler so berühmt wurden.

Philipp Gaspari

Gibt es Stücke, die für Talente zugeschnitten sind?

Eine gute Frage, auf die das Mendelssohn-Sextett am Eröffnungsabend womöglich eine Antwort liefern könnte. Das Stück wurde vom damals 15-jährigen Mendelssohn Bartholdy geschrieben und wird nun am Festival vom 15-jährigen Shunta Morimoto gespielt werden. Hier ­bewegen wir uns in der gleichen Spanne, auch wenn fast 200 Jahre dazwischenliegen. Es wird sich auch nicht viel geändert haben, denn die Zugänge zur Musik von 15-Jährigen sind meist sehr ähnlich; sie sind sprühend und enthusiastisch. Und genau das möchte ich mit dieser Aufführung aufzeigen.

Ludwig van Beethoven hätte sich wohl ein besseres Jahr verdient, um seinen 250. Geburtstag gefeiert zu bekommen. Mit welchen Werken und Aufführungen wird ARSONORE den großen Komponisten ehren?

Ich bin dankbar und glücklich, dass es im großen Jubiläumsjahr nicht zu einem Beethoven-Overkill gekommen ist, denn das wäre es ohne Corona-Pandemie heuer sicherlich geworden. An allen Ecken hätte man heuer Beethoven aufgeführt. So wie es jetzt ist, ist es aber durchaus überschaubar. Wir haben eine gute Auswahl an besonderen Beethoven-Stücken im Programm, die man sonst kaum zu hören bekommt, wie etwa die Hornsonate, die man eher als Cellosonate kennt – Beethoven hat sie nämlich auch für das Cello gesetzt. Außerdem wird am zweiten Abend eine von uns in Auftrag gegebene Komposition des 18-jährigen Grazers Philipp Gaspari erklingen. Besonders interessant dürfte es für unser Publikum sein, dass wir seinem Lehrer, Helmut Schmidinger, auch einen Auftrag zum gleichen Thema, „Wuth und Freude“, gegeben haben. Diese beiden kleinen Uraufführungen werden uns zeigen, was einem ganz jungen Menschen und einem Routinier zu Beethoven einfällt. Das bietet einen ungeheuren Reiz, der sonst nirgendwo zu erleben ist.

Uschi Glas
Foto: R. Ferrantini

Mit welchen Komponisten wird sich ­ARSONORE heuer noch auseinandersetzen? Auf welche Spuren begibt sich das Festival?

Am ersten Abend haben wir beispielsweise Paganini mit einer Rarität im Programm. Ebenso Carl Loewe, Richard Strauss oder Franz Liszt. In weiterer Folge werden auch Stücke von Frédéric Chopin oder Sergei Rachmaninow zu hören sein, um nur einige anzuführen. Wir werden uns schottischer, dänischer und schweizerischer Volkslieder aus der Feder von Beethoven widmen und auch Stücke zur Aufführung bringen, die nicht so bekannt sind. Zu nennen sind hier etwa Camille Saint-Saëns mit seiner Havanaise in E-Dur oder Henryk Wieniawski mit der Polonaise in D-Dur – beide am dritten Festivaltag, präsentiert von jungen internationalen Ausnahmetalenten.

Werden neben Stammkünstlern wie Sharon Kam oder Thomas Selditz in diesem Jahr auch neue großartige Interpretinnen und Interpreten zu erleben sein?

In diesem Jahr gibt es sehr viele neue Interpretinnen und Interpreten: Veronika Hagen vom Hagenquartett wird da sein, der Shootingstar Konstantin Krimmel oder auch der fantastische Fagottist David Seidel. Ganz besonders freue ich mich, den 15-jährigen grandiosen japanischen Pianis­ten Shunta Morimoto begrüßen zu dürfen. Ich war letztes Jahr bei der Pianale, einem der führenden Klavierwettbewerbe in Deutschland für junge Talente, und hier habe ich Morimoto kennengelernt, der auch die Pianale Junior gewonnen hat. Die gesamte Jury hat feuchte Augen bekommen, als er Rachmaninows 2. Sonate gespielt hat. Das ist eine Natürlichkeit, eine technische Perfektion, eine Musikalität, die ihresgleichen sucht. So freue ich mich sehr, dass er bei uns sein wird. Im Bereich des Schauspiels können wir ebenso vier neue Künstler und Künstlerinnen begrüßen: Joseph Lorenz, Uschi Glas, Gernot Haas und Katharina Stemberger, die mit subtilen Nuancen und Charme dem weltberühmten Kleinen Prinzen von Saint-Exupéry am dritten Tag Gestalt verleihen wird.

Konstantin Krimmel
Foto: Daniela Reske

Der Abschlussabend in der Oper Graz wird Volksmusik aus vier Jahrhunderten präsentieren. Erfindet sich das Festival in diesem Jahr neu?

Nein, wir haben immer das Finale ein bisschen offener und lockerer gestaltet. Wir nehmen die klassischen Gedanken noch einmal auf, aber lüften die Fenster durch und lassen verschiedene Einflüsse, die im Hier und Jetzt zu finden sind, bei diesem Fenster herein. Das Finale vereint heuer eine besonders reichhaltige Palette an unterschiedlichen Volksmusikstücken aus mehreren Jahrhunderten, ­humorvolle Lesungen aus Klassikern von Nöstlinger bis Nestroy und auch ein großartiges Ensemble, welches mit seinem breiten Repertoire an Stücken aus der Barockzeit bis hin zur Klassik überzeugt. Abgerundet wird das Finale durch Publikumsliebling Uschi Glas, das kabarettistische Multitalent Gernot Haas und die Darbietungen des genialen Harmonikaspielers Christian Bakanic, der eigens für uns eine eigene „Geigenmusi“ zusammengestellt hat.

Wie möchten Sie das Festival in Zukunft weiterentwickeln?

Gemeinsam mit Werner Schrempf, der die Festivaldirektion innehat, ist es unser Ziel, dass das internationale Musikfest ­ARSONORE weiterhin einen Fixpunkt in der steirischen Kulturszene darstellt und wir die internationale Vernetzung weiter vorantreiben. Um eine optimale Weiterführung des Festivals zu gewährleisten, setzen wir uns schon während der laufenden Aufführungen mit den Künstlerinnen und Künstlern zusammen und planen das Programm für das kommende Jahr.  

Shunta Morimoto
Foto: Yui Matsukawa

Arsonore

Mi, 9.9. bis So, 13.9.2020, jeweils 19.30 Uhr (am So, 13.9. um 18 Uhr)

Schloss Eggenberg (9.9.–12.9.2020) und Oper Graz (So, 13.9., 18 Uhr)

Ticketvorverkauf unter 0316 269 749 oder per E-Mail an tickets@arsonore.at

www.arsonore.at